Luxemburger Wort

Gramegna wird doch noch ESM-Chef

Kurswechse­l in Italien: Rom hat entschiede­n, den Luxemburge­r zu unterstütz­en

- Von Diego Velazquez

Eigentlich war die Sache für Gramegna gelaufen. Die Abstimmung­sregeln, um zwischen den Euro-Staaten einen neuen Chef für die Leitung des Europäisch­en Stabilität­smechanism­us (ESM) auszusuche­n, geben den großen Euro-Staaten ein faktisches Vetorecht über den Posten. Und Italien stand der Ernennung des ehemaligen DP-Finanzmini­sters an der Spitze der in Luxemburg ansässigen Behörde im Weg. Die Lage war aussichtsl­os.

Denn anders als bei der Wahl für die Präsidents­chaft der Eurogruppe verfügt nicht jedes Land über eine gleichbere­chtigte Stimme. Die Stimmen werden stattdesse­n je nach Anteil der jeweiligen Länder am ESM-Kapital berechnet. Chef wird dann jener Kandidat, der 80 Prozent dieser Stimmen für sich sammeln kann und nicht jener, der eine einfache Mehrheit der Stimmen erhält. Das Problem: Frankreich und Deutschlan­d verfügen jeweils über mehr als 20 Prozent der Stimmen und Italien muss sich nur mit einem anderen Land alliieren, um ebenfalls über ein faktisches Veto zu verfügen. Lange war die Lage dadurch festgefror­en: Deutschlan­d blockierte Gramegnas Gegenspiel­er, João Leão aus Portugal. Und Mario Draghis italienisc­he Regierung, zusammen mit Portugal, stand Gramegna im Wege. Die Pattsituat­ion hatte im September dazu geführt, dass Gramegna und Leão das Rennen aufgaben, da kaum Auswege in Sicht waren.

Meloni als Königsmach­erin

Doch der Regierungs­wechsel in Rom brachte unerwartet­e Bewegung ins Spiel. Die rechtsradi­kale Regierung von Giorgia Meloni scheint nämlich keinerlei Probleme mit dem Luxemburge­r an der Spitze des ESM zu haben. Dadurch wurde Gramegna auf einmal mehrheitsf­ähig. Das bestätigte sich gestern bei einer Abstimmung der 19 ESM-Staaten.

Demnach hat es Gramegna doch noch geschafft, einen EU-Topjob zu ergattern. Er wird nun bald seine Arbeit als Chef im ESM beginnen. Ab dem 1. Dezember wird er die Nachfolge von Christophe Frankel antreten, der das Amt vorübergeh­end übernommen hatte.

„In dieser Krisenzeit bin ich überzeugt, dass Pierre als engagierte­r Europäer alle notwendige­n Qualitäten mitbringen wird, um mit seiner Erfahrung und seiner Fähigkeit, Menschen zusammenzu­führen, zur Stabilität und Solidität des Euroraums beizutrage­n“, ist sich Finanzmini­sterin Yuriko Backes sich und gratuliert ihrem Vorgänger in einer Pressemitt­eilung.

Der ESM hat als Aufgabe, überschuld­ete Mitgliedst­aaten der Eurozone durch Kredite und Bürgschaft­en zu unterstütz­en, die an Reformen geknüpft sind. Der ESM ist der wohl sichtbarst­e Teil des sogenannte­n „Euro-Rettungssc­hirms“, der im Laufe der Euro- und Griechenla­ndkrisen ins Leben gerufen wurde, um den Euroraum zu stabilisie­ren.

Doch seit 2015 hat der ESM keine Kredite mehr vergeben, weil die Behörde im Laufe der Euro-Krise für viele Regierunge­n – besonders in Südeuropa – politisch toxisch geworden ist. Denn für viele Europäer ist der ESM über die Jahre hinweg zum Synonym für die herzlose EU-Austerität­spolitik rund um die Euro-Krise geworden. „Demnach ist es für eine südeuropäi­sche Regierung politisch sehr heikel, dort Geld anzufragen“, so Grégory Claeys, Finanzexpe­rte bei der Denkfabrik Bruegel.

Gramegnas Hauptaufga­be wird es demnach sein, dem ESM eine neue Daseinsber­echtigung zu finden und das Image der Behörde in Südeuropa zu verbessern.

 ?? Foto: Gerry Huberty ?? Pierre Gramegna hat lange auf den Posten gewartet.
Foto: Gerry Huberty Pierre Gramegna hat lange auf den Posten gewartet.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg