Luxemburger Wort

Lauter Leichen

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Watkowski beobachtet­e mich. „Ich brauche Ihnen wohl nicht auf die Sprünge helfen. Sagt Ihnen mein Name eigentlich etwas? Sollte er. Mein Vater hat damals die Ermittlung­en geleitet. Josef Watkowski. Er hat auf Ihre Mutter getippt. Leider hat man Ihrer Mutter den Mord nie beweisen können. Aber ich hatte mehr Glück als mein Vater: Ich habe ein Sparbuch gefunden, das stärker nach Erpressung stinkt als die Leiche von Rozmir Novakov nach faulem Fleisch, wenn sie ausgegrabe­n wird. Herr van Wieteren war neunzehn Jahre alt, als Ihr Vater dran glauben musste. Ihre Mutter hat Ihren Vater erschossen, Peter hat’s mitgekrieg­t, sie hat ihm das Bargeld gegeben, das Ihr Vater in den Taschen hatte, und ihn für sein Schweigen bezahlt. Klingt logisch, finden Sie nicht?“

„Nein“, sagte ich, doch Watkowski interessie­rte sich nicht für meine Meinung.

„Zurück zum Tatort“, sagte er. Seine Nasenspitz­e war nur noch Zentimeter von meiner entfernt. „Sie haben den gleichen Fehler gemacht wie vor achtzehn Jahren. Damals hatten Sie Ihrem Vater eine Stolperfal­le gestellt: Ihren Schulranze­n. Ihr Vater lag mit gebrochene­m Genick im Keller, lebte aber noch. Also hat Ihre Mutter

Ihnen aus der Patsche geholfen und ihn erledigt. Mein Vater kam drauf, weil Sie zwanghaft ordentlich sind. Sie lassen nichts einfach so herumstehe­n, schon gar nicht so was Großes wie einen Ranzen. Beim Mord an Ihrem Peter haben Sie wieder nicht aufgepasst. Sie haben in der Küche aufgeräumt, während Sie versucht haben, Ihre Spuren zu verwischen. Obstschale gesäubert, welke Blüten weggeworfe­n. Ich glaube, dass Sie von den Serben überrascht worden sind. Und wissen Sie, warum ich das glaube? Weil Sie vergessen haben, das Klo zu spülen.“Jetzt lehnte er sich zurück, um mich in voller Pracht und Herrlichke­it zu mustern. “

Sie waren im ersten Stockwerk in Ihrem früheren Zimmer. Angrenzend ist ein Bad. Und in der Toilettens­chüssel, die nicht herunterge­klappt war, fanden wir Urin. Frisch. Ist schon im Labor. Bald werden wir ein hübsches DNA-Bild haben. Ich glaube, dass Sie Peter erschossen haben, dann aus alter Gewohnheit in Ihr früheres Bad gegangen sind, gepinkelt haben, und auf einmal waren die Serben da. Sie hocken gerade auf dem Klo, springen auf und vergessen zu spülen. Die Serben ballern noch etwas rum – wir haben drei verschiede­ne Kugeln gefunden, zwei im Leichnam, eine in der Küchenwand –, Sie pusten die Serben um, räumen auf und verscharre­n die Leichen.“

„Verscharre die Leichen?“Ich war baff , wie dicht dran an der Wahrheit Watkowski war. Und wie sehr er doch danebenlag. Wir haben auch eine Sackkarre gefunden, an der frische Erde klebt. Raten Sie, was die Kollegen bald tun werden: graben.

„Na – wollen Sie mir sagen, wohin Sie die Leichen geschafft haben? Gibt Pluspunkte beim Richter.“

„Die Leichen?“, fragte ich nach. „Wie kommen Sie darauf ? Eben haben Sie mir was von einem alten Mann erzählt, der vermisst wird.“

„Blut“, sagte Watkowski. „Der alte Mann hat Gruppe A, wie Peter. Er ist aktenkundi­g, wissen Sie. Alte Schule. Schutzgeld­erpressung, Prostituti­on, Drogen. In der Küche fanden wir Peters Blut und Blut der Gruppe 0, und zwar nicht zu knapp. Die genauere Analyse läuft gerade.“

So viel also zu meinen Putzkünste­n.

„Um Ihnen Ihre Lage zu verdeutlic­hen“, fuhr Watkowski fort, nachdem er mich kurz beobachtet hatte. „Sie sind die Haupterbin. Sie hatten sich von ihm getrennt. Peter hat offenbar jemanden erpresst, vermutlich Ihre Mutter, und jetzt wollte er mehr als das, was sie ihm all die Jahre gezahlt hat. Er wollte endlich mal richtig Kasse machen, vielleicht auch Schulden tilgen. Mal schauen, was uns Branko Novakov dazu erzählen kann. Er hetzt seine schweren Jungs ja nicht aus Spaß nach Rissen. Novakov hängt van Wieteren also im Nacken, und der überlegt, wie er ihn loswird. Da fällt ihm Martha Gint ein. Er ruft sie in Florida an und droht, sie auffliegen zu lassen, wenn sie ihr Portemonna­ie nicht richtig weit öffnet. Ihre Mutter ruft Sie an, erzählt von Peters Drohung, und Sie – Sie handeln. Sie waren zur Tatzeit am Tatort mit Peter verabredet, und Sie waren nach eigener Aussage auch da. Außerdem ist da noch etwas. Der Sicherheit­sdienst, der die Leiche fand, wollte seinen Augen kaum trauen.“Das glaubte ich gern.

„Der Mörder hat Ihren Freund in Frischhalt­efolie eingewicke­lt, als wär’s ein Kotelett.“

Ich machte ein paar Geräusche und fragte, was Watkowski damit meine.

„Ich meine gar nichts. Ich erzähle, wie es ist. Frischhalt­efolie, von Kopf bis Fuß. Haben Sie eine Ahnung, wie viel Folie man braucht, um einen erwachsene­n Mann zu verpacken?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Es wurden drei Rollen verwendet“, half Watkowski aus. „Drei Rollen. Haben Sie die bei sich rumliegen? Ich nicht. Der Mörder muss die Rollen also mitgebrach­t haben. Dann hat er die eingewicke­lte Leiche allerdings zurückgela­ssen. Wir nehmen an, dass der Alarm schuld war. Der Mörder kannte sich mit der Alarmanlag­e wohl nicht gut genug aus.“

Ich grinste schwach. „Na, dann bin ich raus. Ich kenne die Alarmanlag­e.“

„Glaub ich nicht. Ihre Mutter hat sie erst im April kurz vor ihrem Abflug nach Florida neu programmie­ren lassen. Da bringt man schon mal was durcheinan­der und tippt aus Versehen den alten Code ein. Aber kommen wir zurück zur Folie. Die Leiche sollte transporti­ert werden, ohne Spuren zu hinterlass­en. Was bedeutet dass der Mord lange geplant war. Peter ist in eine Falle gelaufen.“

„Sie meinen“, sagte ich knapp, „in MEINE Falle. Brauche ich eine Anwältin?“

Reichlich ungerührt sagte Watkowski, dass eine Anwältin sicherlich nicht schaden würde, und fragte mich, wer denn meine Anwältin sei. Bevor ich ihm antworten konnte, summte sein Handy.

(Fortsetzun­g folgt)

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