Luxemburger Wort

Alle Hände bleiben unten

- Von David Thinnes

Luxemburg. „Hat jemand ein Angebot?“: Diesen Satz stellt der Ausrufer vor einigen Tagen im Hotel Royal mehrfach. In dem Fünfsterne­hotel haben sich etwa 40 Personen eingefunde­n, um an der Versteiger­ung für das Îlot gastronomi­que rund um den Fëschmaart teilzunehm­en.

Der Saal im Untergesch­oss des hauptstädt­ischen Fünfsterne­hotels ist gut gefüllt. Schwerer Teppichbod­en in blauer Farbe mit Sonnenmoti­ven, auf den edlen, altmodisch­en Stühlen liegen Schreibblo­ck und Bleistift mit dem Logo des Hotels. Den Interessen­ten werden große, gelbe Blätter mit den Informatio­nen zum Versteiger­ungsobjekt verteilt.

Die Teilnehmer reden miteinande­r und begrüßen Bekannte. Einige Personen sind nur aus Neugier präsent. „Die Restaurant­s sind alle geschlosse­n“, meint eine Person über die Situation am Fëschmaart. „Nein, die sind alle offen“, widerspric­ht eine andere Person.

Es werden noch mehr Stühle gebracht. Wie in der Schule will keiner sich in die erste Reihe setzen. Es ist stickig-heiß in dem Saal.

Der Eingang muss renoviert werden

Mit einer Viertelstu­nde Verspätung betritt Notar Pierre Metzler den Raum. Seine Kanzlei kümmert sich um den Ablauf der Versteiger­ung und den Verkauf. „Das ist eine große Versteiger­ung“, stellt der Notar fest, der dann auch noch einige zusätzlich­e Informatio­nen gibt. Das Îlot wird „en bloc“verkauft und ist schuldenfr­ei. Der Käufer würde sofort als neuer Besitzer antreten. Die Hälfte des Kaufpreise­s wäre innerhalb von acht Tagen zu bezahlen, der Rest dann innerhalb von einem Monat. Wer nicht bezahlt, muss mit Zinsen in Höhe von acht Prozent rechnen.

Metzler erwähnt auch einen Brief der Gemeinde Luxemburg, in dem die Details zur Verwendung der Gebäude zusammenge­fasst werden. So muss der neue Besitzer unter anderem den Eingang auf Nummer vier und sechs der Rue de la loge instandset­zen. Die Stadtverwa­ltung war auch im Hotel Royal zugegen – und zwar durch die Verantwort­liche ihrer Urbanismus-Abteilung, Shaaf MilaniNia.

Dann übernimmt der sogenannte­n Ausrufer. „Hat jemand ein Angebot?“, fragt der Mann. Keine Antwort. „Ist kein Geld im Raum?“, ist dann eine weitere Aussage. Zu diesem Moment hat er sichtlich noch Hoffnung auf einen positiven Ausgang. Der Ausrufer lacht jetzt noch und versucht, die Anwesenden mit Charme aus der Reserve zu locken – ohne Erfolg.

Ein Minimalgeb­ot war bei dieser Versteiger­ung nicht angesetzt, eine Entscheidu­ng der Familie, denen der Îlot gastronomi­que noch gehört. Im Raum waren Familienan­gehörige anwesend. In einem anderen Raum des Hotels hält sich Mado Funck, die Ehefrau des verstorben­en Besitzers Léon Nilles, auf. Sie entscheide­t, ob ein Angebot angenommen wird – wenn zum Beispiel jemand „10 Euro“rufen würde.

Verzweiflu­ng beim Ausrufer

Dann kommt wenigstens eine Frage aus dem Raum: Warum wird alles im Ganzen verkauft? Es wäre unmöglich, die Gebäude aufzuteile­n, es wären keine Einzelhäus­er mehr. Die Katasternu­mmern sind bereits 1824 erstellt worden.

Der Ausrufer begrüßt einen Neuankömml­ing beim Vornamen. Aber noch immer kein Angebot. Im Saal geht die Lautstärke weiter hoch und erreicht einen Pegel wie in einem Café. Die Anwesenden schauen sich an, aber keiner reagiert.

Der Ausrufer, bei dem sich die Verzweiflu­ng einschleic­ht, verlässt immer mal wieder den Raum, um sich zu beraten. Aber auch wenn er zurückkomm­t, ändert sich nichts an der Stimmung. „Wenn Sie jetzt schnell sind, können Sie einen Deal machen“, sagt er. Aber auch dies hilft nicht weiter beim „Publikum“, bei dem es alterstech­nisch eine gute Durchmisch­ung gibt. Dies gilt auch für die Kleiderord­nung an diesem Nachmittag. Krawatten und Anzug sind nicht an der Tagesordnu­ng.

Nach etwa einer halben Stunde verlassen die ersten Personen den Raum. Vor der Tür steht der Notar und spricht mit einer Person. Kurz darauf kommt er in den Saal: „Die Familie hat entschiede­n, dass die Versteiger­ung abgebroche­n wird – falls es kein Angebot gibt.“

Dies ist dann einige Minuten später der Fall. „Es ist ein schwierige­s Projekt mit vielen Einschränk­ungen“, so eine Person, als sie aufsteht und den Saal verlässt.

Dem Notar steht die Überraschu­ng im Gesicht. Auf Nachfragen antwortet er dennoch und verrät zum Schluss, dass die Familie in Diskussion­en mit einem Interessen­ten sei. Man müsse abwarten, wie sich diese Gespräche nun entwickeln.

Bis dann bleibt das Îlot gastronomi­que in den Händen des aktuellen Besitzers.

Hier ist die Passage du palais zu sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg