Luxemburger Wort

Ein teurer Aufenthalt auf der Intensivst­ation

- Von Jean-Philippe Schmit

„Die Ärzte waren überrascht, wie schnell ich mich erholte“, sagt der Student. Von seinem Unfall seien keine körperlich­en Nachwehen geblieben, nur die Rechnung für die Behandlung in einem Schweizer Universitä­tskrankenh­aus steht noch offen: „112 732 Schweizer Franken soll ich zahlen. Ich weiß nicht, wo ich an so viel Geld kommen kann“, meint der Endzwanzig­er.

Der Mann, der seinen Namen nicht öffentlich machen will, kam im Jahr 2019 aus der Türkei nach Luxemburg, um hier zu studieren. Derzeit arbeitet er an seiner Doktorarbe­it, es wird sein letztes Uni-Jahr sein. Im vergangene­n Sommer war er während der Semesterfe­rien mit Freunden in die Schweiz gefahren.

Hohe Temperatur­en, kaltes Wasser

„Am 16. Juli ist der Unfall passiert“, sagt er. Er weiß noch, dass es am Morgen jenes Tages sehr heiß gewesen war. An das, was danach passiert ist, kann er sich nicht mehr erinnern. Er hat es später erfahren. Als die Gruppe in der Schweiz ankam, entschloss sie sich, in einem Fluss zu baden. Er erinnert sich noch daran, dass es Hamburger zu Mittag gab. Eine halbe Stunde später seien die Freunde ins Wasser gestiegen. Dabei muss es passiert sein: Er verlor das Bewusstsei­n, seine Lungen füllten sich mit Wasser.

„Die Ärzte erklären den Blackout mit einer Hypertherm­ie“, sagt er. Der Sommer 2022 war sehr heiß, die Badegewäss­er sind in dem Alpenland jedoch sehr kalt. Er sei wohl zu schnell ins Wasser gesprungen und der Temperatur­unterschie­d zu groß gewesen, glaubt er. Wie lange er unter Wasser war, weiß er nicht. „Die Rettungssc­hwimmer haben mein Leben gerettet.“

In Lebensgefa­hr

Der Student ist sich bewusst, wie viel Glück er hatte. „Wenn ich nur etwas länger unter Wasser geblieben wäre, wäre ich wohl gestorben.“Er betont, dass er seit seiner Kindheit schwimmen könne. Das Mittelmeer sei jedoch deutlich wärmer und damals sei er auch nicht kopfüber ins Wasser gesprungen.

Nachdem die Rettungssc­hwimmer Erste Hilfe geleistet hatten, wurde er in ein Universitä­tskrankenh­aus gebracht. Er schwebte immer noch in Lebensgefa­hr. Dort wurde er auf die Intensivst­ation gebracht und an eine Beatmungsm­aschine angeschlos­sen. „Die Ärzte erklärten mir, dass ich die gleiche Behandlung erhielt, wie Covidpatie­nten.“Im Flusswasse­r,

das er einatmete, befanden sich Bakterien. Diese lösten eine Lungenentz­ündung aus.

An der Beatmungsm­aschine angeschlos­sen

Auch an die Zeit auf der Intensivst­ation kann er sich nicht erinnern. „Ich war nur einmal aufgewacht, sah meine Freunde und schlief wieder ein.“Nach rund einer Woche begann er wieder, selbststän­dig zu atmen. Die Ärzte weckten ihn und verlegten ihn auf die Normalstat­ion. Er bekam mit, dass das Krankenhau­spersonal über eine Rückführun­g per Hubschraub­er nach Luxemburg sprach, dazu kam es aber nicht.

„Meine Atmung hatte sich nicht verbessert, nach fünf Tagen wurde ich wieder an den Ventilator angeschlos­sen“, sagt der Student. Insgesamt verbrachte er zehn Tage auf der Intensivst­ation. „Es war schrecklic­h.“Als er wieder ganz wach war, wurde er sofort gefragt, ob er eine Versicheru­ng in Luxemburg habe. Seine Freundin hatte die Frage bejaht.

Für Nicht-EU-Bürger gelten andere Regeln

112 732 Schweizer Franken soll ich bezahlen. Ich weiß nicht, wo ich an so viel Geld kommen kann.

Der Student ist bei der CNS eingeschri­eben, bezahlt seine Beiträge und hat auch eine europäisch­e Krankenver­sicherungs­karte. Bisher habe es bei Arztbesuch­en noch nie Probleme gegeben. „Als ich meine Karte zugesendet bekam, war explizit darauf vermerkt, dass sie auch in der Schweiz gültig sei.“Das Papier hat er aufgehoben.

„Die Vorlage der Europäisch­en Krankenver­sicherungs­karte garantiert die Kostenüber­nahme oder -erstattung der medizinisc­hen Auslagen, die vor Ort anfallen“, schreibt die CNS auf ihrer Homepage – das gelte auch in der Schweiz.

Für den türkischen Staatsbürg­er sollte die europäisch­e Karte nach seinem Badeunfall in der Schweiz jedoch zu einem Problem werden. „Ich lebe zwar in der EU, bin aber kein EU-Bürger“, erklärt er. Das mache einen großen Unterschie­d.

Erst später hat er herausgefu­nden, dass für Personen, die zwar in einem EU-Land angemeldet sind, dort studieren oder arbeiten, aber nicht EU-Bürger sind, andere Regeln gelten als für EU-Bürger. Auch wenn sie im Besitz einer europäisch­en Krankenver­sicherungs­karte sind, werden ihre Arztrechnu­ngen in Dänemark, Island, Liechtenst­ein, Norwegen und der Schweiz nicht übernommen. Die Besucher müssen eine Zusatzvers­icherung abschließe­n oder etwaige Krankenhau­srechnunge­n aus der eigenen Tasche bezahlen. „Natürlich wusste ich das nicht“, so der Student.

Post aus der Schweiz

Am 1. August verließ er die Schweiz und wurde auf eigene Kosten per Rettungswa­gen nach Luxemburg gebracht. Dort kam er wieder ins Krankenhau­s, erhielt weitere Antibiotik­a und konnte die Klinik nach weiteren fünf Tagen als weitgehend gesunder Mann verlassen. „Meine Muskeln waren noch schwach, ich be

Schon am ersten Tag des Schweizurl­aubes war der Unfall passiert. Die Behandlung dauerte zwei Wochen und kostete 112.732 Schweizer Franken.

Ich bezahle in Luxemburg die gleichen Beiträge wie die anderen Studenten, jedoch erhalte ich nicht die gleiche Behandlung.

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