Der verlorene Geldbeutel im Bus
Während ich in den Bus steige, erblicke ich auf meinem Vordersitz ein Portemonnaie. Marineblau, Lederoptik, abgegriffen. Oh nein, denke ich, auch das noch. Während ich mich frage, was ich nun mit diesem Ding anstellen soll und bevor ich überhaupt reagieren und zum Geldbeutel greifen kann, betreten zwei Männer den Bus und setzen sich auf den Viererplatz vor mir. Genau dort, wo der Geldbeutel liegt.
Och nee, denke ich wieder. Ich habe einen langen Tag hinter mir, bin müde und will nur noch ins Bett. Was ich jetzt eigentlich nicht will ist, fremde Menschen anzusprechen und ihnen zu erklären, dass ich selber
Die freuen sich sicher über ein wenig Taschengeld.
das Portemonnaie gerade entdeckt habe und versichern kann, dass es also nicht ihnen gehört. Nur für den Fall, dass sie es einstecken sollten, man weiß ja nie. Nach genauerem Hinsehen erkenne ich die beiden Männer: Ich kenne sie aus Findel, genauer gesagt von der Wanteraktioun, bei der ich ehrenamtlich arbeite und zu der sich die Männer im Winter jeden Abend einfanden, um wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben. „Die freuen sich sicher über ein wenig Taschengeld“, schießt es mir durch den Kopf. Wer könnte es ihnen verübeln, wenn sie ein paar Scheine oder Münzen aus dem Portemonnaie nehmen würden, um sich was zu Essen oder zu Trinken zu kaufen, von mir aus auch Zigaretten? Höchstwahrscheinlich wird es wohl aber auf Alkohol hinauslaufen. Die Männer klappen den Geldbeutel auf, begutachten alle Innentaschen, aus denen ein Klimpern zu vernehmen ist, erheben sich an der nächsten Haltestelle von ihren Sitzen und steuern auf den Busfahrer zu: „Wir haben ein Portemonnaie gefunden, vielleicht haben Sie ja so eine Art Fundbüro.“Franziska