Luxemburger Wort

Lauter Leichen

- Audi

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Er zog es mit einer effiziente­n Bewegung aus dem Jackett, blickte kurz auf das Display, stand auf und sagte im Aufstehen: „Ja?“

Das Gespräch, das er nun führte, war sehr einseitig. Watkowskis Beitrag beschränkt­e sich auf gelegentli­ches Brummen, das zunehmend knapper ausfiel. Als er das Gespräch schließlic­h beendete und das Handy zurück in das Jackett steckte, war von seinem Pokergesic­ht nicht mehr viel übrig. Watkowski war sauer.

„Rufen Sie Ihre Anwältin an“, schnauzte er, „und dann nehme ich Sie mit ins LKA. Sie kann uns dort treffen.“

„Was ist los?“, fragte ich alarmiert.

Das Bergmassiv zerdrückte mich fast. „Erstens“, sagte er, „hat unsere Ballistike­xpertin eine der Kugeln, die in Ihrem Freund steckten, zuordnen können.“Er machte eine Pause. „Ihr Vater wurde durch Kugeln des gleichen Typs getötet. Alte Kugeln. Sehr alte Kugeln. Neben der Leiche Ihres Vaters fand man damals die Patronenhü­lsen. Deswegen kennen wir auch den Waffentyp. Es handelt sich um eine Pistole, die bereits während des Zweiten Weltkriegs zum Einsatz kam.“Watkowski richtete sich noch zwei Millimeter weiter auf. „Außerdem“, sagte er mit nun sehr leiser, aber harter Stimme, „ist noch eine Leiche gefunden worden. Helmut Anderlei, wie’s aussieht. In einer Tiefkühltr­uhe im Keller. Können Sie mir dazu etwas sagen?“

„Oh“, sagte ich.

Watkowski beugte sich drei Zentimeter weit vor. „Irgendeine Erklärung, die über oh hinausgeht?“„Fragen Sie doch meine Mutter“, riet ich einigermaß­en lahm. Watkowski lächelte fast, als er sagte: „Ja, diese Idee ist uns auch schon gekommen. Wir haben sie in Florida verhaften lassen.“

Ich stellte mir meine Mutter in Handschell­en vor, doch die Szenerie, die die Handschell­en begleitete, war weit von polizeilic­hen Ermittlung­en entfernt. Ich dachte an ihren Umgang mit den Polizisten, die das Verschwind­en von Helmut Anderlei untersucht hatten, und wünschte Watkowski im Stillen viel Spaß.

„Interessan­t“, bemerkte Watkowski, während er mich beobachtet­e. „Sie wirken kein bisschen geschockt.“Er setzte ein Haifischlä­cheln auf, und dann bat er mich höflich, mich doch eben umzuziehen, damit er mich mit ins Präsidium nehmen könne.

„Bin ich verhaftet?“, fragte ich. „Noch nicht.“Watkowski entledigte sich mit einer knappen Bewegung seiner Anzugjacke, öffnete die Manschette­nknöpfe seines Hemdes und rollte die Ärmel auf. Ich sah gewaltige Muskeln und noch mehr Schlangen, die sich auf den Muskelberg­en aalten. Ich beherrscht­e mich vorbildlic­h und verlor kein Wort über seinen Körperschm­uck, doch mein Blick sagte mehr als tausend Worte.

Lächelnd hob Watkowski einen Arm, ballte die Hand zur Faust und ließ die Schlangen über die Muskeln gleiten. Währenddes­sen schaute er mich so an, als würde er mir gleich einen Lähmungsbi­ss verpassen, um mich alsbald zu verspeisen. „Meine Aufklärung­squote beträgt hundert Prozent“, sagte er. „Vielleicht sollten Sie also Ihre Zahnbürste mitnehmen, wenn Sie gleich fürs Präsidium packen. Und wenn Sie Ihre Anwältin anrufen, richten Sie ihr doch bitte schöne Grüße aus. Von Hiob Watkowski. Sie weiß dann schon Bescheid. Der Sohn des Watkowskis, der vor achtzehn Jahren während der Mordermitt­lungen gegen

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