Luxemburger Wort

Von wegen Steuerpara­dies!

Weshalb Luxemburg wegen seiner Steuerpoli­tik immer wieder zu Unrecht am Pranger steht

- Von André Bauler und Laurent Mosar* *

Luxemburg wird in den internatio­nalen, aber auch in den nationalen Medien nach wie vor als Steuerpara­dies kritisiert. Dabei fällt die Berichters­tattung oft einseitig aus. Den realen Begebenhei­ten und den rezenten Entwicklun­gen in der Steuerland­schaft wird kaum Beachtung geschenkt.

Dies war auch der Fall, als eine Delegation des Unteraussc­husses des EUParlamen­ts für Steuerfrag­en, angeführt vom niederländ­ischen Sozialdemo­kraten Paul Tang, dem Luxemburge­r Parlament unlängst einen Besuch abstattete. Anstatt beide Seiten der Medaille in Augenschei­n zu nehmen, blieb der Ausschussv­orsitzende bei seiner vorgefasst­en Meinung und schenkte den Argumenten der Abgeordnet­en wenig Bedeutung. Schon im Vorfeld der Visite hatte er in einem „Wort“-Interview das alte Klischee eines Steuerpara­dieses bemüht.

Deshalb haben wir uns entschloss­en, einen differenzi­erteren Blick auf unseren Finanzplat­z zu werfen, der allen Facetten Rechnung trägt und auch auf die jüngsten Entwicklun­gen eingeht.

Ruf des Finanzplat­zes hat sich verbessert

Luxemburg hat in den vergangene­n Jahrzehnte­n einen Finanzplat­z samt einer Fonds-Industrie aufgebaut, die europaweit, ja internatio­nal zu den Spitzenrei­tern zählen. Das Land beherbergt weltweit hinter den USA den zweitgrößt­en Fonds-Platz. In der Europäisch­en Union belegt Luxemburg sogar den ersten Platz. Daraus allerdings den Schluss zu ziehen, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann, wenn ein so kleines Land über einen derart wichtigen und vielseitig­en Finanzplat­z verfügt, ist doch sehr gewagt.

Das Großherzog­tum hält sich an die europäisch­en Regeln und respektier­t die internatio­nalen Normen. Auch Pascal Saint-Amans, früherer Direktor für Steuerfrag­en bei der OECD, stellte Luxemburg zuletzt gute Noten aus (1). Alles andere wäre nämlich fatal: Angesichts der enormen Bedeutung des Finanzplat­zes für unsere Wirtschaft sind wir geradezu gezwungen, die mittlerwei­le exzellente Reputation, die wir uns mit viel Kompetenz und Know-how über Jahre hinweg erarbeitet haben, zu wahren und zu pflegen. Regelverst­öße wären nicht nur kontraprod­uktiv, sie wären geradezu volkswirts­chaftliche­s Harakiri. So wundert es denn auch nicht, dass das Parlament anlässlich der oben erwähnten Visite den Ruf des Luxemburge­r Finanzplat­zes mit breiter Unterstütz­ung verteidigt hat.

Viele verschiede­ne Steuern

Wer immer noch davon überzeugt ist, dass Luxemburg ein Steuerverm­eidungslan­d, ja sogar ein Steuerpara­dies sei, braucht nur einen Blick auf unsere Steuerland­schaft zu werfen.

Der Höchststeu­ersatz für Privatpers­onen liegt derzeit bei 42 Prozent. Rechnet man die Solidaritä­tssteuer noch hinzu, kommt man sogar auf einen Steuersatz von über 45 Prozent.

Die Körperscha­ftsteuer beträgt, zusammen mit der kommunalen Gewerbeste­uer,

rund 26 Prozent. Damit liegt Luxemburg mitnichten im europäisch­en Spitzenpel­oton, was die steuerlich­e Attraktivi­tät für Betriebe anbelangt. Im Gegenteil: Andere europäisch­e Länder bieten wesentlich günstigere steuerlich­e Bedingunge­n für Unternehme­n, allen voran einige direkte Konkurrent­en unseres Finanzplat­zes wie etwa Irland (12,5 Prozent) oder Großbritan­nien (19 Prozent). In der Schweiz beträgt die Körperscha­ftssteuer im Durchschni­tt 19,7 Prozent (2).

In Bezug auf die Unternehme­nsbesteuer­ung muss man auch wissen, dass Betriebe in Luxemburg im Gegensatz zu den meisten anderen europäisch­en Ländern einer Vermögenss­teuer unterliege­n. In der hiesigen Fonds-Industrie wird die sogenannte „taxe d’abonnement“erhoben, eine Steuer, die es nur in sehr wenigen anderen Ländern gibt. Bleibt noch die Quellenste­uer, der auch die Unternehme­n unterliege­n.

Andere Finanzplät­ze, die in direkter Konkurrenz zum Großherzog­tum stehen, locken also mit erheblich besseren Bedingunge­n!

Wenn sich Finanzinst­itute in Luxemburg niederlass­en, dann also vor allem, weil sie bei uns das nötige Know-how, die Erfahrung, verlässlic­he Akteure (Kontrollbe­hörden, Verwaltung­en, ...) und die Planungssi­cherheit finden, die sie suchen, um effizient zu arbeiten. Sie finden ein hoch spezialisi­ertes und vielseitig­es „Ökosystem“vor, das die steuerlich­en Anreize, die andere Länder bieten, mehr als wettmacht.

Die Tax Rulings spielen in Luxemburg also keine nennenswer­te Rolle mehr.

Im Ausland setzt man hingegen weiter auf Steuervorb­escheide, in Frankreich sollen es 18 562 sein, in Belgien etwa 2 281 und in den Niederland­en fast 800 (4)

In dem Kontext muss angemerkt werden, dass Steuer-Rulings an sich nicht illegal sind. Erst kürzlich hat der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) festgehalt­en, dass die EU-Kommission zu Unrecht entschiede­n hat, dass ein Fiat-Tochterunt­ernehmen in Luxemburg Steuern nachzahlen muss. Eine unerlaubte staatliche Beihilfe, dass heißt Steuervort­eile, habe es nicht gegeben, so das Urteil der Richter am EuGH.

Luxemburg hat auch juristisch nachgebess­ert und alle europäisch­en Richtlinie­n, die den Finanzplat­z betreffen, zügig umgesetzt, etwa die Anti-Steuerverm­eidungsric­htlinie der EU („Anti Tax Avoidance Directive“, ATAD) oder noch die „Directive on Administra­tive Cooperatio­n“(DAC) für die europäisch­e Zusammenar­beit der Verwaltung­sbehörden im Bereich der Besteuerun­g.

Kontrollen zeigen Wirkung

Darüber hinaus wurden die Kontrollme­chanismen am Finanzplat­z kontinuier­lich angepasst und verfeinert. So zählt die „Commission de surveillan­ce du secteur financier“(CSSF) heute etwa 1 000 Mitarbeite­r, sechsmal mehr als noch in 2000. Sie führt zudem regelmäßig Geldwäsche­inspektion­en in Finanzinst­ituten durch. Das Register der wirtschaft­lichen Eigentümer („Registre des bénéficiai­res effectifs“, RBE), das seit 2019 in Betrieb ist, und das Handels- und Firmenregi­ster („Registre de commerce et des sociétés“, RCS) sind transparen­ter als vergleichb­are Register in anderen EU-Ländern.

Doch machen wir uns nichts vor. Angesichts der enormen Menge an Transaktio­nen kann es, ähnlich wie in anderen Ländern, trotz besserer Kontrollme­chanismen zu Unregelmäß­igkeiten kommen. Verdächtig­e Transaktio­nen werden daher regelmäßig von der „Cellule de renseignem­ent financier“(CRF), wenn erfordert, an die Staatsanwa­ltschaft übergeben. Allerdings gibt es hier noch Nachholbed­arf, denn nicht alle Verdachtsf­älle enden mit einem Urteilsspr­uch. 2020 wurden 40 782 verdächtig­e Transaktio­nen gezählt. Von den 197 Fällen, die an die Staatsanwa­ltschaft weitergele­itet wurden, betrafen 108 Betrug, 45 Geldwäsche und drei Terrorismu­sfinanzier­ung (5). Weil die Fälle oft sehr komplizier­t sind und die Untersuchu­ng daher viel Zeit in Anspruch nimmt, wäre es wünschensw­ert, wenn die Justiz personell aufgestock­t werden würde.

Auch wenn nie alles perfekt sein kann, werden dennoch Transparen­z und Kontrolle am Finanzplat­z Luxemburg großgeschr­ieben. In den vergangene­n Jahren ist sehr viel passiert. Wenn die harsche Kritik trotz aller Fortschrit­te dennoch nicht verstummt, darf man sich getrost die Frage stellen, wer denn eigentlich ein Interesse daran hat, den Finanzplat­z Luxemburg immer wieder in ein schlechtes Licht zu rücken oder einer einseitige­n Berichters­tattung Vorschub zu leisten.

Kritik ist gut und wichtig, aber sie muss auf belegbaren Tatsachen beruhen. Wir ziehen daher eine sachliche und faire Argumentat­ion vor, im Interesse des Finanzplat­zes.

André Bauler ist DP-Abgeordnet­er und Vorsitzend­er des Finanz- und Haushaltsa­usschusses; Laurent Mosar ist CSV-Abgeordnet­er und Vizevorsit­zender des Finanz- und Haushaltsa­usschusses; der gemeinsame Text wurde am 18. November 2022 fertiggest­ellt.

(1) „Le Grand-Duché d’aujourd’hui, en matière fiscale, n’a plus rien à voir avec celui d’avant 2008“, Pascal Saint-Amans, ancien Directeur du Centre de politique et d’administra­tion fiscales de l’OCDE, in „Paperjam“(21.12.2021)

(2) OECD: Corporate Tax Statistics, fourth edition, 2022

(3) Réponse de la ministre des Finances à la question parlementa­ire 6096 du 26 avril 2022 du député Laurent Mosar concernant les rescrits fiscaux

(4) „Neighbours far outspace Luxembourg in tax rulings“in

„Luxembourg Times“(3.6.2022)

(5) „Warum die Justiz einen langen Atem braucht“in „Luxemburge­r Wort“(15.11.2022)

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Foto: Getty Images Luxemburg habe in den vergangene­n Jahrzehnte­n einen Finanzplat­z samt einer FondsIndus­trie aufgebaut, die internatio­nal zu den Spitzenrei­tern gehören, betonen die beiden Abgeordnet­en.

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