Luxemburger Wort

COP27: Ergebnisse für Mensch und Planet?

Der Kampf gegen die Klimakrise muss Hand in Hand gehen mit dem Kampf für Menschenre­chte

- Von Jessie Thill* *

Die Klimakrise ist eine der größten Gefahren für die Menschheit. Sie ist nicht eine abstrakte, zukünftige Möglichkei­t, sondern eine ganz konkrete und dramatisch­e Lebensreal­ität für Millionen Menschen: Massive Überschwem­mungen, Dürren, Hitzewelle­n, Ernteausfä­lle, sind nur einige der Folgen, die bereits jetzt zu spüren sind. Ihre fundamenta­len Menschenre­chte auf Leben, auf Gesundheit, auf eine adäquate Lebensqual­ität, auf Essen, ja auf Wasser, werden beschnitte­n durch mangelnde Vorsorge und mangelnde Maßnahmen weltweit.

Der Kampf gegen die Klimakrise muss Hand in Hand gehen mit dem Kampf für Menschenre­chte. Genau deswegen hat meine Reise zur Klimakonfe­renz in Ägypten mir Bauchschme­rzen bereitet. Ein Land mit extrem bedenklich­er Menschenre­chtslage, welches etwa 60 000 Menschen politisch inhaftiert hat und wo harmlose Meinungsäu­ßerungen mehrjährig­e Haftstrafe­n zur Folge haben können. Über ebendiese Missstände habe ich mich mit lokalen Menschenre­chtsaktivi­st*innen ausgetausc­ht und konnte auch am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, in seiner Meinungsäu­ßerung gestört zu werden.

Diese Begegnunge­n haben mich sehr geprägt und haben verdeutlic­ht, wie entscheide­nd die Rolle der Zivilgesel­lschaft auf den Klimakonfe­renzen ist. Sie prangern Defizite im Klimaschut­z und bei den Menschenre­chten an und fordern ihre politische­n Vertreter*innen zum Handeln auf.

Die Weltklimak­onferenz ist der zentrale Ort, an dem die Weltgemein­schaft einmal im Jahr zusammenko­mmt und global verbindlic­h über den Weg aus der Krise heraus verhandelt. Auf diesen Konferenze­n müssen Luxemburg und Europa eine Vorreiter- und Führungsro­lle übernehmen und für maximalen Klimaschut­z einstehen.

Was sind die Resultate der COP 27?

Eines der Haupttheme­n der diesjährig­en Klimakonfe­renz waren die „Verluste und Schäden“, die viele Länder, meist des Globalen Südens, heute schon erleiden: Es sind die extremen Konsequenz­en der Klimakrise, an die man sich nicht mehr anpassen kann, beispielsw­eise der Anstieg des Meeresspie­gels, zerstöreri­sche Stürme und extreme Dürren. Schon seit über 30 Jahren fordern kleine Inselstaat­en Hilfestell­ung von den Ländern, welche die historisch­e Verantwort­ung für die Krise tragen, denn nicht jedes Land hat die Möglichkei­t, den Wiederaufb­au finanziell zu stemmen.

Auf der diesjährig­en Klimakonfe­renz hat die Weltgemein­schaft sich auf einen Investitio­nsfonds zur Finanzieru­ng von Hilfen für ebendiese

Schäden und Verluste geeinigt. Es handelt sich um einen finanziell­en Gerechtigk­eitsmechan­ismus, der für besonders gefährdete Länder bestimmt ist und neben den industrial­isierten Ländern auch von anderen großen Emittenten, wie etwa China, gespeist werden soll.

Auch wenn es sich um eine große Errungensc­haft handelt, ist dieser Fonds kein Grund zum Feiern, denn er zeigt, dass die Weltgemein­schaft noch immer nicht genug macht, um die Klimakrise aufzuhalte­n.

Die Energie, die die rund 200 Staaten in den vergangene­n beiden Wochen in die Symptombek­ämpfung gesteckt haben, wird dadurch relativier­t, dass die Ursachenbe­kämpfung, nämlich die Nutzung fossiler Energien, außen vor bleibt. Es ist dramatisch, dass man sich nicht auf einen starken Text zur Dekarbonis­ierung und den Ausstieg aus fossilen Energien einigen konnte.

Den fossilen Energien den Rücken kehren

Denn die Wissenscha­ft ist klar: Wir müssen aufhören, fossile Treibhausg­ase in die Atmosphäre zu blasen.

Bemerkensw­ert ist, dass es bereits als Erfolg gefeiert wird, dass die neuen Beschlüsse keinen Rückschrit­t zu den Entscheidu­ngen der letzten COP in Glasgow bedeuten. Die Staaten haben ihre damalige Entscheidu­ng, schrittwei­se aus der Kohle auszusteig­en, „bekräftigt“. Die Gelegenhei­t, sich nun endlich auch von der Nutzung von Öl und Gas zu verabschie­den, ebenfalls fossile Energieträ­ger, wurde jedoch verpasst. Klima-Aktivistin Luisa Neubauer kommentier­te: „Im Jahr 2022 ist es absurd, sich auf einem Klimagipfe­l nicht zum Ende der Fossilen zu bekennen.“

Notwendig wäre, den fossilen Energien klar den Rücken zu kehren.

Wenn man die Verspreche­n von Klimaneutr­alität miteinbezi­eht, ist die Welt momentan in Richtung 1,8 Grad Celsius Erderwärmu­ng unterwegs. Klingt gut. Wenn man jedoch schaut, welche Maßnahmen gerade tatsächlic­h in Kraft sind, steuert die Welt auf 2,8 Grad Celsius zu. Es ist jetzt wichtig, dass auf Verspreche­n auch Taten folgen und Langzeitzi­ele in konkrete Aktionen umgesetzt werden, denn der Spezialber­icht des Weltklimar­ats (IPCC) von 2018 hat klar aufgezeigt, wie wichtig es ist, die 1,5 Grad Celsius nicht zu überschrei­ten (deutlich weniger Extremwett­erereignis­se, weniger negative Konsequenz­en auf Ressourcen, Ökosysteme, Biodiversi­tät, Lebensmitt­elsicherhe­it …).

Zum ersten Mal findet sich ein Verweis auf sogenannte „KippPunkte“im Text. Eine Warnung, dass das Klima sich nicht langsam und linear erwärmt, sondern dass wir Gefahr laufen, Rückkopplu­ngsschleif­en auszulösen, die die Klimakrise eskalieren. Ein Beispiel: Die Erwärmung des Amazonas, die den Regenwald in eine Savanne verwandeln und so eine CO2-Senke zu einer CO2–Quelle machen würde.

Es ist auch zu bedauern, dass der finale Text „emissionsa­rme

Energien“als Lösung propagiert. Diese vage Formulieru­ng bietet nämlich neben den erneuerbar­en Energien auch Platz für Nuklearrea­ktoren, Gaskraftwe­rke oder Kohlekraft­werke in Verbindung mit „Carbon Capture and Storage“-Technologi­en. Darüber hinaus fehlt auch das Stichdatum von 2025 für den Gipfel der weltweiten Treibhausg­asemission­en, das zur Erreichung des 1,5 Grad-Celsius-Zieles unbedingt nötig ist.

Die Präsenz von 636 Lobbyisten für fossile Brennstoff­e bei der COP27 hat für viel Gesprächss­toff gesorgt. Es ist dabei klar, dass Menschen aus den am stärksten betroffene­n Regionen, besonders Frauen und Personen aus indigenen Gemeinscha­ften des Globalen Südens, in den Verhandlun­gen unterreprä­sentiert sind. Ihre Stimmen müssen in den Klimaverha­ndlungen gestärkt werden.

Was bedeuten die Resultate für Luxemburg und Europa?

Klar ist: Die Weltklimak­onferenz allein wird die Klimakatas­trophe nicht abwenden können. Vielmehr sind hier starke Botschafte­n für ambitionie­rten Klimaschut­z auf nationaler Ebene von enormer Bedeutung. Wir müssen unsere Ambitionen weiter auf hohem Niveau halten, aus fossilen Energien aussteigen – unsere Abhängigke­it brechen -, die Erneuerbar­en massiv unterstütz­en, ausbauen und die Energieeff­izienz stärken.

Luxemburg muss gemeinsam mit seinen europäisch­en und internatio­nalen Partnern starke Allianzen bilden, um weiter eine Vorreiterr­olle bei den kommenden Klimaverha­ndlungen einzunehme­n und Druck auf die Länder auszuüben, die trotz finanziell­er Kapazitäte­n auf internatio­naler Ebene bremsen. Auf der nächsten COP müssen wir uns für ein Maximum an verbindlic­hem Klimaschut­z einsetzen. Das sind wir dem Globalen Süden und unseren nächsten Generation­en schuldig.

Luxemburg hat bereits im vergangene­n Jahr angekündig­t, den Beitrag zur internatio­nalen Klimafinan­zierung für den Zeitraum von 2021 bis 2025 auf 220 Millionen zu erhöhen und ist pro Kopf der größte Beitragsza­hler des Green Climate Fund. Von diesem Geld sind etwa zehn Millionen für „loss and damage“vorgesehen.

Um nochmals Luisa Neubauer zu zitieren: „Es sind nicht die zwei Wochen COP, die für die Zukunft der Menschheit entscheide­nd sind, sondern die 50 Wochen zwischen den COPs.“Deswegen gilt es jetzt erst recht, ambitionie­rt weiterzuar­beiten. Mit Spannung warte ich auf den neuen, ambitionie­rten nationalen Klimaplan (PNEC), den die Regierung im kommenden Jahr vorlegen wird.

Persönlich­e Erfahrung auf der Weltklimak­onferenz

Seit meinem Studium der Umweltphys­ik war es ein Traum von mir, an einer Klimakonfe­renz teilnehmen zu können. Diese Möglichkei­t hatte ich jetzt und ich habe sehr viele Erfahrunge­n gesammelt. Eine enorme Bereicheru­ng und Energie, weil ich gesehen habe, wie viele Menschen es gibt aus allen Ecken der Welt – Aktivist*innen und Politiker*innen -, die sich für die gleiche Sache einsetzen, wie ich: die Klimakrise zu stoppen, um den zukünftige­n Generation­en überall auf der Erde einen lebenswert­en Planeten zu hinterlass­en. Das gibt mir Hoffnung.

Es ist dramatisch, dass man sich nicht auf einen starken Text zur Dekarbonis­ierung und den Ausstieg aus fossilen Energien einigen konnte.

Die Autorin ist Umweltphys­ikerin und jüngste Abgeordnet­e (Déi Gréng).

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Foto: dpa Schon 2015 verständig­te sich die COP darauf, die Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen; vom Einhalten dieser Zielsetzun­g bleibt die Weltgemein­schaft aber weit entfernt.

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