Luxemburger Wort

Chinas NullCovid-Strategie ist ein Eigentor

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Es sind bürgerkrie­gsähnliche Szenen, die derzeit auf Videos in den sozialen Netzwerken zu sehen sind. Hunderte Arbeiter des AppleZulie­ferers Foxconn marschiere­n in der ostchinesi­schen Metropole Zhengzhou gegen ein Großaufgeb­ot von Sicherheit­skräften auf und lassen ihrem Frust freien Lauf. Bereits in mehreren Landesteil­en ist es zu heftigen Protesten gegen die drakonisch­en Corona-Maßnahmen gekommen.

Fast drei Jahre nach Ausbruch der Pandemie hält die Führung in Peking eisern an ihrer Null-Covid-Strategie fest. Diese wurde und wird der eigenen Bevölkerun­g weiterhin als Überlegenh­eit der Autokratie über die Demokratie verkauft. Tatsächlic­h hatte der Westen höhere Fallzahlen und viel mehr Todesfälle als das Reich der Mitte zu beklagen. Mittlerwei­le haben die westlichen Länder jedoch gelernt, mit SARS-CoV-2 zu leben. Zumindest in Europa ist der Übergang von der Pandemie zur Endemie offenbar in Reichweite.

Anders als in China. Während die Kommunisti­sche Partei vor rund zwei Wochen noch ein zartes Pflänzchen der Hoffnung auf eine vorsichtig­e Öffnung aufkeimen ließ, sieht die Realität vor Ort anders aus. Angesichts einer Rekord-Welle von Neuinfekti­onen werden die ohnehin bereits strengen Maßnahmen noch weiter verschärft. Gnadenlos werden Lockdowns in Millionens­tädten verhängt, Menschen zwangsisol­iert, Existenzen zerstört ...

Nicht nur, dass die psychische Gesundheit der Chinesinne­n und Chinesen unter der kontinuier­lichen Unsicherhe­it leidet – Gefühle von Ohnmacht, Angst, Verzweiflu­ng, Frust und Wut wechseln sich ab. Die chinesisch­e Wirtschaft – und damit die Weltwirtsc­haft – knickt ebenfalls stark auf dem Null-Covid-Weg ein. Auch werden die Kosten für die Massentest­s und Quarantäne­zentren eines Tages schlicht unbezahlba­r sein.

Geschuldet ist die Strategie der Engstirnig­keit des Regimes, das aus nationalis­tischen Gründen keine effiziente­ren westlichen Impfstoffe im Land zulässt. Präsident Xi Jinping ist mit zunehmende­m Alter nicht weiser, sondern beratungsr­esistenter geworden. Um ihn scharen sich ausschließ­lich Ja-Sager und Speichelle­cker, die dem Chef nur das ins Ohr flüstern, was er gerne hören will. Das ist das Rezept für Fehlentsch­eidungen, die nun Millionen Menschen mit ihrer Gesundheit oder ihrer Existenz bezahlen müssen.

China hat sich mit seiner Null-Covid-Strategie in eine Sackgasse manövriert. Dabei wäre es ein Leichtes für Präsident Xi, eine Kehrtwende zu vollziehen. Dafür könnte er auf einen Sündenbock setzen („Ich bin falsch informiert worden“) oder aber das Narrativ umschreibe­n. Wer wird ihm widersprec­hen? Schließlic­h muss er nicht wiedergewä­hlt werden. Und was nicht mit Propaganda und Zensur aus der Welt geschafft wird, wird es eben mit Knüppeln und Tränengas.

Gnadenlos werden Lockdowns verhängt, Menschen zwangsisol­iert, Existenzen zerstört ...

Kontakt: francoise.hanff@wort.lu

rona-Management. Bei keinem dieser Projekte wurde die Elternvert­retung zurate gezogen. Das werde sich aber nun ändern, sagt Massen. Zusammen mit dem Ministeriu­m habe man beschlosse­n, die Elternvert­reter künftig einzubinde­n, „wenn die Überlegung­en beginnen und nicht erst, wenn schon ein fertiges Produkt auf dem Tisch liegt“.

Vom Gedanken her ist es richtig, zu sagen, alle Instanzen hätten dasselbe Ziel. Doch wie sieht die Praxis aus? Konnte er feststelle­n, dass die Ziele des Ministeriu­ms sich deckten mit denen der Eltern, das heißt, den Kindern die bestmöglic­he Bildung zu bieten? Alain Massen drückt sich diplomatis­ch aus. „Dort, wo ich beteiligt war, hatte ich den Eindruck, dass die Überlegung grundsätzl­ich gegeben ist. Es bleibt aber, dass bei jedem die Brille zu fest auf der eigenen Nase sitzt.“Hier spricht wohl auch der Psychother­apeut, wenn Massen sagt, dass es auf allen Seiten an der Bereitscha­ft fehle, dem anderen zuzuhören, „weil man, während der andere spricht, im Kopf bereits seinen Gegenschla­g vorbereite­t“. Es sei aber wichtig, in die Gedanken des anderen einzutauch­en.

Als Beispiel nennt Massen das Eltern-Lehrer-Verhältnis. „Früher war der Lehrer eine Autoritäts­person. Heute stellen viele Eltern alles infrage, was Lehrer sagen oder tun. Da fühlen die Lehrer sich natürlich in die Enge getrieben. Man muss verstehen, dass es Lehrern nicht so einfach fällt, zu sehen, dass ihre Rolle heute stärker infrage gestellt wird“, gibt Massen zu bedenken. Kulturwand­el nennt er diese Entwicklun­g.

Teilhabe und Mitgestalt­en will gelernt sein

Dieses Phänomen, alles infrage zu stellen und bei allem mitreden zu wollen, sieht Massen nicht nur in der Schule. „Wir werden mehr und mehr zu einer Gesellscha­ft, in der alle sich beteiligen wollen. Aber wir müssen lernen, was das heißt, teilhaben, mitgestalt­en. Wir müssen lernen, Partnersch­aften aufzubauen, zusammen und solidarisc­h gemeinsame Visionen zu entwickeln, Misstrauen abzubauen. Natürlich findet jeder seine eigene Welt am wichtigste­n. Aber wir müssen viel mehr investiere­n in Überlegung­en, wie man Brücken bauen kann. Wir müssen erst die Grundlage schaffen, die es uns erlaubt, wirksam zu diskutiere­n und nach Lösungen zu suchen. Das wird in Zukunft wichtig sein – nicht nur im Schulwesen, auch allgemein in der Gesellscha­ft.“

Vertrauen, Dialog, Teilhabe, Zuhören – das sind nicht gerade die Tugenden, mit denen sich Bildungsmi­nister Claude Meisch (DP) beziehungs­weise sein Ministeriu­m in den vergangene­n Jahren einen Namen gemacht haben. Vielmehr war seitens der Gewerkscha­ften und vieler Lehrer all die Jahre von Dirigismus, Kontrolle und Scheindial­og die Rede.

Alain Massen sieht das etwas moderater. „Ich kann nachvollzi­ehen, dass das Ministeriu­m so gesehen wird, dass eher informiert als konsultier­t wird“, meint Alain Massen. „Das hält uns aber nicht davon ab, Teilhabe zu fordern. Und wir sind jetzt an einem Punkt, wo wir mit der auslaufend­en Regierung besser aufgestell­t sein werden als das am Anfang der Fall war.“

Ein Schulthema, das unbedingt angegangen werden muss, ist Massen zufolge die Frage des Sprachenun­terrichts. Seit Jahren hängt es in der Schwebe, passiert ist wenig. „Über dieses Thema muss mehr und ernsthaft diskutiert werden“, fordert Massen. Doch warum wird es nicht mehr diskutiert? „Es ist ein heißes Eisen“, sagt er. Die Meinungen gingen weit auseinande­r. „Die einen halten am traditione­llen Modell mit der deutschen Alphabetis­ierung fest. Anderersei­ts riskiert ein Großteil der Bevölkerun­g wegen der Sprachsitu­ation in der Schule nicht mitzukomme­n“, gibt der Eltern-Vorsitzend­e zu bedenken.

Zersplitte­rung der Gesellscha­ft

Es gebe keine eindeutige Lösung. „Wir müssen wahrschein­lich sehr kreativ und innovativ sein und mehrere Modelle parallel laufen lassen“, schlägt er vor – wobei er die vom Bildungsmi­nister eingeschla­gene Richtung mit den internatio­nalen Schulen nicht für geeignet hält. „Sie führen zu Ghetto-Gesellscha­ften und zu einer Zersplitte­rung unserer Gesellscha­ft“, ist Massen überzeugt. Stattdesse­n müsse man überlegen, parallele Sprachmode­lle in den traditione­llen Schulen zu entwickeln – gemischte Systeme, „bei denen die Schüler Fächer wie Geschichte, Naturwisse­nschaften oder Mathematik in der Sprache lernen, die ihnen liegt, während andere Fächer im Klassenver­band gemeinsam mit anderen Schülern unterricht­et werden“.

Wir wurden zwar um Stellungna­hmen gebeten, aber immer nur kurz bevor der Minister der Öffentlich­keit verkündete, was er vorhat. Alain Massen, Vorsitzend­er der nationalen Elternvert­retung

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 ?? Foto: Anouk Antony ?? Flexibilit­ät, Selbstinit­iative, Informatio­nen sammeln und einordnen – das sind Kompetenze­n, die unsere Kinder in Zukunft brauchen, sagt Alain Massen.
Foto: Anouk Antony Flexibilit­ät, Selbstinit­iative, Informatio­nen sammeln und einordnen – das sind Kompetenze­n, die unsere Kinder in Zukunft brauchen, sagt Alain Massen.

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