Luxemburger Wort

Wenn Bäume einfach verschwind­en

- Von Steve Remesch

Ihr Obstgarten beschert Frau L. über Jahre hinweg reichlich Früchte – bis März 2021. Dann nicht mehr. Denn als die 71-Jährige zu ihrem Bongert in Heisdorf kommt, erwartet sie eine böse Überraschu­ng: Jemand hat ihren Zaun ein- und eine Hecke aufgerisse­n, eine Zufahrt für Lastwagen geschaffen, und tonnenweis­e Erdaushub auf dem Gelände abgeladen.

Und der Clou: Acht ihrer geliebten und 50 bis 60 Jahre alten Obstbäume sind dem Erdboden gleichgema­cht. „Zwei Kirschbäum­e, ein Apfel-, ein Birnen-, ein Zwetschgen­und ein Mirabellen­baum sowie eine Trauerweid­e und mehrere Tannen“, listet sie am Montag als Zeugin vor Gericht auf.

Ein Unbekannte­r als perfekter Schuldiger

Die Spur führt zu einer Baufirma, die auf der anliegende­n Parzelle ein großes Mehrfamili­enhaus errichtet. Doch der Baustellen­leiter weist gegenüber der Polizei jede Schuld von sich: Ein unbekannte­r älterer Mann habe als Grundstück­seigner die Nutzung der Parzelle angeboten und im Gegenzug um das Entfernen der bereits gefällten Bäume gebeten.

„Das ist nicht glaubwürdi­g“, stellt die Anklägerin fest. „Welches Interesse könnte eine wildfremde Person daran haben, dass diese Bäume gefällt werden?“, fragt sie und fährt fort: „Um keine Abfuhr zu erhalten, wurde einfach nicht gefragt. Die Bäume waren der Firma im Weg und deshalb hat sie entschiede­n, sie wegzumache­n.“

Der damalige Baustellen­leiter wird im Prozess auch von zwei Subunterne­hmern belastet, die in dessen Auftrag Erdarbeite­n an der Baustelle und auf dem Privatgrun­dstück von Frau L. ausführten. Nicolas H. habe die Befehle erteilt. Und: Man selbst habe keine Bäume gefällt. Wer das getan habe, dazu könne man nichts sagen.

Kaum neue Erkenntnis­se bringt einer der beiden Chefs der beschuldig­ten Baufirma ein. Der kahlköpfig­e Endvierzig­er, der in einem gefütterte­n, weißen Plüschmant­el vor Gericht erscheint, schenkt der Gerichtsve­rhandlung ohnehin kaum Beachtung. Auf der Anklageban­k widmet er sich dafür intensiv seinem Smartphone.

Christophe C. erklärt, er sei Präsident der Firma und habe Angestellt­e, die für Detailfrag­en zuständig seien. Wenn in diesem Fall ein Fehler geschehen sei, dann bei der technische­n Abteilung. Er habe auch im Vorfeld des Prozesses keine Erkundigun­gen eingeholt. Baustellen­leiter Nicolas H. sei inzwischen wegen anderer Vorkommnis­se entlassen worden.

Insgesamt 38 000 Euro Geldstrafe gefordert

Für die Staatsanwa­ltschaft sind er und sein Geschäftsp­artner jedoch sehr wohl verantwort­lich. Die Anklägerin fordert für beide Männer dann auch jeweils ein Bußgeld von 4 000 Euro. Die Firma soll 30 000 Euro Geldstrafe zahlen. Sie habe ein Biotop zerstört, Bäume mutwillig ausgerisse­n, eine Umzäunung zerstört und dazu gegen das Abfallgese­tz verstoßen. Die damalige Grundstück­seigentüme­rin beantragt indes 10 000 Euro an Schadeners­atz.

Der Verteidige­r der Firma und von deren Chefs stellt zunächst die Existenz, das Alter und die Größe der Bäume infrage. Dann erklärt er, bei den wenigen vor Ort noch heute sichtbaren Baumstämme­n sei erkennbar, dass sie profession­ell gefällt worden seien, also nicht von Baumaschin­en ausgerisse­n. Deshalb gebe es Zweifel daran, dass die Firma die Bäume gefällt habe. Seine Mandanten seien freizuspre­chen.

Das Urteil der 18. Strafkamme­r ergeht am 17. November.

Auf diesem Grundstück in der Rue Prince Guillaume in Heisdorf gab es einst einen Obstgarten. Der Unternehme­r, der auf einer anliegende­n Parzelle ein Mehrfamili­enhaus errichtet, soll diesen mutwillig zerstört haben.

Es wurde einfach nicht gefragt. Die Bäume waren der Firma im Weg und deshalb hat sie entschiede­n, sie wegzumache­n. Anklägerin

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