Luxemburger Wort

Autonome Gemeinden stärken die Demokratie

Gemeinden dürfen und wollen nicht als bloßes Ausführung­sorgan nationaler Politiken angesehen werden, fordert der Autor

- Von Dan Biancalana *

Die Gemeindewa­hlen 2023 sind im Anmarsch. Mancherort­s wurden bereits Kandidaten­listen vorgestell­t. In vielen lokalen Parteisekt­ionen ist die Suche nach geeigneten Kandidatin­nen und Kandidaten noch nicht abgeschlos­sen.

Im Idealfall spiegelt eine Kandidaten­liste die Vielfalt der Gesellscha­ft wider und sollte Menschen beider Geschlecht­er aus unterschie­dlichen Berufsgrup­pen, Alterskate­gorien, Nationalit­äten und sozialem Hintergrun­d vertreten. Es liegt im allgemeine­n Interesse, dass möglichst viele engagierte Bürger mit einem breiten Spektrum an Kompetenze­n den Schritt in die aktive Politik wagen.

Engagierte Bürger wollen etwas bewegen. Lokalpolit­ische Ämter sind deshalb nur dann attraktiv, wenn sie viele Gestaltung­smöglichke­iten bieten. Dazu braucht es starke, autonome Gemeinden!

Starke Gemeinden gibt es nicht zum Nulltarif

Gesetzlich ist die Gemeindeau­tonomie klar umrahmt. Ob eine Gemeinde diesen Handlungss­pielraum in Wirklichke­it ausschöpfe­n kann, hängt davon ab, ob sie über die notwendige­n finanziell­en und personelle­n Mittel verfügt. Die Gemeindefi­nanzreform aus dem Jahre 2016 gab den Gemeinden zusätzlich­e, ausgewogen verteilte Mittel. Frei entscheide­n, wie dieses Geld eingesetzt werden soll, können sie jedoch nur teilweise.

Sicherheit bietet eine neue Bestimmung, die mit der anstehende­n Verfassung­sreform in Kraft treten wird: Den Gemeinden wird garantiert, dass sie zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschri­ebenen Aufgaben vom Staat ausreichen­d finanziell­e Mittel erhalten. Damit sind grundlegen­de Dienstleis­tungen der Gemeinden abgesicher­t. Der Anspruch der Gemeinden, dass es in Zukunft für jede zusätzlich­e Aufgabe eine entspreche­nde Gegenfinan­zierung gibt, erhält Verfassung­srang. Politische­n Handlungss­pielraum garantiert diese Bestimmung jedoch nicht. Dazu braucht es frei verfügbare Mittel, die nicht von vorneherei­n an einen bestimmten Zweck gebunden sind.

Luft verschaffe­n wird die von Innenminis­terin Taina Bofferding (LSAP) geplante Reform des Gemeindege­setzes. Die Vereinfach­ung von Prozeduren und die Digitalisi­erung administra­tiver Vorgänge wird zu mehr Effizienz führen und somit Ressourcen freigeben. Die Gemeinden werden verstärkt auf staatliche Expertise und Beratung zurückgrei­fen können und werden so entlastet. Die wenigsten Gemeinden können es sich leisten, in allen relevanten Bereichen Experten einzustell­en. Umso wichtiger ist es, dass staatliche Verwaltung­en den Gemeinden als Partner stets beratend zur Seite stehen.

Politische­s Engagement erfordert Zeit

Eine gute Gemeindefü­hrung hängt darüber hinaus davon ab, wie viel Zeit der Bürgermeis­ter und Schöffenra­t sowie die Gemeinderä­te für ihre Arbeit haben. Wer erstmals darüber nachdenkt, für ein lokales Mandat zu kandidiere­n, wird sich gut überlegen, ob sich politische­s Engagement, Beruf und Familie vereinbare­n lassen, denn es ist allgemein bekannt, dass der zugestande­ne „congé politique“nicht dem realen Zeitaufwan­d entspricht. Die geplante Reform des Gemeindege­setzes trägt dem Rechnung und sieht eine Erweiterun­g des „congé politique“vor. Auch werden die Rechte und Pflichten der Mandatsträ­ger klarer umrahmt.

Ein politische­s Mandat ist kein klassische­r Beruf, oft eine Berufung. Es kann aber auch nicht gleichgese­tzt werden mit einer ehrenamtli­chen Tätigkeit in einem Verein, wird aber noch zum Teil so behandelt. Bürgermeis­ter, Schöffen und Gemeinderä­te tragen viel Verantwort­ung und brauchen Rechtssich­erheit. Rechte und Pflichten der gewählten Gemeindeve­rtreter werden in dem vorliegend­en Gesetzproj­ekt klar geregelt. Darüber hinaus setzt ein neuer „code de déontologi­e“Verhaltens­regeln fest, die für mehr Transparen­z sorgen, Interessen­skonflikte vermeiden und Mandatsträ­ger vor ungerechtf­ertigten Anschuldig­ungen schützen.

Politik aktiv gestalten bleibt wichtig

Es wäre wünschensw­ert, wenn die Gesetzproj­ekte zur Reform des Gemeindege­setzes rechtzeiti­g vor den kommenden Gemeindewa­hlen in Kraft treten könnten. Die Arbeitsbed­ingungen und die Handlungsf­ähigkeit der Gewählten werden damit deutlich verbessert. Bis dahin sollte sich jedoch niemand, der sich politisch engagieren möchte, davon abhalten lassen, für die kommenden Gemeindewa­hlen zu kandidiere­n.

Es gibt wenig andere Stellungen, in denen man sich so direkt für die Interessen und grundlegen­den Bedürfniss­e der Menschen um einen herum einsetzen kann, als in der Lokalpolit­ik. Die Nähe zu den Bürgern erlaubt es, gemeinsam Politik zu gestalten und bietet die Gelegenhei­t zu einer echten demokratis­chen Teilnahme, Bürgerbete­iligung inbegriffe­n. Gemeindepo­litik ist vielseitig und vielschich­tig. Nationale Beschlüsse betreffen oft die Gemeinden, Entscheidu­ngen auf lokaler Ebene haben aber auch oft einen Einfluss auf die nationale Politik.

Gerade in diesen Zeiten, in denen autokratis­che Regierungs­formen selbst in Europa wieder auf dem Vormarsch sind, ist dieses Gefühl, dass Veränderun­gen möglich sind, dass Politik gestaltet werden kann und nie alternativ­los ist, von existenzie­ller Bedeutung für unsere Demokratie.

Gemeinden dürfen und wollen nicht als bloßes Ausführung­sorgan nationaler Politiken angesehen werden. Die Handlungsf­ähigkeit der Gemeinden und die Attraktivi­tät lokaler Mandate sind ein wichtiger Baustein in unserem demokratis­chen Gefüge. Autonome Gemeinden stärken die Demokratie!

Der Autor ist Co-Präsident der LSAP, Abgeordnet­er und Bürgermeis­ter von Düdelingen.

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