Keine Kameraüberwachung in Differdingen
Südgemeinde will mit lokalem Sicherheitsplan für mehr Ruhe sorgen
Differdingen. Kameras zur Videoüberwachung sollen an „strategischen Punkten“in der Stadt Differdingen installiert werden, „dies nur, um Bilder im Zusammenhang mit Straftatbeständen auszuwerten“, versicherte Bürgermeisterin Christiane Brassel-Rausch (Déi Gréng) noch im März in der ersten Gemeinderatssitzung nach der Anfang Februar einberufenen Dringlichkeitssitzung zur Sicherheit in Differdingen, in der teils heftig über die sich zuspitzende Situation rund um den Park Gerlache und die Rue Michel Rodange diskutiert wurde.
In regelmäßigen Abständen wurde Anfang des Jahres in diesem Bereich immer wieder die Polizei gerufen, was für negative Schlagzeilen in den Medien sorgte.
Um den Park Gerlache ist seit 2018 eine Debatte um die Sicherheitslage entbrannt, die immer wieder befeuert wird durch Vorkommnisse, die in Polizeieinsätzen enden und ältere Anwohner zunehmend einschüchtern, den Park zu passieren. Laute Musik und Motorhäulen bis 4 Uhr morgens halten Menschen vom Schlafen ab.
Gestern nun hat die Bürgermeisterin in Anwesenheit des Ministers für Innere Sicherheit, Henri Kox (Déi Gréng), den lokalen Sicherheitsplan für die Stadt Differdingen vorgestellt. Mal wieder.
Wobei das nicht ganz stimmt. Es gab vorher keinen offiziellen Sicherheitsplan, es gab vorher zunächst oben erwähnte zur Sicherheit einberufene Dringlichkeitssitzung im Februar, einen Monat später stellte die Gemeinde dann ihr Sicherheitskonzept vor.
Gefragt ist vor allem Geduld
Dieses Maßnahmenpaket sah unter anderem vor, mehr Polizeikräfte anzufordern und eine mobile Polizeitruppe einzusetzen, die rund um den Park Gerlache patroulliert, um so mehr Polizeipräsenz zu zeigen. Auch das Gesetz zur Kompetenzerweiterung der Agents municipaux sei auf den Weg gebracht worden, verkündete man damals.
Anfang Juni dann konnten Anwohner beim ersten Biergerforum Frust, Sorgen und Wünsche an die politischen Abgesandten weitergeben. „Auffällig war, dass eine gewisse Diskrepanz bezüglich des Sicherheitsgefühls
zwischen Alteingesessenen und frisch Zugezogenen spürbar war“, stellte Sozialdezernent Jean-Paul Reuter heraus. Demnach hätten „die Neuen vieles nicht so dramatisch gesehen“.
Bei der Vorstellung des Sicherheitsplanes schob Reuter vorweg, „das Ganze ist ein Prozess und geht nicht von heute auf morgen“. So sei das Konzept denn auch eine „Zusammenarbeit verschiedener Akteure“, bei dem viele Beteiligte mitgearbeitet hätten, beispielsweise Polizei, Zoll, das Jugendhaus, das „Outreach-Youthwork“-Programm, das sich um Schulabbrecher kümmert, die vier Streetworker von „CollecDiff“, der Kinderund Jugendhilfedienst, die Asbl
Ich bin nicht dafür, Symbolpolitik zu machen. Henri Kox (Déi Gréng), Minister für Innere Sicherheit
Phoenix, die Anti-Gewalt-Trainings anbietet, um nur einige zu nennen.
Man sei sich Differdingens Probleme sehr wohl bewusst, so Reuter. Einer Auswertung des Statec zufolge befindet sich Differdingen mit seinem sozio-ökonomischen Index von 0,7 bis 0,9 unter den 15 Gemeinden, die in diesem Bereich am schlechtesten abschneiden (Stand 2017).
„Allein durch Repression sind die Leute nicht weg“, erklärte Reuter. Bürgermeisterin BrasselRausch setze daher „auf einen Mix aus Repression und Prävention“, nannte aber keine nennenswerten, neuen Maßnahmen außerhalb derer, die bereits in der jüngsten Vergangenheit verkündet wurden.
Überraschend dürfte hingegen für den einen oder anderen die Ankündigung gewesen sein, vorerst auf die Installation von Sicherheitskameras an den Hotspots zu verzichten. „Das wäre doch aber ein Symbol, um das Unsicherheitsgefühl der Bürger zu verringern“, merkte etwa Philippe Hillenbrand an, der seine Apotheke direkt am Park Gerlache führt.
„Ich bin nicht dafür, Symbolpolitik zu machen“, konterte Henri Kox. „Wenn ich mir die Statistik von London anschaue (Anm. d. Red.: London hat mit knapp 700 000 Kameras das dichteste Überwachungsnetz Europas, vgl. „Welt“, 1.2.2022), dann läuft es dort trotzdem nicht maßgeblich besser.“
Auch private Sicherheitsleute „haben nichts im öffentlichen Raum zu suchen“, so Kox. „Die Sicherheit des öffentlichen Raums unterliegt der staatlichen Autorität.“
Polizei bereits stärker im Einsatz So habe die Polizei in diesem Jahr bereits verstärkt Präsenz gezeigt. „Wir kontrollieren jetzt mehr, auch in Hauseingängen“, kommentierte Sophie Hoffmann, stellvertretende Direktorin der Region Südwest. „Seit einem Monat können wir die Leute auch bitten, Eingänge bitte freizuräumen, eine Art Platzverweis light“, schob Pascal Peters, Zentraldirektor der Police administrative, nach.
Auch, was die Rekrutierungswellen der Polizei angehe, sei Geduld gefragt, so Henri Kox. Für 2023 kündigte er 200 zusätzliche Polizisten auf dem Terrain an, – „die Leute müssen ja erst ausgebildet werden“– und erwähnte das neue Polizeipräsidium, das Differdingen im nächsten Jahr verstärken werde. „Die Bodycams werden den Beamten zusätzlichen Schutz, aber auch eine Chance zur Deeskalation bieten.“
Der lokale Sicherheitsplan soll ab dem 1. Oktober – also diesem Samstag – in Kraft treten. Im kommenden Jahr solle eine erste Bilanz gezogen und gegebenenfalls nachgebessert werden. Die finale Evaluierung steht dann für 2024 an.
Diesel: