Lauter Leichen
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„Ob es die gleiche Waffe war, können wir nicht mit Sicherheit sagen, weil die Hülse fehlt, aber unsere Ballistikexperten halten es zu neunzig Prozent für wahrscheinlich, dass die Waffen übereinstimmen.“
„Alter Hut. Das hat Ihr werter Kollege mit der hübschen Schlange um den Hals bereits gestern erzählt“, sagte ich. „Nicht so ausführlich, aber dem Sinn nach gleich. Ich habe darüber nachgedacht. Eigentlich gibt es nur eine Erklärung, wenn wir mich als Täterin ausschließen.“
„Ich schließe Sie nicht aus“, sagte Watkowski, „würde Ihre Erklärung aber trotzdem gern hören.“„Na, die Villa. Beide Morde geschahen in der Villa. Die Villa ist der gemeinsame Nenner.“
Die Wirkung dieser simplen Analyse war erstaunlich: Watkowski richtete sich wie ein Jagdhund auf, der eine Fährte gewittert hat. „Das“, sagte er gedehnt, „ist eine interessante Idee.“„Verstehe ich nicht“, wandte Doris ein. „Was soll mit der Villa schon sein? Die Anderleis haben sich in den frühen Achtzigern eine noch größere Hütte gekauft. Alles, was für sie interessant gewesen sein könnte, hätten sie doch ganz in Ruhe mitnehmen können, als sie auszogen. Nach dem Umzug
der Anderleis haben die Gints das Gemäuer gekauft. Übrigens, Frau Gint, was ich immer schon mal fragen wollte: Warum heißen Sie eigentlich alle Gint? Hat Ihr Vater den Namen Ihrer Mutter angenommen, als sie heirateten?“
„Nein. Mein Vater hieß auch Gint. So haben sich meine Eltern kennengelernt. Meine Mutter wurde in einem Kauf aus ausgerufen, in dem auch mein Vater gerade einkaufte. Weil der Name Gint so selten ist, war mein Vater neugierig und wollte wissen, ob er mit Martha Gint vielleicht bekannt sei. Er sah meine Mutter und verliebte sich.“
„Aha“, entgegnete Doris ein wenig verkniffen. „Und warum hat Ihr Vater die Villa damals gekauft? Sie lebten doch nicht schlecht. Direkt an der Außenalster, mit Bootssteg.“
Ich lächelte. „Weil meine Eltern mehr Ausweichfläche brauchten, nachdem ich geboren worden war.“
Watkowski betrachtete Doris, und diese nickte: „Ich frage unsere liebe Martha“, sagte sie. „Wird bestimmt wieder eines dieser erhellenden Gespräche.“
Nun wandte sich Watkowski wieder mir zu, faltete die Hände, fokussierte mich mit seinen Onyxaugen, brachte Rüdiger in Position und sagte: „Nun kommen wir zu einem weiteren Toten, und ich bin gespannt, ob Ihnen dieser Name etwas sagt: Boban Stani?.“
Ich sagte: „Nein.“
„Boban“, klärte Doris mich auf, „fuhr Finanzunterlagen von VIRTEGO
spazieren. Er ist ebenfalls einer der Jungs von Novakov. Leider hatte er einen Autounfall und starb. Und nun dürfen Sie mal raten, mit wessen Auto er unterwegs war. Sieht jetzt übrigens nicht mehr ganz so schick aus.“
„Keine Ahnung“, sagte ich. „Wahrscheinlich mit einem weiteren goldenen BMW von Novakov.“
„Falsch!“, rief Watkowski. „Er fuhr IHR Auto!“
„Meins?“Ich heuchelte völlige Überraschung. „Ihrs. Wir haben die Fahrgestellnummer geprüft . So gut das noch ging – denn der Jaguar hat nur noch Schrottwert.“
„Sie müssen sich irren“, behauptete ich. „Ich hätte doch bemerkt, wenn jemand mein Auto gestohlen und mir ein anderes als Ersatz dagelassen hätte.“
Watkowski betrachtete mich mit einem Ausdruck, den ich nicht deuten konnte, und fuhr schließlich fort: „Übrigens fanden wir im Wrack auch die Pistole, mit der Ivan in der Villa Ihrer Mutter erschossen worden ist.“
Ich kniff die Lippen zusammen, um jeden Laut zu ersticken, denn ich wusste, was jetzt kam.
„Wir haben Fingerabdrücke sicherstellen können“, sagte Watkowski.
Mist! Ich hatte die Pistole bei der Reinigungsaktion übersehen.
„Leider überlagern sich die Abdrücke“, sagte Doris, und wieder presste ich die Lippen zusammen, diesmal, um nicht erleichtert zu seufzen. „Aber wir arbeiten daran, das Gewirr auseinanderzudividieren.“
Es war gut, dass sich Watkowski und Doris nebeneinandergesetzt hatten, denn so war das PingPong-Spiel, dem ich nun folgte, für meinen Kopf nicht ganz so anstrengend.
Watkowski: „Da haben wir uns natürlich gefragt, wie Ihr Jaguar unter Bubba Clooneys Hintern kam.“
Doris: „Das ist sein Spitzname.“(Sie erklärte mir die Geschichte, die dahintersteckte.)
Watkowski: „Bubba wollte also in seinen heiß geliebten Jaguar steigen. Und was stellte er fest? Vom Garagendach muss Lindenblütenstaub gerieselt sein und seine kunstvoll bestickten Fußmatten haben sich in Luft aufgelöst. Als Bubba also klar wurde, dass sein Auto nicht sein Auto war, rief er bei Dobrinka, seiner Verlobten, an, und fragte, ob sie ihm ihren Fiat leihen könnte. Ein 500er in Rosa. Bubba war wohl sehr verzweifelt.“
Doris: „Aber Dobrinka wollte nicht. Sie ist eine stolze Frau. Bubba hat sein Auto nämlich fast mehr geliebt als sie. Und als er es ihr nun geben wollte – weil es nämlich nicht sein Auto war –, da war sie beleidigt. Also zog Bubba mit Ihrem Jaguar los und baute bei Osnabrück diesen Unfall.“
Watkowski: „Wir fanden neben der Pistole auch einen Aktenkoffer. Einen mit diesen Zahlenschlössern, wissen Sie. Aber wozu hat man die Abteilung für Organisierte Kriminalität. Die wissen alles. Auch den Zahlencode für Novakovs Koffer.“
Doris: „Der Geburtstag von Frühstück. Das ist Novakovs Lama. Er hängt sehr an dem Tier.“
Watkowski: „Und nun raten Sie mal, was drin war in dem Koffer: der vorläufige VIRTEGO- Geschäftsbericht aus dem Jahr 2014.“
Doris: „Allerdings ein Bericht, der ein bisschen aufgehübscht worden ist. Wir jagen gerade ein paar Wirtschaftsprüfer durch VIRTEGO.“Watkowski: „Natürlich haben wir Novakov gefragt, warum sein Kurier diesen Geschäftsbericht spazieren fährt, und das auch noch in einem gesicherten Koffer.
(Fortsetzung folgt)