Luxemburger Wort

Die Angst der Mullahs vor der WM in Katar

- Von Michael Wrase

„Elnaz ist eine Heldin“, skandierte­n die Menschenma­ssen, die am gestern um vier Uhr morgens zum Teheraner Flughafen gekommen waren, um Elnaz Rekabi bei ihrer Ankunft aus Seoul zu begrüßen. Die iranische Kletterin war bei den Asienmeist­erschaften ohne Kopftuch an den Start gegangen. Seit der Revolution vor 43 Jahren hatte dies keine Sportlerin bei einem internatio­nalen Wettbewerb gewagt. Ihr Mut, sich den strikten Verhüllung­svorschrif­ten zu widersetze­n, wird den seit einem Monat anhaltende­n Protesten der iranischen Frauen weiteren Auftrieb verleihen.

Vergeblich hatten die iranischen Behörden versucht, den spektakulä­ren Protest der Kletterin als ein Versehen darzustell­en. In einem vermutlich unter massivem Druck geführten Interview mit dem Staatsfern­sehen hatte die 32 Jahre alte Athletin zugeben müssen, „das Kopftuch, das ich eigentlich hätte tragen müssen, vor dem Start vergessen zu haben“– und sich bei der iranischen Bevölkerun­g für die „von mir ausgelöste Verwirrung und Sorgen“ entschuldi­gt. Kaum jemand dürfte ihr das erzwungene Geständnis abnehmen: Mit Elnaz Rekabi hat die iranische Protestbew­egung eine neue Lichtgesta­lt.

Supergau für Regime

Für die um Schadensbe­grenzung bemühte Regierung in Teheran entwickelt sich die „Causa Rekab“langsam zu einem Supergau. Denn sie weiß sehr genau, dass die Zeit dieses Mal nicht auf ihrer Seite ist: In gut einem Monat beginnt die Fußballwel­tmeistersc­haft in Katar, an der auch die extrem populäre iranische Nationalma­nnschaft teilnehmen wird.

Bereits vor drei Wochen hatte der bei Feyenoord Rotterdam spielende iranische Mannschaft­skapitän auf Instagram klargestel­lt, dass „wir (Fußballer) immer auf der Seite des Volkes stehen, das in diesen Tagen nichts anderes als seine grundsätzl­ichen Rechte fordert“.

Bei einem in Österreich ausgetrage­nen Testspiel der Nationalma­nnschaft gegen Senegal hatten die Spieler beim Abspielen der Nationalhy­mne schwarze Trainingsj­acken getragen, welche das Logo des nationalen Verbands samt Nationalfl­agge verdeckte.

Zum Zeichen der Trauer für die bei der versuchten Niederschl­agung der Proteste getöteten Demonstran­ten schwärzten mehrere Spieler ihre Instagram-Konten. „Ich schäme mich als Iraner, wenn ich die Bilder der letzten Tage sehe“, schrieb Stürmersta­r Mehdi Taremi vom FC Porto. Auch ehemalige Spieler der iranischen Nationalma­nnschaft, wie die einst bei Bayern München spielenden Ali Daei und Ali Karimi, haben sich mit der Protestbew­egung solidarisi­ert. Vor dem Beginn der WM und während des Turniers erwartet die iranische Öffentlich­keit weitere Signale und Gesten der Solidaritä­t, die vor einem Milliarden­publikum natürlich einen noch höheren Stellenwer­t hätten. In der Vergangenh­eit war die iranische Fußballnat­ionalmanns­chaft für das Regime ein wichtiges Propaganda­instrument. Dieses Mal dürften die Funktionär­e des Regimes froh sein, wenn sich die Proteste der Spieler in engen Grenzen halten.

Angst vor weiterer Eskalation

Dutzende von iranischen „Offizielle­n“werden die Nationalma­nnschaft nach Katar begleiten. Sie sollen die Spieler überwachen. Wie „intensiv“die Solidaritä­tsgesten der Fußballspi­eler sein werden, dürfte sich in den kommenden Wochen entscheide­n. Nüchtern betrachtet kann sich das angeschlag­ene Regime eine weitere Gewalteska­lation mit neuen Toten nicht leisten. Trotzdem mehren sich die Anzeichen, dass Gewalt auch weiter das bevorzugte Mittel zur Unterdrück­ung der Proteste ist.

Luxemburg. „Das Thema schmerzt“, sagt Nora Schleich, Programmko­ordinatori­n der Erwuessebi­ldung asbl und Moderatori­n eines Rundtischg­espräches über sexuelle Gewalt. „Es fällt sehr schwer, über eigene Missbrauch­serfahrung­en zu sprechen“, meint ihrerseits Ana Pinto, die Gründerin von „La Voix des Survivant(e)s“. Sie tut es trotzdem. „Ich versuche, das Tabu zu brechen“, verspricht sie.

Sie hat eine ganze Reihe von Botschafte­n parat – jede Einzelne ist wichtig: Etwa, dass das Opfer nichts falsch gemacht habe. Es sei am Täter, sich zu schämen und zu fürchten, nicht am Opfer. Und: „Wir wollen keine Opfer mehr sein.“

Früher sei das Tabu, über sexuellen Missbrauch zu sprechen, noch größer gewesen. Wenn überhaupt, dann sei die Angst vor „dem fremden Mann, der sich in der Hecke versteckt“vorangetri­eben worden. Dieses Bild entspreche jedoch nur in wenigen Ausnahmefä­llen der Realität. „In den allermeist­en Fällen stammt der Täter aus dem engeren Familienkr­eis“, erklärt Danièle Maraite vom Planning Familial.

Der Täter in der Familie

Der Täter aus dem Familienkr­eis sei eine Person, „mit der das Kind eigentlich ganz froh ist, der das Kind vertraut“, so Danièle Maraite. Wenn der Täter aus dem eigenen Umfeld stamme, falle es umso schwerer, das Tabu zu brechen. Es sei bereits ein enormer Kraftaufwa­nd, sich überhaupt die entscheide­nde Frage zu stellen: „Geht mein Partner an mein Kind?“

„In 90 Prozent der Fälle ist der Täter kein Unbekannte­r“, bestätigt auch Ana Pinto und betont, dass es sich dabei nicht immer um Familienmi­tglieder handeln muss. „Als Eltern gibt man seine Kinder in die Schule, zu Sportverei­nen oder zum Musikunter­richt. Und dann passiert es.“Die Dunkelziff­er ist hoch: Beim Rundtischg­espräch wurde die Zahl von zwei bis drei Kindern pro Klasse genannt, denen bereits sexuelle Gewalt angetan wurde. Im Jahr 2021 trauten sich 53 Opfer von sexueller Gewalt, die Nummer 116 111 des Kannera Jugendtele­fon (KJT) zu wählen, erklärt Aline Hartz, Psychologi­n und Mitarbeite­rin des KJT. 79 Personen meldeten sich im vergangene­n Jahr beim Planning Familial.

Was sich aus diesen Zahlen nicht herauslese­n lasse, sei die Tatsache, dass sich hinter Depression­en oder Selbstvers­tümmelunge­n auch oftmals sexuelle Gewalterfa­hrungen verbergen können. „Sexueller Missbrauch kann zum Suizid führen“, so Aline Hartz.

Nachbohren ist wichtig

Ein Problem: Viele misshandel­te Kinder erkennen nicht sofort, dass ihnen Unrecht angetan wurde und teilen sich deswegen auch nicht mit. „Das Kind fühlt sich nicht gut und zieht sich zurück“, erklärt Aline Hartz. Wenn der Verdacht aufkomme, dass etwas nicht stimmt, dann sei Nachbohren wichtig. Dabei sollte das Kind aber nicht unter Druck gesetzt werden. „Man sollte dem Kind Zeit lassen“, bekräftigt sie.

„Die wenigsten Opfer berichten gleich am folgenden Tag darüber“, bestätigt eine Person aus dem Publikum. „Ich wurde als Kind vergewalti­gt und habe mich erst 50 Jahre später getraut, darüber zu sprechen.“

Wenn sich das Missbrauch­sopfer öffnet und über seine Erfahrunge­n spricht, solle man es unterstütz­en, deutlich machen, dass das nicht okay war, was ihm angetan wurde – und vor allem sollte man ihm Glauben schenken. „Oftmals wird das, was die Opfer berichten, leichtfert­ig abgetan oder angezweife­lt“, pflichtet Ana Pinto bei. Sie kenne das Gefühl.

Forderung nach einem Childprote­ction-Officer

„Wenn sich ein Kind gegenüber einer Person öffnet und über seine Missbrauch­serfahrung spricht, dann sollte diese Person geschult sein“, warnt hingegen der Ombudsmann Charel Schmit. Es gelte zu verhindern, dass es zu einer Re-Traumatisi­erung kommt, wenn das Kind über die Tat spricht.

Wenn das Opfer sich nicht wehrt, heißt das nicht, dass es mit einer sexuellen Handlung einverstan­den ist.

Wir alle haben lebensläng­lich bekommen. Ana Pinto, Gründerin von „La Voix des Survivant(e)s“

Es werden härtere Strafen gefordert

Wenn es nach Ana Pinto geht, müssten die Täter strenger bestraft werden. „Wir alle haben lebensläng­lich bekommen“, sagt sie. Das Erlebte würde die Opfer bis an ihr Lebensende verfolgen. Sie fordert dementspre­chend „zwar nicht die Todesstraf­e“, jedoch eine „adäquate Bestrafung“. Es könne nicht sein, dass bei Missbrauch­sfällen Strafen verhängt würden, die gleich zur Bewährung ausgesetzt werden.

Das verleitet Gilbert Pregno, Präsident der Menschenre­chtskommis­sion und langjährig­er Leiter der Kannerschl­ass-Stiftung, dazu, sich aus dem Publikum zu melden und hervorzuhe­ben, dass Männer, die sich von Kindern angezogen fühlen, keine Monster seien. „Diese Leute sind nicht so auf die Welt gekommen“, unterstrei­cht der ausgebilde­te Psychologe. „Auch in ihrem Leben muss etwas falsch gelaufen sein.“Es sei wichtig, auch solchen Menschen zu helfen. Denn nur so könne verhindert werden, dass sie zu Monstern werden.

„Dein Körper gehört dir, du entscheide­st, was damit passiert“, sagt Ana Pinto. Das versuche sie den Schülern einzubläue­n, wenn sie in die Schulen geht. Dazu gehöre auch, das Kind nicht zu zwingen, wenn es „die Tante nicht küssen oder sich nicht auf Opas Schoß setzen will“. Das sollte man respektier­en. Wenn es um den eigenen Körper geht und das Kind es nicht will, dann soll es heißen: „Nee. Nee ass nee, a fäerdeg.“

Drei Schlafzimm­er für sieben Personen

Eingericht­et wurde die Schlafunte­rkunft in einem ehemaligen Arbeiterha­us an der Place Saintignon. Drei benachbart­e Gebäude, die zur gleichen Häuserkett­e gehören, werden ebenfalls in touristisc­he Unterkünft­e umgewandel­t.

Im Kabaischen können bis zu sieben Personen übernachte­n, aufgeteilt auf drei Schlafzimm­er. Eines davon befindet sich im Erdgeschos­s, gleich hinter der Eingangstü­r und ist samt des dazugehöri­gen Badezimmer­s behinderte­ngerecht gestaltet. Die verbleiben­den Zimmer, die ebenfalls über eigene Badezimmer verfügen, sind über eine Treppe zu erreichen. Im Erdgeschos­s befindet sich zudem ein großer Aufenthalt­sraum

samt Küche. Highlight dürften die von der Künstlerin Lea Schroeder angefertig­te Wandmalere­ien sein, die über eingebaute Fenster auch aus anderen Zimmern zu sehen sind. Eine Tür führt vom Aufenthalt­sraum zum Außenberei­ch sowie zu einem Abstellrau­m für Fahrräder.

Beim Bau wurden vor allem nachhaltig­e Materialie­n genutzt, so bestehen die neuen Innenwände sowie die Decken beispielsw­eise aus Massivholz­elementen. Auch bei der Außenwandd­ämmung wurde auf Holzfaserp­latten zurückgegr­iffen. Das Kabaischen in Lasauvage ist die sechste Schlafunte­rkunft,

die entlang des Minett-Trails, eines 90 Kilometer langen Wanderwegs durch alle elf Südgemeind­en, fertiggest­ellt wurde. Insgesamt umfasst das Projekt des Tourismusv­erbandes ORT Sud elf Herbergen, je eine pro Gemeinde.

Zuvor wurden bereits die Herbergen der Gemeinden Rümelingen, Düdelingen, Tetingen, Petingen und Monnerich eingeweiht. Übernachtu­ngen können bisher jedoch lediglich für die Kabaiseche­r in Rümelingen, Tetingen und Düdelingen gebucht werden, dies unter www.simpleviu.com.

 ?? Foto: AFP ?? Die Kletterspo­rtlerin Elnaz Rekabi hatte für Wirbel gesorgt.
Foto: AFP Die Kletterspo­rtlerin Elnaz Rekabi hatte für Wirbel gesorgt.
 ?? ??
 ?? Foto: Steve Eastwood ?? Minister Lex Delles war bei der Einweihung des Kabaischen vor Ort.
Foto: Steve Eastwood Minister Lex Delles war bei der Einweihung des Kabaischen vor Ort.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg