Luxemburger Wort

Wie ein Fälscher die Fachwelt an der Nase herumführt­e

Eine Ausstellun­g im Biodiversu­m Remerschen beleuchtet einen historisch­en Archäologi­ekrimi rund um die Ausgrabung­en der römischen Villa Nennig

- Von Volker Bingenheim­er

Mit seinen drei Millionen Steinchen ist das römische Mosaik von Nennig eines der größten und am besten erhaltenen nördlich der Alpen. Seine Entdeckung 1852 war eine Sensation, doch kurz danach tauchten mysteriöse Inschrifte­n auf, deren Echtheit in der Fachwelt angezweife­lt wurden. Eine Ausstellun­g im Biodiversu­m in Remerschen zeichnet den Archäologi­ekrimi nach.

Im Zentrum steht Heinrich Schaeffer, der vom Trierer Domkapitel als Grabungsle­iter angestellt wurde. Unter seiner Leitung tauchten nach und nach in Stein gemeißelte Inschrifte­n und Zeichnunge­n auf, die die Fachwelt entzweiten und die in der Presse ausgiebig diskutiert wurden. Während ausgewiese­ne Altertumse­xperten in Freiburg und Berlin den Kopf schüttelte­n, wies das Bistum Trier jeden Verdacht von sich und beharrte auf der Echtheit.

Die Ausstellun­g mit vielen Originalze­ichnungen, Briefen und Fotos aus der Mitte des 19. Jahrhunder­ts wirft einen Blick auf die schillernd­e Persönlich­keit des Heinrich Schaeffer, der später als Inschrifte­nfälscher von Nennig entlarvt wurde. Nicolas Meiers, Historiker am Biodiversu­m, hat sich eingehend mit den Quellen beschäftig­t. „Man kann ganz klar sagen, dass Heinrich Schaeffer sich durchsetze­n und gut darstellen konnte“, meint der Historiker. „Obwohl er nur Bildhauer und damit Handwerker war, ist es ihm gelungen, zu Einfluss zu kommen und viele Leute an der Nase herumzufüh­ren. Mit seinen Diamantrin­gen und seiner goldenen Krawattenn­adel wirkte er auf die armen Leute aus dem Dorf wie ein Herr, der etwas zu sagen hatte.“

Der Archäologi­e-Skandal nahm 1866 seinen Anfang, als plötzlich spektakulä­re Inschrifte­n auftauchte­n. Sie waren teils in Stein gemeißelt, teils auf rötlichen Wandputz gemalt und stellten eine Verbindung zwischen dem Mosaik der Römervilla von Nennig, Kaiser Trajan und dem Amphitheat­er von Trier her. „Der Fund war einfach zu schön, um wahr zu sein“, heißt es in der Ausstellun­gsdokument­ation.

Nächtliche Geräusche eines Meißels

Die umstritten­en Inschrifte­n zogen ihre Kreise bis in die Akademie der Wissenscha­ften zu Berlin und führten zu Zeugenbefr­agungen und einer kriminalis­tischen Untersuchu­ng. Von den damaligen Methoden ist der Luxemburge­r Historiker Nicolas Meiers heute noch beeindruck­t: „Mit einer chemischen Analyse konnten die Experten

des 19. Jahrhunder­ts beweisen, dass die Patina der Inschrifte­n künstlich aufgetrage­n worden war.“

Im Laufe der Zeit kamen weitere Zweifel auf, ob unter Grabungsle­iter Heinrich Schaeffer alles mit rechten Dingen zuging. „Bei weiteren neu aufgetauch­ten Fundstücke­n berichtete­n Arbeiter, dass die Erde kurz vorher aufgelocke­rt worden war“, sagt Meiers. Außerdem berichtete­n Leute aus dem Dorf, sie hätten nachts die Geräusche eines Meißels aus dem Gasthauszi­mmer gehört, in dem Grabungsle­iter Schaeffer in Nennig logierte.

Die Ausstellun­g, die zu den Öffnungsze­iten des Biodiversu­ms kostenlos zu besuchen ist, zeigt anhand dieses Archäologi­ekrimis, dass Fake News kein Phänomen des 21. Jahrhunder­ts ist. Auch in der damaligen Gesellscha­ft machten Mythen und Falschmeld­ungen und gut erfundene Lügen schnell die Runde. Es brauchte nur Menschen, die bereit waren, die angebliche Sensation zu glauben.

Sensation auch ohne Inschrifte­n

Aus heutiger Sicht ist es verwunderl­ich, warum Schaeffer überhaupt meinte, den

Fund des Mosaiks noch weiter aufbausche­n zu müssen. Der prachtvoll­e römische Fußboden ist unzweifelh­aft echt und bringt bis heute jährlich Tausende Besucher zum Staunen. „Doch damals erwartete man sich von Ausgrabung­en große Gegenständ­e, Gold und Schmuck – all das gab es in Nennig nicht“, erklärt Historiker Meiers. Erstaunlic­h ist das handwerkli­che Können und die zeichneris­che Begabung,

Der Fund war einfach zu schön, um wahr zu sein.

mit dem Schlitzohr Heinrich Schaeffer seine falschen Fährten legte. „Historisch und archäologi­sch waren seine Fälschunge­n jedoch nicht so gut, was letztendli­ch zu seiner Entlarvung führte“, sagt Meiers.

Als sein Betrug erwiesen war, setzte sich Heinrich Schaeffer nach Nizza und später Italien ab, wo er seinem Fälscherha­ndwerk weiter nachging. Gegen Ende seines Lebens gab er zu, dass er die Inschrifte­n eigenhändi­g hinzugefüg­t hatte.

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Foto: Guy Jallay Nicolas Meiers, Historiker am Biodiversu­m: „Der Fälscher konnte sehr überzeugen­d wirken.“
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Foto: Museum für Vor- und Frühgeschi­chte Saarbrücke­n/Tom Gundelwein Das hervorrage­nd erhaltene römische Mosaik von Nennig zählt zu den größten nördlich der Alpen.

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