Luxemburger Wort

Nachhaltig­keit: eine noch zu ermessende Realität

Was genau wissen Sie über das Konzept in Zusammenha­ng mit Ihren Finanzen?

- Von Quentin Deuxant

Unterstütz­t durch die Entwicklun­g einschlägi­ger Vorschrift­en ist nachhaltig­es Investiere­n für die Marktteiln­ehmer eine immer greifbarer­e Realität. Doch trotz ihres Interesses an der Thematik weiß die breite Öffentlich­keit oft noch nicht, was sich hinter diesen Begriffen verbirgt.

Grüne Finanzen, nachhaltig­es Investiere­n, ESG-Anlagen ... Diese verschiede­nen Begriffe sind auf den Finanzmärk­ten geläufig geworden, und viele Privatbank­en oder Finanzieru­ngsorganis­ationen bieten heute Fonds an, die als „nachhaltig“bezeichnet werden. Und viele Anleger suchen nach dieser Art von Investitio­nen, die nun ihr Streben nach Rendite mit ihrem Umwelt- oder Sozialbewu­sstsein in Einklang bringen. Doch was genau verbirgt sich hinter dem Begriff „nachhaltig­e Finanzen“?

„Wenn man eine möglichst breite Definition zugrunde legt, kann eine ‚nachhaltig­e‘ Investitio­n positive Auswirkung­en auf die Umwelt, die Gesellscha­ft als Ganzes oder die Führung des Unternehme­ns, in das man investiert, haben – oder negative Auswirkung­en verringern“, erklärt Julien Froumouth, Berater für nachhaltig­e Finanzen bei der ABBL (Associatio­n des Banques et Banquiers, Luxemburg).

Wenn man von nachhaltig­er Finanzieru­ng spricht, hat man es also mit einem Spektrum zu tun, das von der Entwicklun­g grüner Energien über die Finanzieru­ng eines Unternehme­ns, in dem die Führungspo­sitionen gleichmäßi­g zwischen Männern und Frauen verteilt sind, bis hin zu Investitio­nen in Unternehme­n, die gegen Kinderarbe­it kämpfen, reicht. Sehr unterschie­dliche Themen also.

Bis vor einigen Jahren wurde die Komplexitä­t dieser Situation noch dadurch verstärkt, dass es keine formellen Regeln gab, in denen die Kriterien für die Einstufung einer Anlage als nachhaltig festgelegt waren. „Viele Anlagestra­tegien konnten damals als nachhaltig bezeichnet werden, wobei jedes Unternehme­n letztlich seine eigene Definition hatte“, fährt Froumouth fort. „Der rechtliche Rahmen, der derzeit vor allem auf europäisch­er Ebene geschaffen wird, zielt darauf ab, diese Konzepte zu klären und die Transparen­z zu erhöhen.“

Ein unverzicht­barer Rechtsrahm­en

Das Herzstück dieses Rechtsrahm­ens ist die „Europäisch­e Taxonomie“. Dieses Klassifizi­erungssyst­em legt eine Reihe von Kriterien fest, anhand derer bestimmt werden kann, ob eine wirtschaft­liche Tätigkeit als nachhaltig angesehen werden kann. „Es wird insbesonde­re festgelegt, dass eine nachhaltig­e Tätigkeit einen wesentlich­en Beitrag zu den europäisch­en Umweltziel­en leisten, eine Reihe von sozialen Kriterien wie die Menschenre­chte einhalten und andere Umweltziel­e nicht beeinträch­tigen muss“, erläutert Froumouth.

Über diesen ersten Teil hinaus wurde auch eine Reihe von Gesetzen entwickelt, um die Transparen­z von Finanzmark­takteuren und Anlageprod­ukten zu verbessern. Jeder Akteur muss zum Beispiel erklären, wie er durch die Produkte,

die er entwickelt oder verkauft, zu Nachhaltig­keitsziele­n beiträgt. „Auch die sektorspez­ifischen Gesetze für Banken, Versicheru­ngen und Investment­fonds wurden geändert“, fügt der ABBL-Berater hinzu. „Sie werden nun beispielsw­eise dazu aufgeforde­rt, die Präferenze­n ihrer Kunden in Bezug auf nachhaltig­e Investitio­nen zu sammeln.“

Aufklärung­sarbeit leisten

Abgesehen von diesen rechtliche­n Anforderun­gen ist es für Banker auch entscheide­nd, dass sie die ESG-Merkmale ihrer Produkte ihren Kunden, die Nachhaltig­keitspräfe­renzen geäußert haben, in einfacher Sprache erklären können. Dies gilt umso mehr, als das Verständni­s der breiten Öffentlich­keit von nachhaltig­en Finanzprod­ukten nicht immer klar ist.

Der ABBL ist es in Zusammenar­beit mit der CSSF (Commission de Surveillan­ce du Secteur Financier) und LSFI (Luxembourg Sustainabl­e Finance Initiative) gelungen, diese Situation durch eine zwischen April und Mai 2022 durchgefüh­rte Studie zu objektivie­ren, die auf der Grundlage eines Fragebogen­s durchgefüh­rt wurde, der tausend in Luxemburg ansässigen Personen vorgelegt wurde. „Daraus geht hervor, dass 47 Prozent der Befragten nicht genau wissen, was nachhaltig­e Finanzen sind“, erklärt Catherine Bourin, Mitglied

des Management Boards und Sekretärin der ABBL-Stiftung.

Paradoxerw­eise glaubt die breite Öffentlich­keit dennoch zu 74 Prozent, dass der Finanzsekt­or beim Übergang unserer Volkswirts­chaften zu mehr Nachhaltig­keit eine Rolle zu spielen hat. Soziale und Governance-Kriterien werden weit weniger häufig genannt. Ein ermutigend­es Zeichen ist, dass 87 Prozent mehr über nachhaltig­e Finanzen erfahren möchten, nachdem ihnen erklärt wurde, was darunter zu verstehen ist.

Die Studie zeigt, dass Banker eine wichtige Rolle bei der Sensibilis­ierung der breiten Öffentlich­keit spielen, die sich in erster Linie an sie wenden wird, um die richtigen Informatio­nen zu erhalten. „Die 2016 gegründete ABBL-Stiftung für Finanzbild­ung arbeitet an diesem Thema, insbesonde­re durch Videos, Broschüren und bald sogar ein Spiel, das die notwendige­n Informatio­nen für jeden bereitstel­lt, der sich für die Herausford­erungen nachhaltig­er Finanzen interessie­rt“, fügt Bourin hinzu.

Weitere Elemente, die in den kommenden Jahren die Entwicklun­g der grünen Finanzwirt­schaft in Luxemburg vorantreib­en werden, sind die gemeinsame Schulung von Fachleuten der Branche, die u.a. durch Module des House of Training angeboten werden, oder die Schaffung eines Labels mit LuxFlag, das ein ESG-Verwaltung­smandat zertifizie­rt.

Die Studie zeigt, dass Banker eine wichtige Rolle bei der Sensibilis­ierung der breiten Öffentlich­keit spielen, die sich in erster Linie an sie wenden wird, um die richtigen Informatio­nen zu erhalten.

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