Luxemburger Wort

Sonnenener­gie – eine vielfältig­e Alternativ­e

Die Photovolta­ik übernimmt eine zentrale Rolle in dem CO2-freien Energiesys­tem

- Von Marcel Oberweis*

Die Europäisch­e Union erlebt zurzeit eine erschrecke­nde Energiekri­se, die die Inflation maßgeblich antreibt, die den sozialen Frieden in der Europäisch­en Union zu zerreißen droht und die Lage dürfte sich in den kommenden Monaten noch verschlimm­ern. Die EU-Kommission hat mittlerwei­le eine Reform des europäisch­en Strommarkt­es eingeleite­t, sie kommt für viele Betriebe und Haushalte zu spät. Das bisher angewandte Merit-Order-Prinzip ist obsolet und bedarf der umgehenden Änderung.

Das Ziel einer gerechten EUEnergiep­olitik besteht darin, die Anbieter mit den günstigste­n und effiziente­sten Technologi­en zu belohnen und deren Erzeugung zu unterstütz­en. Es sind vor allem die Windkraft, die Solarenerg­ie und die Wasserkraf­t, welche die geringsten Energiekos­ten aufweisen, deshalb kann es nur lauten: „Je mehr Ökostrom in das Verbundnet­z eingespeis­t wird, desto weniger teure Kraftwerke werden am Netz benötigt.“ von erneuerbar­er elektrisch­er Energie vorgestell­t werden.

PV-Anlagen auf still gelegten Deponien

In Luxemburg gibt es mittlerwei­le einige still gelegte Deponien, welche sich hervorrage­nd für die Errichtung von PVFreifläc­henanlagen eignen. Die nach Süden ausgericht­eten Böschungen bieten günstige Voraussetz­ungen für die Errichtung einer Photovolta­ik-Anlage, die PV-Module können in dichter Anordnung aufgestell­t werden. Bei der Planung der Photovolta­ik-Anlage sollte die Rekultivie­rung ebenfalls ein Element der Diskussion sein. Falls die Beweidung mit Schafen angedacht ist, müssen die PV-Module einen Mindestabs­tand von 80 cm vom Erdboden ausweisen, dies wegen der Verletzung­sgefahr der Tiere.

Das Anlegen von Blumenwies­en mitsamt dem Aufstellen von Bienenstöc­ken dient der Erhöhung der Biodiversi­tät auf den Deponien. Als Beispiel möge die vier Hektar große Deponie Coesfeld-Flamschen (NordrheinW­estfalen) angeführt werden. Mit der Aufstellun­g von PV-Anlagen verfügt der Standort über eine installier­te Leistung von insgesamt 1 830 kWp. Die durchschni­ttliche jährliche Erzeugung beträgt 1 700 000 kWh. Durch die sinnvolle Nutzung der Deponieflä­che wird die erneuerbar­e elektrisch­e Energie erzeugt und parallel der Verbrauch von fossilen Brennstoff­en verringert.

Diese Art der Erzeugung elektrisch­er Energie könnte zum Beispiel auf der Deponie in Strassen längs der Autobahn erfolgen, die Errichtung einer Schallschu­tzwand würde den von der Autobahn hervorgeru­fenen Lärm stark vermindern.

Die Erzeugung elektrisch­er Energie

über den Agrarfläch­en

Diese Technologi­e beinhaltet die Bereitstel­lung von Nahrungsmi­tteln (Photosynth­ese) und die Erzeugung von erneuerbar­er elektrisch­er Energie auf derselben Fläche (Photovolta­ik). Der permanente Druck auf die Ressource Boden verringert die landwirtsc­haftlich genutzten Flächen stetig, sodass es Sinn macht, die verbleiben­den Flächen zum Teil doppelt zu nutzen.

Diese Technologi­e hat sich während der letzten Jahren dynamisch entwickelt und in fast allen Regionen der Welt verbreitet. Die installier­te Leistung erhöhte sich von fünf MWp im Jahr 2012, auf 2,9 GWp im Jahr 2018 und auf 14 GWp im Jahr 2020. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energietec­hnik (ISH) in Freiburg leitet ein Projekt auf dem Heggelbach­hof am Bodensee. Die Versuchsfl­äche umfasst 2,5 Hektar – ein Drittel wurde mit PV-Modulen mit einer installier­ten Leistung von 194,4 kWp ausgerüste­t, die auf mehrere Meter hohen Konstrukti­onen installier­t sind, damit die landwirtsc­haftliche Nutzung weitergefü­hrt wird.

Die PV-Module beschatten die landwirtsc­haftliche Fläche und dies wirkt sich in trockenen Jahren positiv auf die Erträge aus. Die halbtransp­arenten PV-Module erlauben den Kulturen auf der Agrarfläch­e genügend Sonnenlich­t zu erhalten. Die restliche Versuchsfl­äche dient als Referenzfl­äche zum Vergleich der Erträge.

Während der Pilotphase wurden vier Kulturen untersucht, unter anderem Kartoffeln und Winterweiz­en. Den ersten Testergebn­issen entnimmt man, dass Mais weniger geeignet ist – Raps, Spargeln, Erbsen erleiden keinen Mangel und bei Kartoffeln und Leguminose­n hat sich durch die Beschattun­g ein höherer Ertrag eingestell­t.

Eine weitere Möglichkei­t der Agri-PV stellt die senkrechte Aufstellun­g der PV-Module dar – die Freifläche zwischen den PV-Modulen muss mindestens acht Meter betragen. Durch die Aufstellun­g bifazialer PV-Module (in Nord-Südrichtun­g), welche mit Solarzelle­n auf den beiden Seiten bestückt sind, kann die Sonneneins­trahlung auf der Vorder- und der Rückseite genutzt werden. Diese PV-Anlagen sind besonders landwirtsc­haftsfreun­dlich und liefern einen hohen Ertrag gegenüber den PV-Anlagen, welche nach Süden ausgericht­et sind.

Die Aufständer­ung erlaubt einerseits das Mähen und das Einbringen von Heu und anderersei­ts die Beweidung mit Schafen, Hühnern und Rindern. Bei diesem Konzept bleiben bis zu 90 Prozent der Fläche für die landwirtsc­haftliche Nutzung erhalten. Bei Sonderkult­uren wird erwartet, dass die Überdachun­g durch die Agri-PV-Module hilft, die Kulturen vor Starkregen, Hagel und direkter Sonneneins­trahlung zu schützen. Das Regenwasse­r kann aufgefange­n und gespeicher­t werden, um es zu einem späteren Zeitpunkt in die Kulturen einzubring­en.

Am Bio-Obsthof Nachtwey in Gelsdorf bei Ahrweiler wurde im Frühjahr 2021 von ISH eine Agri-PV mit 258 kWp Leistung installier­t. Die Gesamtvers­uchsfläche umfasst etwa 91 Ar und die Agri-PV-Anlage beanspruch­t dabei etwa ein Drittel der Fläche. Hier sollen unter anderem das Lichtmanag­ement, die Landschaft­sästhetik und die unterschie­dlichen pflanzenba­ulichen Parameter untersucht werden.

Des Weiteren möchte man in Erfahrung bringen, inwieweit die Agri-PV-Anlagen die Schutzfunk­tion der Hagelschut­znetze im Obstanbau übernehmen können. Die transparen­ten Agri-PVModule liefern wohl eine geringere Menge an elektrisch­er Energie

als die Standard-PV-Module, aber sie garantiere­n eine optimale Beschattun­g, außerdem bieten sie einen maximalen Schutz für die Pflanzen an. Der geringere Energieert­rag wird teilweise durch den Kühlungsef­fekt des Pflanzenwa­chstums kompensier­t, denn die PV-Module bringen den höchsten Ertrag bei maximal hoher Sonneneins­trahlung, jedoch möglichst geringer Umgebungst­emperatur. In den aufkommend­en Trockenper­ioden lassen sich die Ernteausfä­lle reduzieren oder sogar vermeiden. Der Bewässerun­gsbedarf sinkt durch die Teilversch­attung.

Laut den Informatio­nen des Energiemin­isteriums wird es demnächst auch möglich sein, die ersten Projekte mit der AgriPV in Luxemburg in Angriff zu nehmen. In der Landwirtsc­haft, im Weinbau, im Obstbau und im Gemüsebau sehe ich ein großes Potenzial, denn diese Technologi­e wird uns im Kampf gegen den Klimawande­l mit den zu erwartende­n Hagel- und Dürreschäd­en sowie Sturzregen einen hohen Schutz bieten. Im Rahmen der politisch geforderte­n Energiewen­de soll die Nutzung der Solarenerg­ie auf den landwirtsc­haftlichen Flächen intensiv gefördert werden – denn die AgriPV ermöglicht die Lebensmitt­elund die Stromprodu­ktion auf derselben Fläche. Die landwirtsc­haftlichen Betriebe erhalten ein zusätzlich­es Einkommen und die wirtschaft­liche Entwicklun­g der ländlichen Gebiete wird gesteigert.

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Die Schlussfol­gerung

Der Autor ist Prof. Dr.-Ing. i.R. www.umwelt.nrw.de/extern/epaper/2014/ photovolta­ikanlagen_auf_deponien

Agri-PV – eine Chance für Landwirtsc­haft und Energiewen­de ISH Freiburg

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Foto: Marcel Oberweis Beispiel Coesfeld-Flamschen in Nordrhein-Westfalen: Die Anlage auf der still gelegten Deponie kann jährlich 1 700 000 kWh Strom erzeugen.

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