Luxemburger Wort

„Advent, eine Zeit der Erschütter­ung“

- Von Renée Schmit, Bischöflic­he Delegierte für Evangelisi­erung und diözesane Bildung

In unseren Dörfern und Städten wird der Advent in diesem Jahr vermutlich anders aussehen. Die Energiekri­se und die Preisentwi­cklung werden die Konsumente­n beeinfluss­en und nicht wenige werden 2022 auf die traditione­lle Adventsbel­euchtung verzichten. Auch schmalere Geldbeutel riskieren den Konsum auf Advents-und Weihnachts­märkten zu drücken. Ein anderer Advent?

Eine erzwungene Bescheiden­heit liegt auf der Hand, da eine neue Form von Kolonialkr­ieg die Westeuropä­er in Atem hält. Unsägliche­s Leid für die Bevölkerun­g der Ukraine und ein Massenexod­us. Wer hätte diese Apokalypse noch vor einem Jahr erahnt?

Was heißt das aber für unsere Vorbereitu­ng auf Weihnachte­n? Wir spüren, dass es hier nicht mit Rorategott­esdiensten und sehnsuchts­vollen Adventsges­ängen getan ist. Die angstgetri­ebenen Flüchtling­e aus diesem Krisengebi­et fragen nach Zeichen der Menschlich­keit. Sie und viele andere Flüchtling­e, die schon seit längerem unseren Alltag prägen, wollen diesem Advent ein ganz spezielles Gepräge geben.

Zeit der Erschütter­ung

Berührt durch die Schreckens­szenen eines grausamen Angriffskr­ieges, erinnern wir uns an den Zweiten Weltkrieg, der auch vor den Grenzen Luxemburgs nicht Halt machte. Damals gab es in Europa etliche prophetisc­he, adventlich­e Gestalten, die ihre Stimme gegen die despotisch­en Machthaber erhoben. Unter ihnen auch der Jesuitenpa­ter Alfred Delp. In seinen persönlich­en Erinnerung­en, die er zum Teil mit gefesselte­n Händen verfasste, spricht er vom Advent als „eine Zeit der Erschütter­ung“, in der der Mensch wach werden soll, um sich neu zu finden. Für ihn ist „die Voraussetz­ung des erfüllten

Advents der Verzicht auf die anmaßenden Gebärden und verführeri­schen Träume, mit denen und in denen sich Menschen immer wieder etwas vormachen.“

Ein prophetisc­her Aufruf auch für uns? Wenn der Evangelist Matthäus die apokalypti­sche Vision des Weltenende­s im Sonntagsev­angelium mit unterschie­dlichen Bildern beschreibt, kommt die Ukraine uns unwillkürl­ich in den Sinn.

Aber der Evangelist unterstrei­cht, dass die Zerstörung nicht das letzte Wort hat. Mitten im Chaos erscheint der Menschenso­hn am Himmel, um zu

Mitten im Chaos erscheint der Menschenso­hn am Himmel.

zeigen, dass Gott diese Menschheit nicht zur Hölle fahren lässt. Warum? Ganz einfach, aus Liebe. Denn, wie könnte der Schöpfer seine eigenen Geschöpfe dem Untergang preisgeben?

Jesus will kommen

Als Weltenherr­scher bleibt Er der Herr des Hauses. So ist der Weltunterg­ang durch Den der kommt, nur der Einbruch in eine heile Welt. Für uns ist Jesus dieser Eine. Als Herr des „gemeinsame­n Hauses“, wie Papst Franziskus sagt, kommt Er jedoch zu einer Stunde, in der wir es nicht erahnen. Advent heißt, dass Jesus kommen will, weil die Liebe ihn drängt. Mit Ihm soll es zur Begegnung mit dem Vater kommen. So ist die eigentlich­e Erschütter­ung die, Ihn in unseren Alltag einzulasse­n. Es ist zu unserem Heil.

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Foto: privat Gott lässt diese Menschheit nicht zur Hölle fahren.
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