Plattformarbeit ist ein Risiko für Arbeitnehmer
Die Digitalisierung ermöglicht neue und angenehme Arbeitsformen wie das Homeoffice. Allerdings birgt sie auch Risiken. Viele Menschen arbeiten für digitale Plattformen und leisten zum Beispiel Liefer- oder Fahrdienste.
Die Chambre des salariés (CSL) sorgt sich um die Plattformarbeiter, weil die Plattformarbeit rechtlich nicht klar geregelt ist und die Menschen riskieren, ausgebeutet zu werden. Nora Back, Präsidentin der Arbeitnehmerkammer, sprach am Mittwoch bei einer Pressekonferenz von einer „nebulösen Dreiecksbeziehung zwischen dem Organisator der Plattform, dem Dienstleister und dem Kunden“.
Die CSL möchte einen klaren gesetzlichen Rahmen schaffen, in dem die Plattform, die die Dienstleistungen organisiert, in bestimmten Fällen als Arbeitgeber eingestuft werden kann, und die Plattformarbeiter wie Angestellte eingestuft werden und ihnen dieselben Rechte (gute Arbeitsbedingungen, geregelte Arbeitszeiten, Sozialrechte usw.) zustehen wie Angestellten, die ihre Arbeit an ihrem Dienstort verrichten oder im Homeoffice arbeiten.
Gesetzesvorschlag fand keine Beachtung
Die CSL hat 2020 einen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet, der Nora Back zufolge im politischen Milieu keine Beachtung gefunden hat, mit Ausnahme von Déi Lénk, die ihrerseits einen Gesetzesvorschlag zur Regelung der Plattformarbeit eingebracht haben.
Zusammen mit den Gewerkschaften OGBL, LCGB und Aleba hat die Arbeitnehmerkammer eine breite Sensibilisierungskampagne lanciert, um auf die Gefahren der Plattformarbeit aufmerksam zu machen und die Menschen aufzuklären. Vor allem aber möchte sie die politische Debatte lancieren, in der Hoffnung, dass die Politik ein Gesetz auf den Weg bringt. Auf europäischer Ebene laufen Arbeiten an einer Direktive, die den Beschäftigten mehr Sicherheit bieten soll. Die CSL aber möchte nicht so lange warten.
Sie schlägt vor, die Plattformarbeit ins nationale Arbeitsrecht einzuschreiben. Kernpunkt des Gesetzesvorschlags sind Kriterien, die festlegen, wann die Beziehung zwischen der Plattform und dem Dienstleister als Arbeitsvertrag eingestuft werden kann. Die CSL listet acht verschiedene Kriterien auf. Ist ein einziges Kriterium erfüllt, ist laut dem Vorschlag der CSL von einem Arbeitsvertrag auszugehen. Es obliegt der Plattform zu beweisen, dass zwischen ihr und dem Plattformarbeiter kein Angestelltenverhältnis besteht, so der Vorschlag.
Der Gesetzesvorschlag beinhaltet eine Sonderklausel zum virtuellen Arbeitsort: Wenn der Plattformarbeiter aus der Ferne Dienstleistungen erbringt für einen Empfänger, der die Dienstleistung in einem anderen Land in Anspruch nimmt, hat er ein Anrecht auf einen Lohnausgleich, sollten im Empfängerland bessere Lohnbedingungen herrschen als in dem Land, in dem der Arbeiter seine Arbeit verrichtet. Dies entspricht dem aktuellen Arbeitnehmer-Entsendeprinzip.
Gefahr, in der klassischen Schwarzarbeit zu landen
LCGB-Präsident und CSL-Vize-präsident Patrick Dury sprach von einem wichtigen Gesetzesvorschlag, „mit dem wir sicherstellen, dass das schwächste Glied in der Kette, der Arbeitnehmer, nicht unter die Räder kommt“.
Statistiken zur Anzahl an Arbeitnehmern, die in Luxemburg in der Plattformwirtschaft arbeiten, hat die CSL nicht. Vizepräsident JeanClaude Reding sprach diesbezüglich von einer Grauzone und von der Gefahr, „dass wir auf einmal in der klassischen Schwarzarbeit landen“. mig
Wir müssen sicherstellen, dass das schwächste Glied in der Kette, der Arbeitnehmer, nicht unter die Räder kommt. CSL-Vizepräsident Patrick Dury
Bei ihrem Gipfel vor zwei Wochen in Prag sollten die EU-Staats- und Regierungschefs offen und kontrovers diskutieren, um dann heute und morgen bei einem Treffen in Brüssel endlich Entscheidungen zu treffen. Doch die Ansichten aus den 27 Mitgliedsländern haben sich noch nicht ausreichend angenähert, um eine konsequente Antwort auf die rasant steigenden Energiepreise zu finden, so der Eindruck in Brüssel.
„Wir müssen – gerade jetzt – auf Kurs bleiben“, warnt die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor dem Treffen. „Wir werden der Ukraine so lange wie nötig zur Seite stehen. Und wir werden die Europäerinnen und Europäer vor Putins anderem Krieg schützen – und zwar vor seinem Energiekrieg“, sagte sie am Mittwoch im Europaparlament. Um das zu erreichen, gebe es keine hundert Möglichkeiten, fügte sie hinzu: „Die beste Antwort auf Putins Gas-Erpressung ist die europäische Einheit und Solidarität.“
Der Gipfel in Brüssel wird zeigen, wie es um diese „Einheit und Solidarität“derzeit steht. Denn auch nach zahlreichen Beratungen unter den Mitgliedstaaten bleibt die EU in Sachen Gaspreisdeckel gespalten. Noch ist unklar, ob sich die Positionen der EU-Staatsund Regierungschefs in Brüssel diesbezüglich weiter annähern werden. Die EU-Kommission hatte nämlich am Dienstag ein neues Maßnahmenpaket auf den Tisch gelegt, um die steigenden Energiepreise unter Kontrolle zu bekommen. Doch in der entscheidenden Frage des Preisdeckels blieb sie überraschend vage.
„Gas treibt die Strompreise in die Höhe. Und hier kommt das iberische Modell ins Spiel. Es sollte auf EU-Ebene geprüft werden“, präzisierte von der Leyen am Mittwoch. Unter dem „iberischen Modell“versteht man den Preisdeckel, den Spanien und Portugal eingeführt haben. Der Mechanismus dieses Deckels ist einfach: Der Strom aus Gas wird pro Megawattstunde politisch auf ein preiswertes Niveau festgelegt. Dadurch wird erreicht, dass der Strom insgesamt billiger bleibt, denn der Preis für Elektrizität wird vom teuersten Erzeuger festgelegt – also von Kraftwerken, die Gas verheizen. Das Problem: Der Unterschied zwischen bezahlten Preis und dem realen Marktpreis muss kompensiert werden. Auf EU-Ebene wäre dies eine relativ kostspielige Angelegenheit. Das ist wohl ein Grund, warum reiche Staaten wie Deutschland oder die Niederlande diesbezüglich skep
„Hochgradig kontrovers“
Im derzeitigen Entwurf der Gipfel-Erklärung wird die EU-Kommission auf etwas widersprüchliche Art und Weise dazu aufgefordert, ein vergleichbares System auf EU-Ebene „vorzuschlagen“– und gleichzeitig die Sorgen der Skeptiker zu berücksichtigen. So muss die Kommission aufpassen, das bestehende System, das für erneuerbare Stromquellen vorteilhaft ist, dabei nicht grundsätzlich zu verändern und den Gasverbrauch nicht unnötig zu fördern. Die Kommission muss laut der geplanten Gipfel-Erklärung auch darauf achten, dass das Ganze nicht zu teuer wird und verhindern, dass die Operation dazu führt, den Stromgebrauch der EU-Nachbarn gleich mitzusubventionieren … Na dann viel Glück.
Parallel wird Ursula von der Leyen im Entwurf der Gipfel-Erklärung aufgefordert, „einen vorübergehenden dynamischen Preiskorridor für Erdgastransaktionen zu prüfen, um die Preise zu begrenzen“. Laut dieser Idee, die hauptsächlich von Belgien getragen wurde und mittlerweile von der halben EU unterstützt wird, soll die EU einen allgemeinen GasEinkaufspreis für Importe festlegen, der sich am anderswo ausgezahlten Preis (etwa in Asien) orientiert. Diese Idee sorgt allerdings für Unmut unter anderem in Deutschland und Luxemburg, die befürchten, dass dadurch Gaslieferanten ihr Gas anderswo teurer verkaufen und es zu Engpässen kommen könnte. Deswegen steht Luxemburg dem „iberischen Modell“auch etwas wohlwollender gegenüber, da diese Form von Preisdeckel kaum Einfluss auf die Versorgungssicherheit hat. Berlin verwirft dagegen noch immer beide Optionen.
Diplomaten gehen davon aus, dass die Anweisungen an die EU-Kommission, die in der Erklärung vorhanden sind, sich angesichts der noch bestehenden Spannungen im Laufe des Gipfels noch verändern werden: „Es ist eine hochgradig kontroverse Frage“. Das Armdrücken kann beginnen.
Steuerpraktiken kritisieren, aber das Land hat Quellensteuern für Zins- und Lizenzzahlungen eingeführt, die Richtung Staaten gehen, die eine niedrige oder keine Besteuerung haben. Luxemburg steht diesbezüglich dagegen weiterhin auf der Bremse, obwohl die Europäische Kommission seit Jahren darauf drängt. Ich erkenne demnach zu wenige Anstrengungen in Luxemburg, um Steuervermeidung zu erschweren.
Die Regierung würde Ihnen entgegensetzen, dass das Land in den vergangenen Jahren sehr wohl vieles unternommen hat. Luxemburg habe alle EU-Regeln gegen Steuervermeidung umgesetzt und würde sich in Brüssel stets konstruktiv verhalten, heißt es.
Die luxemburgische Regierung verwechselt dabei „nicht blockieren“mit „konstruktiv arbeiten“. Derzeit laufen wichtige Verhandlungen zu neuen Regeln gegen Steuervermeidung – wie etwa die Richtlinie gegen den Missbrauch von Briefkastenfirmen, von denen es ausreichend im Großherzogtum gibt, oder die Umsetzung des globalen Abkommens zur Mindestbesteuerung. Dazu kommt noch Luxemburgs Abneigung, Quellensteuern für Zins- und Lizenzzahlungen Richtung Steuerparadiese einzuführen, die nicht auf der lächerlich kurzen schwarzen Liste der EU stehen. Es gibt demnach viele Gelegenheiten, um sich wirklich „konstruktiv“zu zeigen und ich hoffe, dass Luxemburg das auch tun wird. Denn wir brauchen Luxemburg, um voranzukommen. Einfach, weil so viel Geld durch Luxemburg fließt. Das Land kann dabei nicht behaupten, unbedeutend
Paul Tang kritisiert auch gerne sein eigenes Land, die Niederlande, wenn es um fragwüdige Steuerpratktiken geht. zu sein. Im Gegenteil: Es ist ein großes Finanzzentrum, das eine große Steuervermeidungsindustrie beherbergt.
Eben. So wird in Luxemburg auch gesagt, dass dies viele Arbeitsplätze schafft und demnach wichtig ist, um das Land wirtschaftlich über Wasser zu halten.
Dieses Argument hört man auch in Malta und Irland – und ich habe auch gewisse Sympathien dafür. Aber es sollte sich dabei um reale Investitionen und eine reale Wirtschaftstätigkeit handeln, die richtige Jobs schaffen und nicht bloß anderen EU-Staaten legitime Steuereinnahmen verneinen.
Kleine Länder haben nun einmal Angst, dass sie in einer Welt, in der Produktionsstätten und Konsumenten eine größere Rolle bei der Besteuerung spielen, Probleme haben werden ...
Aber das derzeitige System nützt lediglich einer Hand voll Anwälten, Beratern oder Dienstleistern und diese können doch Besseres mit ihrem Leben anrichten, als Steuervermeidung zu ermöglichen. Hier geht es doch kaum um wirtschaftliche Produktivität, sondern um eine Form von Rente. Obendrein ist diese „mach deinen Nachbarn zum Bettler“-Philosophie kaum nachhaltig auf EUEbene.
Ihr Land, die Niederlande, wurde lange zusammen mit Luxemburg als EU-Steuerparadies angeprangert. Doch es tut sich etwas in Den Haag. Was ist passiert?
Man wurde sich bewusst, dass das Land international als Steuervermeidungshub wahrgenommen wurde. Obendrein wurde man sich bewusst, dass dies kaum wirtschaftliche Vorteile hatte, sondern vor allem dem Ruf des Landes schadet. Die Regierung will sich demnach viel proaktiver in europäische Verhandlungen einbringen. Die Niederlande hat dabei noch einen langen Weg vor sich, aber offenbar gibt es einen Willen, sich zu ändern. Das ist sehr positiv für Europa – und gleichzeitig auch ein Signal an Luxemburg.
Sie haben allerdings bereits miterlebt, wie schwierig es ist, derartige Themen mit luxemburgischen Politikern anzusprechen. Es scheint, dass die kritische Auseinandersetzung mit der Finanzindustrie noch immer ein Tabu ist.
Tatsächlich. Aber das war bei uns auch lange so. Ich bin daher optimistisch, dass Luxemburg sich früher oder später bewusst wird, dass sein Business-Modell schädlich für seine EU-Partner ist. So gehe ich davon aus, dass auch dort kritische Stimmen aufkommen und dass das Land sich positiv verändern wird – und die Wirtschaft des Landes kaum Schaden davon tragen wird.
Apropos: Ihr Ausschuss wird sich am Donnerstag und Freitag (heute und morgen, Anm. d. Red.) in Luxemburg mit Politikern und Wirtschaftsakteuren austauschen. Christophe Hansen, für die CSV im EU-Parlament, sagte dazu, dass der Ausschuss Tourismus auf Kosten des EU-Steuerzahlers machen würde, da es in Luxemburg nichts in Sachen Steuervermeidung zu recherchieren gebe. Was sagt das über das Selbstverständnis der luxemburgischen Politiker aus? Und was haben Sie in Luxemburg vor?
Viele Luxemburger Politiker machen es sich einfach und ignorieren die Probleme, die vor ihrer Haustür stattfinden. Wir reisen nach Luxemburg, um genau das Gegenteil zu machen. Uns geht es darum, auf diese Probleme aufmerksam zu machen und gemeinsam vor Ort über Lösungen zu diskutieren.
In Luxemburg werden Sie nicht auf die Finanzministerin Yuriko Backes (DP) treffen, die anderweitig beschäftigt ist. Backes' Vorgänger Pierre Gramegna hat Ihren Ausschuss auch ständig gemieden. Sind Sie darüber frustriert, dass Sie nie einen luxemburgischen Finanzminister zu sehen bekommen?
Es ist schade. Und es ist auch symbolträchtig. Stichwort Probleme ignorieren. Die niederländische Regierung ist diesbezüglich viel kontaktfreundlicher. Der zuständige Staatssekretär ist vergangene Woche nach Brüssel gereist, um sich ausgiebig mit uns auszutauschen. Luxemburg sollte sich ein Beispiel daran nehmen. Wir wären sehr froh darüber, uns einmal mit der Finanzministerin auszutauschen. Wann auch immer sie Zeit und Lust hat: Sie ist immer willkommen.
In den vergangenen Jahren ist der öffentliche Aufschrei für mehr Steuergerechtigkeit etwas geringer geworden. 2015 redeten alle darüber und jetzt stehen wieder andere Krisen im Vordergrund ...
Dabei zeigen ausgerechnet Krisen wie die Corona-Pandemie oder die derzeitige Energie-Krise, dass die Staatskassen Einnahmen brauchen und wir uns keine Steuervermeidung leisten können. Indem wir Superreiche und Multis dazu bringen, ihren fairen Anteil an Steuern zu zahlen, sind diese Krisen finanzierbar. Aber das ist meine Antwort als linker Politiker und nicht als Vorsitzender des Ausschusses ...
Apropos: Was sagen Sie Ihren „linken“LSAPKollegen in Luxemburg, die das Business-Modell des Landes seit Jahrzehnten mittragen?
Sie sollten keine Angst davor haben, im eigenen Land Kritiker zu sein. Und auch in Luxemburg – und besonders links – gibt es ja bereits einige kritische Stimmen. Im EU-Parlament steht etwa der LSAP-Politiker Marc Angel stets hinter mir.