Autonome Gemeinden stärken die Demokratie
Gemeinden dürfen und wollen nicht als bloßes Ausführungsorgan nationaler Politiken angesehen werden, fordert der Autor
Die Gemeindewahlen 2023 sind im Anmarsch. Mancherorts wurden bereits Kandidatenlisten vorgestellt. In vielen lokalen Parteisektionen ist die Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten noch nicht abgeschlossen.
Im Idealfall spiegelt eine Kandidatenliste die Vielfalt der Gesellschaft wider und sollte Menschen beider Geschlechter aus unterschiedlichen Berufsgruppen, Alterskategorien, Nationalitäten und sozialem Hintergrund vertreten. Es liegt im allgemeinen Interesse, dass möglichst viele engagierte Bürger mit einem breiten Spektrum an Kompetenzen den Schritt in die aktive Politik wagen.
Engagierte Bürger wollen etwas bewegen. Lokalpolitische Ämter sind deshalb nur dann attraktiv, wenn sie viele Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Dazu braucht es starke, autonome Gemeinden!
Starke Gemeinden gibt es nicht zum Nulltarif
Gesetzlich ist die Gemeindeautonomie klar umrahmt. Ob eine Gemeinde diesen Handlungsspielraum in Wirklichkeit ausschöpfen kann, hängt davon ab, ob sie über die notwendigen finanziellen und personellen Mittel verfügt. Die Gemeindefinanzreform aus dem Jahre 2016 gab den Gemeinden zusätzliche, ausgewogen verteilte Mittel. Frei entscheiden, wie dieses Geld eingesetzt werden soll, können sie jedoch nur teilweise.
Sicherheit bietet eine neue Bestimmung, die mit der anstehenden Verfassungsreform in Kraft treten wird: Den Gemeinden wird garantiert, dass sie zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben vom Staat ausreichend finanzielle Mittel erhalten. Damit sind grundlegende Dienstleistungen der Gemeinden abgesichert. Der Anspruch der Gemeinden, dass es in Zukunft für jede zusätzliche Aufgabe eine entsprechende Gegenfinanzierung gibt, erhält Verfassungsrang. Politischen Handlungsspielraum garantiert diese Bestimmung jedoch nicht. Dazu braucht es frei verfügbare Mittel, die nicht von vorneherein an einen bestimmten Zweck gebunden sind.
Luft verschaffen wird die von Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) geplante Reform des Gemeindegesetzes. Die Vereinfachung von Prozeduren und die Digitalisierung administrativer Vorgänge wird zu mehr Effizienz führen und somit Ressourcen freigeben. Die Gemeinden werden verstärkt auf staatliche Expertise und Beratung zurückgreifen können und werden so entlastet. Die wenigsten Gemeinden können es sich leisten, in allen relevanten Bereichen Experten einzustellen. Umso wichtiger ist es, dass staatliche Verwaltungen den Gemeinden als Partner stets beratend zur Seite stehen.
Politisches Engagement erfordert Zeit
Eine gute Gemeindeführung hängt darüber hinaus davon ab, wie viel Zeit der Bürgermeister und Schöffenrat sowie die Gemeinderäte für ihre Arbeit haben. Wer erstmals darüber nachdenkt, für ein lokales Mandat zu kandidieren, wird sich gut überlegen, ob sich politisches Engagement, Beruf und Familie vereinbaren lassen, denn es ist allgemein bekannt, dass der zugestandene „congé politique“nicht dem realen Zeitaufwand entspricht. Die geplante Reform des Gemeindegesetzes trägt dem Rechnung und sieht eine Erweiterung des „congé politique“vor. Auch werden die Rechte und Pflichten der Mandatsträger klarer umrahmt.
Ein politisches Mandat ist kein klassischer Beruf, oft eine Berufung. Es kann aber auch nicht gleichgesetzt werden mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit in einem Verein, wird aber noch zum Teil so behandelt. Bürgermeister, Schöffen und Gemeinderäte tragen viel Verantwortung und brauchen Rechtssicherheit. Rechte und Pflichten der gewählten Gemeindevertreter werden in dem vorliegenden Gesetzprojekt klar geregelt. Darüber hinaus setzt ein neuer „code de déontologie“Verhaltensregeln fest, die für mehr Transparenz sorgen, Interessenskonflikte vermeiden und Mandatsträger vor ungerechtfertigten Anschuldigungen schützen.
Politik aktiv gestalten bleibt wichtig
Es wäre wünschenswert, wenn die Gesetzprojekte zur Reform des Gemeindegesetzes rechtzeitig vor den kommenden Gemeindewahlen in Kraft treten könnten. Die Arbeitsbedingungen und die Handlungsfähigkeit der Gewählten werden damit deutlich verbessert. Bis dahin sollte sich jedoch niemand, der sich politisch engagieren möchte, davon abhalten lassen, für die kommenden Gemeindewahlen zu kandidieren.
Es gibt wenig andere Stellungen, in denen man sich so direkt für die Interessen und grundlegenden Bedürfnisse der Menschen um einen herum einsetzen kann, als in der Lokalpolitik. Die Nähe zu den Bürgern erlaubt es, gemeinsam Politik zu gestalten und bietet die Gelegenheit zu einer echten demokratischen Teilnahme, Bürgerbeteiligung inbegriffen. Gemeindepolitik ist vielseitig und vielschichtig. Nationale Beschlüsse betreffen oft die Gemeinden, Entscheidungen auf lokaler Ebene haben aber auch oft einen Einfluss auf die nationale Politik.
Gerade in diesen Zeiten, in denen autokratische Regierungsformen selbst in Europa wieder auf dem Vormarsch sind, ist dieses Gefühl, dass Veränderungen möglich sind, dass Politik gestaltet werden kann und nie alternativlos ist, von existenzieller Bedeutung für unsere Demokratie.
Gemeinden dürfen und wollen nicht als bloßes Ausführungsorgan nationaler Politiken angesehen werden. Die Handlungsfähigkeit der Gemeinden und die Attraktivität lokaler Mandate sind ein wichtiger Baustein in unserem demokratischen Gefüge. Autonome Gemeinden stärken die Demokratie!
Der Autor ist Co-Präsident der LSAP, Abgeordneter und Bürgermeister von Düdelingen.