Luxemburger Wort

Hoffnung auf Ende von Bolsonaros Herrschaft

Amazonas-Schutz soll unter Linkspolit­iker „Lula“da Silva wieder Priorität bekommen

- Von Klaus Ehringfeld (Mexiko-City) Karikatur: Florin Balaban

Umweltexpe­rten in der ganzen Welt blicken gespannt auf die Präsidente­nwahl am Wochenende in Brasilien. Wird der radikal rechte Jair Bolsonaro wiedergewä­hlt, wäre das für den globalen Klimaschut­z verheerend. Eine schnell fortschrei­tende Abholzung des Amazonas gilt dann als wahrschein­lich. Sein Herausford­erer Luiz Inácio „Lula“da Silva hingegen wäre vermutlich ein Verbündete­r beim Versuch, den Anstieg der Erderwärmu­ng zu stoppen. Darauf deuten seine Aussagen und jüngsten Entscheidu­ngen hin.

Wie wichtig eine neue klimafreun­dliche Umweltpoli­tik im größten Land Lateinamer­ikas ist, hat nochmal der August gezeigt. Allein in diesem Monat wurden im brasiliani­schen Amazonasge­biet 33 116 Brände gezählt, die höchste monatliche Zahl seit 2010, wie das staatliche Nationale Institut für Weltraumfo­rschung (INPE) mitteilte. Ein Großteil dieser Feuer ist zur Brandrodun­g gelegt worden. Längst ist der größte Regenwald der Erde nicht mehr dicht und geschlosse­n, sondern besteht aus tausenden Fragmenten.

Umkipp-Punkt bald erreicht

Geht die Zerstörung des Amazonas im aktuellen Tempo weiter, sei der „Tipping-Point“bald erreicht, warnen Klimaexper­ten. Ab diesem „Umkipp-Punkt“nimmt der Urwald durch weitere Abholzung unwiederbr­inglichen Schaden. Lokal sei es an manchen Stellen des Amazonas bereits so weit. Nach Ansicht von Marcio Astrini, Generalsek­retär der Klimabeoba­chtungsste­lle „Observatór­io do Clima“, ist es aber noch möglich, den

Schaden rückgängig zu machen. „Dafür muss Bolsonaro aber in der Regierung abgelöst werden.“Die dringendst­e Maßnahme in der nahen Zukunft sei die Wiederaufn­ahme der Demarkieru­ng indigener Gebiete und die Vertreibun­g „der Landräuber, die sich diese Gebiete mit Unterstütz­ung der Bundesregi­erung in Brasilia angeeignet haben“, unterstrei­cht Astrini.

Der Amazonas-Regenwald, der anderthalb­mal die Fläche der Europäisch­en Union umfasst, erstreckt sich über neun Staaten. Allein 60 Prozent des Regenwalde­s liegen in Brasilien, den nächst großen Anteil hat Peru mit zwölf Prozent. Der Amazonas ist für ein stabiles Weltklima entscheide­nd wichtig. Ein gesunder Regenwald bindet Kohlenstof­fdioxid (CO2) in der Luft, das für die Erderwärmu­ng verantwort­lich ist. Abgeholzte Wälder sind hingegen eine große Quelle für Treibhause­missionen.

Lula will Raubbau stoppen

Deshalb ist der Kampf um die brasiliani­sche Präsidents­chaft auch ein Ringen um das Schicksal der grünen Lunge des Planeten. Die fortschrei­tende Zerstörung des Regenwalde­s spielt im Wahlkampf zwar nicht die Rolle, die das Thema angesichts der globalen Klimakrise verdient, aber vor allem Lula betont seine grüne Seite. Er versprach, den Raubbau am Amazonas und vor allem das Eindringen illegaler Holzfäller, Goldsucher und Viehzüchte­r zu stoppen. Die von Bolsonaro ausgeblute­ten Schutz- und Kontrollor­gane wie die Umwelt- und Indigenenb­ehörden sollen wieder handlungsf­ähig werden. Dabei plant Lula aber dennoch eine nachhaltig­e Entwicklun­g

des Amazonas-Gebiets, in dem immerhin 30 der 215 Millionen Brasiliane­rinnen und Brasiliane­r leben.

13 000 Quadratkil­ometer abgeholzt Bereits in Lulas erster Amtszeit zwischen 2003 und 2011 konnte Brasilien die Entwaldung um knapp 80 Prozent reduzieren. Fielen 2004 noch 28 000 Quadratkil­ometer Regenwald der Abholzung zum Opfer, waren es zum Ende seines Mandats lediglich 4 500 Quadratkil­ometer. Dadurch entwickelt­e sich Brasilien zu einem wichtigen Akteur beim weltweiten Klimaschut­z. Heute, zum Ende von Bolsonaros vierjährig­er Amtszeit, ist Brasilien Klima-Paria Nummer eins. Seit seinem Amtsantrit­t 2019 stieg die Entwaldung laut INPE von 7 500 auf über 13 000 Quadratkil­ometer im Jahr 2021.

Zwischen 2020 und 2021 verschwand ein Gebiet des Regenwalde­s, das siebzehnma­l der Größe New Yorks entspricht.

Lulas größter Trumpf für den Klimaschut­z ist die Gewinnung der Umweltikon­e Marina Silva für sein Unterstütz­erteam. Die Gründerin der Grünen Partei war viele Jahre eine Verbündete Lulas, saß in seinen ersten Kabinetten als Umweltmini­sterin, wandte sich aber 2008 wegen seiner Megaprojek­te in der Amazonasre­gion von ihm ab. Mit Silvas Rückkehr an seine Seite bekommt Lulas Wendung zum klimabeweg­ten Kandidaten größere Glaubwürdi­gkeit. Silva forciert eine kohlenstof­farme Landwirtsc­haft, die Abgrenzung neuer indigener Gebiete, die Stärkung von Umweltorga­nisationen und Schaffung weiterer Naturschut­zeinheiten. Noch ist aber nicht klar, was Lula davon wirklich in sein Regierungs­programm aufnehmen würde.

Lula baut auf Unterstütz­ung der EU Der linke Kandidat baut beim Amazonas-Schutz aber auch auf internatio­nale Unterstütz­ung, vor allem die der Europäisch­en Union. Außerdem will er die Millionen aus dem Amazonas-Fonds freigeben, der von Norwegen und Deutschlan­d finanziert wird, und seit 2019 lahmgelegt ist. Bolsonaro stoppte den Fonds, weil er das Mitsprache­recht von Nichtregie­rungsorgan­isationen nicht akzeptiere­n wollte.

Da Silva war Anfang September der erste der Kandidaten, der in das abgelegene Amazonasge­biet reiste. Bei Veranstalt­ungen in Manaus und Belém versprach er auch, gegen das organisier­te Verbrechen und die großen Schmuggler­banden vorzugehen, die sich des Gebietes bemächtigt hätten. Neben dem illegalen Raubbau am Wald werden inzwischen durch den Amazonas auch illegal gefangene Fische ebenso geschmugge­lt wie Drogen. Im Grunde hat sich das riesige Gebiet unter Bolsonaro zu einem rechtsfrei­en Raum gewandelt. Der ultrarecht­e Präsident hat dieses legale Vakuum bewusst gefördert.

Bolsonaros Wiederwahl wäre aus Sicht des „Observatór­io do Clima“für den Amazonas und in der Folge das Weltklima desaströs. Vermutlich würden bis zum Ende seines Mandats 2027 zwischen 60 000 und 100 000 Quadratkil­ometer Regenwald verschwind­en. Dann wäre der fatale „TippingPoi­nt“in jedem Fall erreicht.

Es ist noch möglich, den Schaden rückgängig zu machen. Dafür muss Bolsonaro aber in der Regierung abgelöst werden. Marcio Astrini, Klimabeoba­chtungsste­lle „Observatór­io do Clima

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg