Energiekrise im Wintersport
Steigende Strompreise bedrohen viele alpine Veranstaltungen
Ohne Kunstschnee auf Loipen, Pisten und Skisprungschanzen könnten Mikaela Shiffrin, Ryoyu Kobayashi und Co. ihren Sport schon lange nicht mehr betreiben. Seit Jahren ist dieses energieaufwendige Produzieren Normalität – die Kosten dafür bisher zu bewältigen. Aber angesichts der explodierenden Preise für Strom und Gas steht auch der Wintersport vor großen Problemen. Selbst Ausfälle von Weltcupveranstaltungen werden nicht mehr ausgeschlossen.
Droht der Energiekollaps? Der Weltverband FIS räumte ein, dass die Energiekrise zu Absagen von Weltcups im nordischen und alpinen Skisport führen könnte. „Gegenwärtig haben wir keinen Plan B“, sagte Generalsekretär Michel Vion (F). Vor allem die Problematik in Bezug auf Schneeproduktion und Flutlichtevents sei ein großes Thema. Es sei nicht einfach, wenn die Menschen Wasser und Strom sparen müssten, nebenan aber Wettbewerbe vorbereitet und durchgeführt würden.
Sollten viele Pisten nicht beschneit werden – weil aus politischer Sicht als Einsparpotenzial gewollt oder finanziell zu kostspielig – müssten einige wintertechnisch benachteiligte Nationen ihr Training in nördlichere Gefilde verlegen, was auf Dauer logistisch allerdings ziemlich teuer.
Die FIS arbeite mit den Veranstaltern daran, den Energiebedarf einer Veranstaltung zu reduzieren. Als Möglichkeiten wurden kürzere Flutlichtzeiten, eine niedrigere Wattzahl und weniger Generatoren genannt – vorrangig in den Nicht-Wettkampfzeiten.
Denn der Bedarf an Energie ist teils exorbitant, stand aber in Zeiten niedriger Strom- und Gaspreise nie so stark im Fokus wie jetzt. So braucht man für die Vereisung der Bobbahnen pro Saison jeweils etwa eine Million Kilowattstunden,
so viel wie 250 Vierpersonenhaushalte im Jahr.
Ein Beispiel aus Deutschland zeigt, dass allein für das Eis machen in der Erfurter Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle gut 3,2 Millionen Kilowattstunden verbraucht werden. Die Kosten betrugen jährlich zuletzt rund 150 000 Euro. Diesmal wurde unter anderem das Innenfeld nicht vereist und steht weder dem Eissport noch der Öffentlichkeit zur Verfügung. „Wir sind ganz massiv von der Explosion der Energiekosten betroffen und haben deshalb Maßnahmen zur Abfederung der Kosten getroffen“, sagte der für den Erfurter Sportbetrieb zuständige Sachgebietsleiter Kai Martin. In Garmisch-Partenkirchen schlug vor zwei Jahren die Beschneiung des gesamten Skigebiets mit 300 000 Kubikmetern bereits mit 1,35 Millionen Euro zu Buche.
Vierschanzen-Tournee gefährdet
Der Bob- und Schlittenverband Deutschland hat sogar erste Maßnahmen ergriffen. Die Bahnen sollen später vereist und die Kühlung auf Minimalbetrieb gehalten werden, die Eisdicke schrumpfen. Zudem will man 2023/2024 beim Weltverband eine Verschiebung des Saisonbeginns nach hinten beantragen, sodass auf den Bahnen erst ab 1. November trainiert wird und so später vereist werden muss. „Wir nehmen das Thema sehr ernst“, sagte der Vorstandsvorsitzende Thomas Schwab.
Beim Skisprung-Zentrum Oberstdorf, wo immer das Auftaktspringen der VierschanzenTournee stattfindet, weiß man noch nicht, wie hoch die Stromkosten ab Januar sind. Der Vertrag für das Skisprungstadion wurde gekündigt, das neue Angebot sieht keinen Festpreis mehr vor, sondern einen monatlichen Durchschnittspreis nach den täglichen Spotpreisen an der Strombörse. „Bisher haben wir auch nicht die Millionen gescheffelt, sondern mussten schauen, dass es überhaupt geht. Es kann an die Existenz gehen“, sagte Geschäftsführer Florian Stern.
Energieintensive Flächen
Sollten bei einer dramatischen Energieknappheit Einschnitte in Oberstdorf und an anderen Sportstätten drohen, müsste das aus seiner Sicht aber für den gesamten Freizeitsektor gelten. „Warum soll man in Oberstdorf nicht Skilaufen können, kann aber auf die Malediven fliegen, das würde für mich null Sinn ergeben“, so Stern.
Im Eishockey mit den besonders energieintensiven Flächen steht derweil die Zukunft vieler Hallen europaweit auf dem Spiel. Für die Vereisung von 1 800 Quadratmetern braucht man jährlich rund 600 000 Kilowattstunden. Je nach Standort und Alter der Halle sind die Energiekosten um den Faktor zwei bis vier gestiegen. Dass sich das Sterben der älteren Hallen nun beschleunigt, gilt als ausgemacht.
Auch das Internationale Olympische Komitee ist von der Krise inklusive Inflation betroffen. Man habe deshalb die Programme entsprechend angepasst, für die laufende Olympiade bis 2024 sei die Unterstützung für Athleten und internationale Verbände gesichert. „Dann wird es auf die Gespräche mit den Verbänden ankommen. Dort ist die Situation ja sehr unterschiedlich, was Eissportarten und was Schneesportarten betrifft beispielsweise“, sagte IOCPräsident Thomas Bach. dpa
Gegenwärtig haben wir keinen Plan B. Michel Vion, Generalsekretär der Fis