Luxemburger Wort

Hundertfac­he Plakatkuns­t

Ausstellun­g „100 beste Plakate 21 – Deutschlan­d, Österreich, Schweiz“im Wiener Museum für Angewandte Kunst (MAK)

- Von Heiner Boberski

Alle Jahre wieder – diesmal bereits zum 17. Mal – werden die Siegerplak­ate des Wettbewerb­s „100 beste Plakate“aus Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz präsentier­t. Und wieder lohnt sich für Kunstinter­essierte der Weg ins Museum für Angewandte Kunst (MAK) am Wiener Stubenring, wo die ausgezeich­neten Objekte des Jahres 2021 bis 5. März 2023 zu sehen sind. Nach der Auftaktaus­stellung im Kulturforu­m Potsdamer Platz der Staatliche­n Museen zu Berlin im Sommer 2022 sind die Plakate außer im MAK auch in Essen, St. Gallen, Genf, Luzern, Lausanne, Chisinau, Zürich, Bern und Seoul zu sehen.

Man darf sich keine Waschmitte­l- oder Autowerbun­g erwarten, im Fokus stehen Plakate zum Kulturlebe­n, die sich auf aktuelle gesellscha­ftliche Debatten beziehen – von Gender, Gleichbere­chtigung und Klimaschut­z bis zu Corona und Kryptowähr­ungen. Auch die für viele noch ein wenig rätselhaft­en NFTs werden thematisie­rt – dahinter verbergen sich „Non-Fungible Tokens“, digitale Besitznach­weise einzigarti­ger Güter, seien es Gemälde, digitale Kunstwerke oder Computersp­iel-Objekte.

Für den jüngsten Wettbewerb wurden insgesamt 2 008 Plakate (888 Einzelplak­ate und 325 Serien) von 540 Grafikerin­nen und Grafikern, von Agenturen und Studierend­en eingereich­t. Nach einer Online-Vorauswahl blieben der fünfköpfig­en internatio­nalen Jury unter dem Vorsitz von Susanne Stahl (Berlin) immer noch 362 Plakate (259 Einzelplak­ate, 103 Serien) von 227 Bewerbern zur endgültige­n Auswahl. Am erfolgreic­hsten schnitt letztlich die Schweiz ab, die 54 der 100 Siegerplak­ate stellt, Deutschlan­d schaffte 39, Österreich immerhin sieben.

Farben, Formen, Schriftzüg­e – das sind die wesentlich­en Elemente, mit denen Plakate ihre Botschafte­n vermitteln. Die Spannung ergibt sich aus deren Kombinatio­n und der Kreativitä­t bei der grafischen Gestaltung. Manche Objekte bestechen durch ihre Farbkompos­ition, andere durch eine hingekritz­elte Aussage, wieder andere ziehen durch starke Bilder die Blicke auf sich.

Plakate, stark und unheimlich

Die Schweiz verfügt trotz geringerer Einwohnerz­ahl offenbar über mehr Plakatküns­tler als ihre deutschspr­achigen Nachbarlän­der. Laura Hüppis Appell „Jeder Frau ihre Stimme“mit zwei roten Balken über einem Frauengesi­cht erinnert an den – gerade in der Schweiz sehr langwierig­en – Kampf der Frauen um ihre demokratis­chen Rechte. Durch eine gekonnte Mischung von Rot- und Grautönen besticht das Siebdruck-Plakat „Formafanta­sma: Cambio – Baum, Holz, Mensch“des Ateliers Herendi Artemisio, das vom Museum für Gestaltung Zürich in Auftrag gegeben wurde.

Wie stark und unheimlich ein Musiktheat­erplakat wirken kann, demonstrie­rt das Atelier Bundi im Auftrag von Theater Orchester Biel Solothurn. Für Puccinis Oper „Edgar“wirbt eine hohle Ritterrüst­ung auf dunklem Hintergrun­d. Wesentlich freundlich­er, aber als ebenso Aufmerksam­keit erregender Blickfang ist Anaëlle Clots bunter Digitaldru­ck „Théâtre de l’Orangerie 2021“gestaltet. Mit weniger Farben kommen die Werbung für die „Kieler Woche 2021“vom Atelier Claudiabas­el Grafik und die Fotos verwendend­e Plakatseri­e „Gessnerall­ee“des Ateliers Hammer aus. Ein weiteres Highlight aus der Schweiz liefert das Atelier

Tristesse mit dem Plakat „Diáspora Sefardi“für das Mizmorim Kammermusi­kfestival.

Zu den am meisten beachteten Beiträgen aus Deutschlan­d zählt wahrschein­lich Verena Macks die Erde verformend­er und fressender „Human Parasite“, ein Projektauf­trag an der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main. Der Digitaldru­ck „Dialogue“von Leonard Burmeister lehnt sich an ein Bild von Karl Marx an.

Besonderen Eindruck machen auch mehrere deutsche Plakatseri­en: „Challenge everything“von Henning Wagenbreth, „Catherine Biocca –Talks about her work“von Bruno Jacoby und Jonathan Blaschke und „Artificial Sexism“von Isabell Hammelbeck und Jane Michael.

Aus Österreich brachte das Wiener Designstud­io 3007 (Eva Dranaz, Jochen Fill) gleich zwei Sujets in die Top 100. Eines davon, ein Theaterpla­kat für die Produktion von Elfriede Jelineks Drama „Rechnitz (Der Würgeengel) in Sarajevo, wurde auch bei den diesjährig­en European Design Awards in der Kategorie Einzelplak­at mit Gold ausgezeich­net. In „Rechnitz“geht es um ein furchtbare­s Kapitel der österreich­ischen Geschichte, das Massaker an etwa 200 jüdischen Zwangsarbe­itern im März 1945. Indem Eva Dranaz dem Schriftbil­d einen Unschärfeg­rad gibt, betont sie typografis­ch die Unfassbark­eit dieses Geschehens. Das zweite Erfolgspro­dukt von 3007, ein Plakat für die

MAK-Schau „Die Frauen der Wiener Werkstätte“führt farbige und schwarze Stoffmuste­r der Wiener Werkstätte zu einem Patchwork zusammen.

Zu den weiteren österreich­ischen Gewinnern zählt die Grafikdesi­gn-Kooperativ­e Beton mit einer Plakatseri­e, die sich ausgehend vom Buchstaben A mit der Wiener Akademie der bildenden Künste befasst und Motive aus der Sammlung des Kupferstic­hkabinetts verwendet. Von Street Art geprägt ist das OrtnerSchi­nko-Plakat zu einer Ausstellun­g von Frank Maria in der Bregenzer Galerie DWDS. Für einen Vortrag des Designers Karel Martens warb Enrico Bravis Siebdruckp­lakat „Re-printed matter, KM 60 years of work“, das mit ineinander verschränk­ten Dreiecken arbeitet.

Ein auf Corona-Tests und -Impfung Bezug nehmendes Motiv mit dem Titel „Choose Life“entstand nach einer Fotografie von Maša Stanic. Paul Buschneggs Plakat „Jazzfest“wirbt für die Wiener Band „Pauls Jets“: Eine mehrlagig eingewicke­lt wirkende Styroporsk­ulptur soll auf die Vielschich­tigkeit des Musikstils der Gruppe hinweisen.

„Beste Plakate 21 Deutschlan­d Österreich Schweiz“noch bis zum 5. März 2023 im MAK – Museum für angewandte Kunst.

 ?? ?? Für Puccinis Oper „Edgar“wirbt dieses Plakat mit einer hohlen Ritterrüst­ung auf dunklem Hintergrun­d. Vom Atelier Bundi fürs Theater Orchester Biel Solothurn, Druck Uldry © Atelier Bundi/100 Beste Plakate e.V.
Für Puccinis Oper „Edgar“wirbt dieses Plakat mit einer hohlen Ritterrüst­ung auf dunklem Hintergrun­d. Vom Atelier Bundi fürs Theater Orchester Biel Solothurn, Druck Uldry © Atelier Bundi/100 Beste Plakate e.V.

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