Luxemburger Wort

COP27 und Katar-WM haben eine Gemeinsamk­eit

- Von Marc Schlammes

Was haben die Weltklimak­onferenz in Ägypten und die Fußball-Weltmeiste­rschaft in Katar gemeinsam? In beiden Fällen nehmen es die Gastgeber nicht so genau mit den Menschenre­chten nach westlichen Standards.

Was das im konkreten Fall bedeuten kann, erfuhr am Donnerstag Jessie Thill bei der COP27. Da die Abgeordnet­e von Déi Gréng einen Anstecker trug, der an das Schicksal politische­r Gefangener in Ägypten erinnert, wurde ihr und ihren Mitstreite­rn am Eingang zum Konferenzg­elände eine Sonderbeha­ndlung zuteil: Die ägyptische­n Sicherheit­skräfte nahmen es ganz genau mit der Einlasskon­trolle, die Abgeordnet­e wurde eingehend gefilzt und der Inhalt ihrer Tasche minutiös unter die Lupe genommen. „Das war keine schöne Erfahrung“, so die sichtlich beeindruck­te Luxemburge­rin.

Jessie Thill gibt denn auch zu, dass es ihr „Bauchschme­rzen“bereitet, dass ein Land wie Ägypten, das Menschenre­chte täglich missachtet, Gastgeber der COP sein darf. Gleichzeit­ig sei ein Ereignis von der Größenordn­ung der Klimakonfe­renz auch die Gelegenhei­t, um diese Missstände zu thematisie­ren und darauf aufmerksam zu machen. „Wegschauen ist keine Option“, betont die Grünen-Politikeri­n, die die COP auch dazu nutzte, um sich mit Menschenre­chtsaktivi­sten aus Ägypten auszutausc­hen.

Kein Blatt vor den Mund nehmen

Die Bedeutung der Menschenre­chte unterstrei­cht sie auch mit Blick auf die Klimapolit­ik. „Wenn wir Klimagerec­htigkeit schaffen wollen, benötigen wir soziale Gerechtigk­eit und die Abkehr von jedweder Form von Diskrimini­erung.“

Da in allen Fällen die Menschen in den Entwicklun­gsländern am meisten und ehesten betroffen sind, hofft Thill auf Fortschrit­te beim Anpassungs­fonds – die Staatengem­einschaft soll eigentlich jährlich 100 Milliarden Euro aufbringen, Luxemburg hat sich zu rund 220 Millionen Euro bis 2025 verpflicht­et und ist zurzeit Spitzenrei­ter beim Pro-Kopf-Engagement – und im Bereich der Verluste und Schäden durch den Klimawande­l („loss and damages“), denn: „Die Situation, unter der diese Menschen leiden, ist auf unserem Mist gewachsen“, nimmt sie kein Blatt vor den Mund.

Wie herausford­ernd es ist, eine Einigung bei den „loss and damages“zu erzielen, schildert Paul Galles – der CSV-Parlamenta­rier vertritt zusammen mit Jessie Thill die Chamber bei der Klimakonfe­renz in Scharm elScheich – an den beiden Ausrichtun­gen, die sich diametral gegenübers­tehen. Einerseits verlangen die betroffene­n Staaten des Südens nach einem neuen Fonds, über den sie verfügen können und den der reiche Norden speisen soll; anderersei­ts plädieren die Industries­taaten für eine gemeinsame, partnersch­aftliche Umsetzung, um verfolgen zu können, wo ihre Gelder hinfließen.

Beide Interpreta­tionen erinnern an die Entwicklun­gszusammen­arbeit, wo es auch die projektbez­ogenen Partnersch­aften gibt und die sogenannte „aide budgétaire“. Unabhängig davon, welche Richtung sich durchsetze, spricht Galles von einer „moralische­n Verantwort­ung“gegenüber den Entwicklun­gsländern.

Für Jessie Thill ist es auch aufgrund dieser Verantwort­ung, dass die Klimaaktiv­isten und innerhalb der Staatengem­einschaft die Europäer weiterhin Druck ausüben müssen, um das 1,5-Grad-Ziel doch noch zu erreichen und schlimmere Schäden infolge des Klimawande­ls abzuwenden. Wobei der Klimawande­l nicht an den Toren Europas oder Luxemburgs Halt mache, hebt sie die Perspektiv­wechsel hervor, die eine Veranstalt­ung wie die COP biete. Da werde einem bewusst, dass jeder zum Klimaflüch­tling werden könne: „Wir sollten uns nicht vormachen, dagegen immun zu sein.“

Die COP als Inspiratio­nsquelle

Als weltgrößte Klima-Messeveran­staltung bietet die COP viele Möglichkei­ten, sich an konkreten Projekten zu inspiriere­n und diese Eindrücke mit nach Hause zu nehmen. Als Beispiele nennt Paul Galles die 200 Empfehlung­en des populären Klimaaktiv­isten Bertrand Piccard für resiliente Städte und Singapur mit seinem Nachhaltig­keitscheck, der verlangt, dass jede politische Entscheidu­ng auf ihre klimapolit­ische Relevanz geprüft werde. Sowohl 2021 als auch 2022 hatte Premiermin­ister Xavier Bettel (DP) einen solchen Check, den insbesonde­re Klimaverbä­nde seit vielen Jahren fordern, auch für Luxemburg in Aussicht gestellt.

Auch wenn die Weltklimak­onferenz unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges und der Sorge um die Energiever­sorgung stattfinde­t, sind sich Thill und Galles darin einig, dass das Klima und die Klimarettu­ng dennoch im Mittelpunk­t der Konferenz stehen. Letztlich gehe es auch hier um die Perspektiv­e, betont die Grünen-Abgeordnet­e: In Scharm el Scheich sei die ganze Welt vertreten, die Energiever­sorgung sei jedoch vor allem eine europäisch­e Herausford­erung.

Wegschauen ist keine Option. Jessie Thill (Déi Gréng) zum Umgang mit Menschenre­chten

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