Luxemburger Wort

Hilfe von einer rüstigen Rentnerin

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Dass ich ein recht ausgeprägt­es Problem mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln habe, ist kein Geheimnis. Zu meiner Verteidigu­ng muss hinzugefüg­t werden, dass es oftmals nicht an mir liegt, sondern an umgestürzt­en Bäumen, Unwettern oder einfach an der Deutschen Bahn. Hin und wieder liegt es auch an mir. So an jenem sonnigen Tag, als ich mit einer Freundin von Hamburg nach Stralsund reisen wollte. Aufgrund eigens verschulde­ter Verspätung musste ich mit Sack und Pack zum Bahnhof hetzen. Dort angekommen, stand Catherine bereits mutterseel­enallein am Gleis vor einem nur auf uns wartenden ICE. Nassgeschw­itzt ließen wir uns im

Mit links wickelte Gudrun den Schaffner um den Finger.

Bordbistro nieder. Allerdings nicht, ohne unser Gegenüber vorher um Erlaubnis zu bitten. Gudrun, so der Name der rüstigen Rentnerin, war auch unterwegs nach Stralsund. Zu dritt unterhielt­en wir uns ohne

Punkt und Komma und stießen mit einem Weißwein auf das Leben an, es war ja schließlic­h schon 10.30 Uhr. Bis irgendwann der Schaffner vor uns stand. Gedankenlo­s hielt ich unsere Tickets hin. Er zog die Augenbraue­n hoch und rügte uns. Wir saßen im falschen Zug. Die Tickets seien nur für die Regionalba­hn gültig und nicht für den ICE. Happige 120 Euro sollten wir zahlen. Doch Gudrun half uns mit ihrer charmanten Art aus der Patsche: „Sie werden die jungen Damen doch nicht wegen eines so ungünstige­n Missgeschi­cks bestrafen.“Mit links wickelte Gudrun den Schaffner um den Finger und wir kamen mit einem blauen Auge davon. Zwar mussten wir in Schwerin aussteigen, aber zahlen mussten wir nicht. Als wir Gudrun im ICE hinterher winkten, fuhr still und heimlich, aber vor allem hinterhält­ig, unsere berühmt-berüchtigt­e Regio aus dem Bahnhof. Amélie

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