Wenn das Geld nicht mehr für Essen reicht
Es ist noch nicht mal 15 Uhr, der Cent Buttek ist noch verschlossen, und trotzdem hat sich vor der Tür bereits eine Schlange wartender Menschen gebildet. Niemand, der hierherkommen muss, will leer ausgehen. Daher gilt, je früher, desto besser. Heute gibt es neue Produkte im Sortiment: Spül- und Waschmittel. Die haben auch die 49-jährige Carole hergelockt. „In einem so reichen Land wie Luxemburg ist Armut noch sichtbarer“, sagt die Mutter zweier Mädchen, wie um sich zu entschuldigen.
Der Lebensmittelladen für Menschen, bei denen das Geld für den Gang in den herkömmlichen Supermarkt zu knapp ist, befindet sich in Beggen. Eine ruhige Gegend mit geräumigen Einfamilienhäusern, versteckt hinter Bäumen auf einem kleinen Hang. Der Cent Buttek ist ein gutes Stück weg vom hauptstädtischen Zentrum, aber immer noch wöchentlicher Anlaufpunkt für viele Familien aus der Umgebung.
Mit den Buslinien 10 oder 11 geht es von der Haltestelle Hamilius nach knapp 15 Minuten direkt bis vor die Tür. Fast 50 Menschen kamen an einem Nachmittag in der letzten Oktoberwoche in das Lokal nach Beggen. Am Monatsende wird es oft besonders knapp.
Weniger Spenden
Zugang hat nur, wer zuvor eine Karte beim Sozialamt beantragt hat. Im Cent Buttek zahlt er nur einen symbolischen Preis von zwei Euro, um dann mitzunehmen, was gerade da ist. Lebensmittel, deren Haltbarkeitsdatum bald ablaufen, von Cactus sowie von Bäckereien und anderen Geschäften bereitgestellt.
Fünf Lieferwagen fahren jeden Morgen los und sammeln die gespendeten Sachen ein, etwa 750 Tonnen Lebensmittel würden so pro Jahr gerettet werden, sagt Arthur Besch, Vizepräsident des Cent Buttek, von dem es zwei weitere in Bettemburg und Lamadeleine gibt.
„Das erste Problem, das wir seit Kurzem haben, ist, dass die Menge gespendeter Sachen immer weniger wird“, so Besch. Frische Lebensmittel, die nahe am Ablaufdatum sind, würden in den Supermärkten nun vermehrt vor die Kassen platziert, um sie dort zu einem kleineren Preis zu verkaufen. „Das ist natürlich sinnvoll für den Handel“, sagt Besch, „aber wir müssen jetzt Obst und Gemüse dazukaufen.“
Hinzu komme, dass der „Europäische Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen“(FEAD), der bedürftigen Menschen europaweit materielle Basisunterstützung in Form von Nahrungsmitteln, Kleidung und anderen wichtigen Bedarfsartikeln für den persönlichen Gebrauch, beispielsweise Schuhe, Seife und Shampoo zur Verfügung stellt, für das Jahr 2023 weniger Trockenprodukte zur Verfügung stellen werde.
Angst vor Heizkosten
An diesem ersten Mittwoch im November, stehen die Kunden vor jenem Regal der „haltbaren“
Produkte an, um ihre monatlich zustehende Ration kostenlos abzuholen. In ihren mitgebrachten Tüten stapeln sich Zahnpasta, Duschgel, Shampoo, Toilettenpapier, Reis, Nudeln, Konserven – seit Kurzem auch Waschmittel, das in der Regel nicht wenig kostet.
Carole kommt seit mehr als zehn Jahren in den Cent Buttek nach Beggen, um sich hier mit dem Nötigsten einzudecken. Sie war eine der ersten Bénéficiaires, wie die Kunden hier genannt werden, als der Laden im August 2011 öffnete. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen des Cent Buttek kennen Caroles Mädchen von klein auf.
Mittlerweile sind die Zwillinge 18 und studieren, wohnen aber noch zu Hause. Caroles Mann ist arbeitsunfähig, Carole selbst bekommt neben dem Revis noch ein wenig Taschengeld durch ihre Arbeit als Travailleur d'utilité collective (TUC) in der Kleiderstube des Roten Kreuzes in Bonneweg. „Ich hole heute vor allem Yoghurts, Früchte und Käse, das haben meine Mädels gern“, sagt Carole, die früher mehrmals in der Woche vorbeigekommen ist und mittlerweile nur noch einmal kommt. Aber wer weiß, ob sie nicht wieder öfter kommen müsse.
„Wir leben in einem alten Haus, das meiste Geld geht für das Heizöl drauf“, sagt sie. „Mit zwei Kindern können wir nicht aufs Heizen verzichten, aber ich heize nicht in allen Räumen.“Auch das Studium der Kinder koste, deshalb müsse hier und da eingespart werden. „Wir haben seit einem Monat das Auto nicht mehr getankt, wir nehmen jetzt den Bus“, sagt Carole und fügt hinzu: „Den ganzen Tag wird über die steigenden Preise geredet, das stresst mich sehr.“Mit mehreren, schwer aussehenden Tüten verlässt sie das Geschäft.
Ady kann seinen vollen Einkaufswagen zumindest in seinem Auto abladen. Der 67-jährige Luxemburger kommt seit drei Jahren vorbei. Weil sich seine 13-jährige Tochter für das Wochenende angekündigt hat, will er vorbereitet sein. Die Rente reicht nicht, weil Ady „ein paar Dummheiten in der Vergangenheit gemacht“hat, wie er sagt, und nun noch Schulden abzubezahlen seien.
Kundenansturm in Bettemburg
Treibt die Inflation mehr Menschen in die Sozialläden? Ja, meint Arthur Besch, und kommt damit zum zweiten Problem. „Wir bekommen immer mehr Neukunden. Der Andrang ist so groß, dass unser Lokal in Bettemburg in den vergangenen Wochen regelrecht überrannt worden ist.“
Die größte der drei Cent Butteker betreut 450 Familien, alle drei insgesamt 810 Familien. 50 Prozent der Bénéficiaires seien Luxemburger und Portugiesen, die andere Hälfte sei international. „Ich habe noch keine aktuellen Zahlen vorliegen, aber man kann mit einem Anstieg von zehn Prozent, in Bettemburg gar 15 Prozent rechnen. Tendenz steigend.“Der Ansturm in Bettemburg sei aber auch durch die Lage zu erklären: Sieben Gemeinden werden hier bedient.
Eine Mutter steht mit ihren drei Kindern im Cent Buttek in Beggen vor der Frischetheke: Hier gibt es Wurst, Käse und Milchprodukte quasi geschenkt – solange der Vorrat reicht.
Wir haben seit einem Monat das Auto nicht mehr getankt, wir nehmen jetzt den Bus. Carole (49), kauft im Cent Buttek ein