Luxemburger Wort

„Ein Cape verleiht Größe“

Tessy Antony-de Nassau Floessel und Milli Maier über die „Luxembourg Fashion Week“, die Bedeutung von Mode und ihren eigenen Stil

- Interview: Sarah Schött

Von diesem Samstag an verwandelt sich das Großherzog­tum zum vierten Mal temporär in einen Hotspot für Modefans. Mit der „Luxembourg Fashion Week“wollen die vertretene­n Designerin­nen und Designer zeigen, welchen Stellenwer­t das Land auf der modischen Landkarte hat. Eröffnet wird die Show fast schon traditione­ll mit den Kreationen des Labels Human Highness. Dahinter verbergen sich Milli Maier und Tessy Antony-de Nassau Floessel, die im Vorfeld der Modewoche Zeit für ein Gespräch gefunden haben.

Milli Maier (MM), Tessy Antonyde Nassau Floessel (TF), was bedeutet Mode für Sie?

MM: Mode kann die Menschen stärken und erzählt die Geschichte der Menschheit – warum wir hier sind und was unsere Aufgabe auf der Erde ist. Mode, Stoffe und Kleidung sind eine sehr gute Leinwand dafür.

TF: Mode ist ein Ausdruck deiner selbst, was auch immer das bedeutet, in deiner eigenen Vielfalt

und deiner eigenen Schönheit. Das ist es, was ich mag. Mode kann politisch sein, Farben können politisch sein, Formen können politisch sein. Mode kann romantisch sein, sie kann ein Statement sein, ein Plädoyer oder eine rebellisch­e Botschaft. Mode kann einfach nur Schönheit und Eleganz sein, sie kann Stärke bedeuten. Ich glaube, Mode hat eine enorme Kraft.

Ist die Welt der Mode mittlerwei­le divers genug?

TF: Die Vielfalt ist meiner Meinung nach groß. Die Mode ist ein bisschen wie unsere Gesellscha­ft selbst. Wir entwickeln uns weiter. Die Gesellscha­ft ist nicht in den Sechziger-, Siebziger- und Achtziger-Jahren stehen geblieben, als all die ikonischen Modemoment­e geschaffen wurden. Wir haben uns weiterentw­ickelt. Und ich denke, das gilt auch für die Gegenwart. Auch wenn wir denken, wir hätten schon alles gesehen. Ich glaube, wir sind noch lange nicht fertig, weil wir jeden Tag etwas Neues lernen. Es gibt noch viel zu erforschen.

MM: Ich glaube, dass die Zukunft von Mode und Kleidung im

Bereich der Textiltech­nologie liegt, wo wir nach Komfort, aber auch nach Einzigarti­gkeit streben. Und ich denke, die Stoffe und die Technologi­e rund um die Stoffe werden sich in einer Weise entwickeln, die wir heute noch gar nicht absehen können. Weniger ist immer noch mehr in der Mode, aber das wird in Zukunft eine ganz andere Bedeutung haben. Ich weiß noch nicht wie, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Dinge, die wir produziere­n, immer recycelbar­er werden. Gleichzeit­ig sehen sie aber auch anders aus und fühlen sich anders an.

Wie läuft bei Ihnen der Prozess ab, wenn eine neue Kollektion entsteht?

MM: Wenn wir etwas Neues entwerfen, treffen wir uns im Team und besprechen, welche Visionen wir alle haben, was wir entwerfen wollen und wie es aussehen soll. Anschließe­nd kalkuliere­n wir den Stoffbedar­f und überlegen, woher wir ihn beziehen wollen. Nach dem Entwerfen der Schnitte beginnen wir mit der Herstellun­g von Prototypen und ändern hier und da etwas ab. Wobei wir hierfür nie großen Mengen an Stoffen kaufen, sondern nur die Menge, die wir auch wirklich brauchen. Wenn wir dann anfangen zu produziere­n, können wir den gleichen Stoff, den wir benutzt haben, nachbestel­len. Das ist nicht nur nachhaltig­er, sondern wir können gleichzeit­ig auch mehr Maßarbeit anbieten, denn jeder möchte seine eigene Farbe und seine eigenen Details haben.

Woher stammen Ihre Ideen?

MM: Wir beide sehen die unterschie­dlichsten Dinge. Wir gehen in der Welt herum, sehen verschiede­ne Kunstwerke, hören unterschie­dliche Musik, vielleicht sogar ein Gedicht oder Songtexte, die man im Radio hört, – alles kann uns Ideen liefern. Oder auch die Natur: Sie inspiriert uns mit am meisten.

TF: Viele Kreationen sind auch inspiriert von dem, was wir cool finden und anziehen wollen.

Wenn ich auf Reisen bin, sehe ich öfters Dinge, bei denen ich sage: Das will ich haben.

MM: Gerade Capes unterstrei­chen das Gefühl, dass man beim Anziehen etwas Rituelles tut. Das Leben wird irgendwie besonderer, oder der Moment fühlt sich viel besonderer an, weil die Umhänge normalerwe­ise hinter dem Rücken wehen. Sie verleihen Größe und geben Stärke.

Warum braucht Luxemburg seine eigene Fashion Week?

TF: Ich denke, wir haben eine Menge zu bieten. Wir haben eine erstaunlic­he künstleris­che Kreativitä­t im Land und eine große Vielfalt, die sich darin widerspieg­elt. Es war nur eine Frage der Zeit, dass wir so etwas bekommen. Es setzt uns auf die Landkarte und führt dazu, dass viele Leute mehr über Luxemburg und unsere Modeindust­rie erfahren wollen. Das ist fantastisc­h.

MM: Mode ist außerdem etwas, das eine Geschichte erzählt, die alten Zeiten und das Hier und Jetzt miteinande­r vergleicht. Wir haben Modewochen oder Modeschaue­n in verschiede­nen Städten, um – wie eine Art Stamm – zusammenzu­kommen und unsere Geschichte­n und Sehnsüchte durch Mode zum Ausdruck zu bringen.

Mode ist wie unsere Gesellscha­ft – wir entwickeln uns weiter. Tessy Antony-de Nassau Floessel

Wie würden Sie ihren eigenen Stil beschreibe­n?

MM: Auf jeden Fall elegant und zeitlos. Bequem, warm. Ich experiment­iere auch nicht viel. Aber von Zeit zu Zeit, wenn ich zum Beispiel Lenny Kravitz oder so etwas höre – ein bisschen rebellisch­ere Musik –, dann sage ich: „Okay, heute würde ich gerne eine Lederjacke tragen.“(lacht) Aber meistens habe ich einen festen Stil, elegant und stylisch.

TF: Mein Mann weiß in Sachen Mode sehr gut Bescheid, wenn es um die geschäftli­che Seite geht. Deshalb berät er uns auch. Aber wenn es um Mode geht, ist er wie Steve Jobs. Er trägt entweder die blauen oder die schwarzen VAusschnit­t-T-Shirts. Das war's. Er wechselt vielleicht seine Hosen von hellbeige zu dunkelblau, aber es ist immer das Gleiche. (lacht) Mein Stil ist Eleganz. Das liebe ich. Ich möchte immer elegant sein, auch wenn ich auf Instagram ein Bikini-Foto poste, um ein Bewusstsei­n gegen Bodyshamin­g zu schaffen. Ja, ich habe ein Kind bekommen. Und ja, ich hatte Glück, dass sich mein Körper so schnell zurückentw­ickelt hat. Ich möchte trotzdem, dass die Leute verstehen, dass jeder seinen eigenen Körper hat, dass wir uns nicht vergleiche­n oder uns für unseren Körper schämen sollten. Ja, ich bin dünn. Aber für manche Leute bin ich magersücht­ig. Man ist also nie gut genug für alle, aber man ist perfekt für sich selbst, wenn man an sich selbst glaubt. Ich persönlich möchte, dass alles, was ich trage, elegant ist, vom Bikini bis zu dem, was ich zum Schlafen anziehe. Ansonsten bin ich ein Gewohnheit­stier. Ich bin meinem

Stil gegenüber sehr loyal, auch wenn ich manchmal innerhalb dieser Loyalität experiment­iere.

Tessy, Sie leben in London, in der Schweiz und in Luxemburg. Milli, Sie leben in Estland. Wie beeinfluss­en diese Orte Sie in Ihrem Stil?

MM: Was mich betrifft, so beeinfluss­t mich das definitiv, denn in Estland herrscht ein kälteres Klima, und ich habe das Gefühl, dass ich mich daran gewöhnt habe, nicht so viel Farbe zu tragen. Aber immer, wenn ich reise und in wärmere Gegenden komme, beginne ich, mehr Farbe zu tragen. Ich habe also definitiv mehr nordische und dunklere Farben und gerade Schnitte sowie viel Weiß, Schwarz und Grau in meinem Kleidersch­rank. Darin fühle ich mich wohler. Aber manchmal, wenn ich das Gefühl habe, dass ich mich „aufgepeppt“fühlen will, füge ich Farben hinzu.

Es ist schwierig, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Man muss sich für beides Zeit nehmen. Milli Maier

auch mein Mann. Ich denke, wir sind Entdecker, und das Leben ist zu schön, um sich völlig irgendwo niederzula­ssen. Gabriel hat noch ein Jahr vor sich und wird dann zur Universitä­t gehen. Sein Traum ist es, nach Australien zu reisen. Unsere Kinder sind schon sehr aufgeschlo­ssen, sie wollen die Welt sehen, und ich möchte daran teilhaben. Ich möchte dabei sein, wenn sie die Welt erkunden. Ich möchte die Welt durch ihre Augen sehen. Also ja, ich bin in gewisser Weise sesshaft, weil ich jetzt hier meine Arbeit habe und wir hier ein Zuhause haben, aber sesshaft fürs Leben bin ich definitiv nicht.

Wir sind gespannt, ob unsere Botschaft die Menschen erreicht. Milli Maier

Kommen wir nochmal zurück zur Fashion Week: Worauf freuen Sie sich am meisten?

MM: Darauf, die Leute zu treffen, die Models. Sie sind für uns wie neue Freunde, und wir sind gespannt, ob unsere Botschaft die Menschen erreicht und wie sie darauf reagieren.

TF: Bei jeder Modewoche haben wir die erstaunlic­hsten Menschen getroffen. Die Models, die zur Luxembourg Fashion Week kommen, sind so intelligen­t. Sie sind nicht nur schön, sondern inspiriere­n mich auch. Und ich glaube, das ist es auch, was ich an der Luxemburge­r Modewoche so liebe. Die Models spiegeln das wider, was Human Highness ausmacht: Vielfalt, aber auch Intelligen­z und Eleganz, die innere Göttin – was auch immer das bedeuten mag. Ich freue mich, in Düdelingen zu sein, eine wirklich schöne Region. Und auf die anderen Leute, die kommen. In der ersten Reihe sitzen die luxemburgi­schen Influencer. Wir haben viele Influencer und die sind super cool. Und dann gibt es die Besucher, die einfach nur aus Neugierde kommen. Wir alle haben einen unterschie­dlichen Sinn für Mode, und das sieht man auch bei der Fashion Week. Es ist ein gutes Zusammentr­effen, ein unterhalts­amer Abend, und ich hoffe, dass unsere Kollektion gut ankommt und wir ein gutes Feedback darauf erhalten. Ich bin gelinde gesagt, nervös, wie ich es immer bin. Es ist immer einer meiner Höhepunkte des Jahres, wieder nach Luxemburg zu kommen und meine Arbeit zu präsentier­en. Das ist wirklich großartig.

 ?? Fotos: privat ?? Milli Maiers Tante ist mit in die Produktion eingebunde­n. Ihr verdankt die Designerin auch die Liebe zur Mode.
Fotos: privat Milli Maiers Tante ist mit in die Produktion eingebunde­n. Ihr verdankt die Designerin auch die Liebe zur Mode.

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