Von wegen Steuerparadies!
Weshalb Luxemburg wegen seiner Steuerpolitik immer wieder zu Unrecht am Pranger steht
Luxemburg wird in den internationalen, aber auch in den nationalen Medien nach wie vor als Steuerparadies kritisiert. Dabei fällt die Berichterstattung oft einseitig aus. Den realen Begebenheiten und den rezenten Entwicklungen in der Steuerlandschaft wird kaum Beachtung geschenkt.
Dies war auch der Fall, als eine Delegation des Unterausschusses des EUParlaments für Steuerfragen, angeführt vom niederländischen Sozialdemokraten Paul Tang, dem Luxemburger Parlament unlängst einen Besuch abstattete. Anstatt beide Seiten der Medaille in Augenschein zu nehmen, blieb der Ausschussvorsitzende bei seiner vorgefassten Meinung und schenkte den Argumenten der Abgeordneten wenig Bedeutung. Schon im Vorfeld der Visite hatte er in einem „Wort“-Interview das alte Klischee eines Steuerparadieses bemüht.
Deshalb haben wir uns entschlossen, einen differenzierteren Blick auf unseren Finanzplatz zu werfen, der allen Facetten Rechnung trägt und auch auf die jüngsten Entwicklungen eingeht.
Ruf des Finanzplatzes hat sich verbessert
Luxemburg hat in den vergangenen Jahrzehnten einen Finanzplatz samt einer Fonds-Industrie aufgebaut, die europaweit, ja international zu den Spitzenreitern zählen. Das Land beherbergt weltweit hinter den USA den zweitgrößten Fonds-Platz. In der Europäischen Union belegt Luxemburg sogar den ersten Platz. Daraus allerdings den Schluss zu ziehen, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann, wenn ein so kleines Land über einen derart wichtigen und vielseitigen Finanzplatz verfügt, ist doch sehr gewagt.
Das Großherzogtum hält sich an die europäischen Regeln und respektiert die internationalen Normen. Auch Pascal Saint-Amans, früherer Direktor für Steuerfragen bei der OECD, stellte Luxemburg zuletzt gute Noten aus (1). Alles andere wäre nämlich fatal: Angesichts der enormen Bedeutung des Finanzplatzes für unsere Wirtschaft sind wir geradezu gezwungen, die mittlerweile exzellente Reputation, die wir uns mit viel Kompetenz und Know-how über Jahre hinweg erarbeitet haben, zu wahren und zu pflegen. Regelverstöße wären nicht nur kontraproduktiv, sie wären geradezu volkswirtschaftliches Harakiri. So wundert es denn auch nicht, dass das Parlament anlässlich der oben erwähnten Visite den Ruf des Luxemburger Finanzplatzes mit breiter Unterstützung verteidigt hat.
Viele verschiedene Steuern
Wer immer noch davon überzeugt ist, dass Luxemburg ein Steuervermeidungsland, ja sogar ein Steuerparadies sei, braucht nur einen Blick auf unsere Steuerlandschaft zu werfen.
Der Höchststeuersatz für Privatpersonen liegt derzeit bei 42 Prozent. Rechnet man die Solidaritätssteuer noch hinzu, kommt man sogar auf einen Steuersatz von über 45 Prozent.
Die Körperschaftsteuer beträgt, zusammen mit der kommunalen Gewerbesteuer,
rund 26 Prozent. Damit liegt Luxemburg mitnichten im europäischen Spitzenpeloton, was die steuerliche Attraktivität für Betriebe anbelangt. Im Gegenteil: Andere europäische Länder bieten wesentlich günstigere steuerliche Bedingungen für Unternehmen, allen voran einige direkte Konkurrenten unseres Finanzplatzes wie etwa Irland (12,5 Prozent) oder Großbritannien (19 Prozent). In der Schweiz beträgt die Körperschaftssteuer im Durchschnitt 19,7 Prozent (2).
In Bezug auf die Unternehmensbesteuerung muss man auch wissen, dass Betriebe in Luxemburg im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern einer Vermögenssteuer unterliegen. In der hiesigen Fonds-Industrie wird die sogenannte „taxe d’abonnement“erhoben, eine Steuer, die es nur in sehr wenigen anderen Ländern gibt. Bleibt noch die Quellensteuer, der auch die Unternehmen unterliegen.
Andere Finanzplätze, die in direkter Konkurrenz zum Großherzogtum stehen, locken also mit erheblich besseren Bedingungen!
Wenn sich Finanzinstitute in Luxemburg niederlassen, dann also vor allem, weil sie bei uns das nötige Know-how, die Erfahrung, verlässliche Akteure (Kontrollbehörden, Verwaltungen, ...) und die Planungssicherheit finden, die sie suchen, um effizient zu arbeiten. Sie finden ein hoch spezialisiertes und vielseitiges „Ökosystem“vor, das die steuerlichen Anreize, die andere Länder bieten, mehr als wettmacht.
Die Tax Rulings spielen in Luxemburg also keine nennenswerte Rolle mehr.
Im Ausland setzt man hingegen weiter auf Steuervorbescheide, in Frankreich sollen es 18 562 sein, in Belgien etwa 2 281 und in den Niederlanden fast 800 (4)
In dem Kontext muss angemerkt werden, dass Steuer-Rulings an sich nicht illegal sind. Erst kürzlich hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgehalten, dass die EU-Kommission zu Unrecht entschieden hat, dass ein Fiat-Tochterunternehmen in Luxemburg Steuern nachzahlen muss. Eine unerlaubte staatliche Beihilfe, dass heißt Steuervorteile, habe es nicht gegeben, so das Urteil der Richter am EuGH.
Luxemburg hat auch juristisch nachgebessert und alle europäischen Richtlinien, die den Finanzplatz betreffen, zügig umgesetzt, etwa die Anti-Steuervermeidungsrichtlinie der EU („Anti Tax Avoidance Directive“, ATAD) oder noch die „Directive on Administrative Cooperation“(DAC) für die europäische Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung.
Kontrollen zeigen Wirkung
Darüber hinaus wurden die Kontrollmechanismen am Finanzplatz kontinuierlich angepasst und verfeinert. So zählt die „Commission de surveillance du secteur financier“(CSSF) heute etwa 1 000 Mitarbeiter, sechsmal mehr als noch in 2000. Sie führt zudem regelmäßig Geldwäscheinspektionen in Finanzinstituten durch. Das Register der wirtschaftlichen Eigentümer („Registre des bénéficiaires effectifs“, RBE), das seit 2019 in Betrieb ist, und das Handels- und Firmenregister („Registre de commerce et des sociétés“, RCS) sind transparenter als vergleichbare Register in anderen EU-Ländern.
Doch machen wir uns nichts vor. Angesichts der enormen Menge an Transaktionen kann es, ähnlich wie in anderen Ländern, trotz besserer Kontrollmechanismen zu Unregelmäßigkeiten kommen. Verdächtige Transaktionen werden daher regelmäßig von der „Cellule de renseignement financier“(CRF), wenn erfordert, an die Staatsanwaltschaft übergeben. Allerdings gibt es hier noch Nachholbedarf, denn nicht alle Verdachtsfälle enden mit einem Urteilsspruch. 2020 wurden 40 782 verdächtige Transaktionen gezählt. Von den 197 Fällen, die an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurden, betrafen 108 Betrug, 45 Geldwäsche und drei Terrorismusfinanzierung (5). Weil die Fälle oft sehr kompliziert sind und die Untersuchung daher viel Zeit in Anspruch nimmt, wäre es wünschenswert, wenn die Justiz personell aufgestockt werden würde.
Auch wenn nie alles perfekt sein kann, werden dennoch Transparenz und Kontrolle am Finanzplatz Luxemburg großgeschrieben. In den vergangenen Jahren ist sehr viel passiert. Wenn die harsche Kritik trotz aller Fortschritte dennoch nicht verstummt, darf man sich getrost die Frage stellen, wer denn eigentlich ein Interesse daran hat, den Finanzplatz Luxemburg immer wieder in ein schlechtes Licht zu rücken oder einer einseitigen Berichterstattung Vorschub zu leisten.
Kritik ist gut und wichtig, aber sie muss auf belegbaren Tatsachen beruhen. Wir ziehen daher eine sachliche und faire Argumentation vor, im Interesse des Finanzplatzes.
André Bauler ist DP-Abgeordneter und Vorsitzender des Finanz- und Haushaltsausschusses; Laurent Mosar ist CSV-Abgeordneter und Vizevorsitzender des Finanz- und Haushaltsausschusses; der gemeinsame Text wurde am 18. November 2022 fertiggestellt.
(1) „Le Grand-Duché d’aujourd’hui, en matière fiscale, n’a plus rien à voir avec celui d’avant 2008“, Pascal Saint-Amans, ancien Directeur du Centre de politique et d’administration fiscales de l’OCDE, in „Paperjam“(21.12.2021)
(2) OECD: Corporate Tax Statistics, fourth edition, 2022
(3) Réponse de la ministre des Finances à la question parlementaire 6096 du 26 avril 2022 du député Laurent Mosar concernant les rescrits fiscaux
(4) „Neighbours far outspace Luxembourg in tax rulings“in
„Luxembourg Times“(3.6.2022)
(5) „Warum die Justiz einen langen Atem braucht“in „Luxemburger Wort“(15.11.2022)