Ohne Maulkorb im Haus der Demokratie
Jugend und Politik treffen beim Jugendkonvent jährlich aufeinander – dabei fordern Jugendliche ihr politisches Mitspracherecht ein
„Wir haben nur noch zwei Stunden, um unsere Forderungen festzulegen. Die Zeit läuft uns davon. Die Chance, der Politik unsere Meinung zu sagen, kriegen wir nur einmal im Jahr“, teilt ein Teilnehmer des Workshops „Inclusion – Une société pour nous tous!“seiner Arbeitsgruppe mit. Im prunkvollen Plenarsaal des Parlaments auf dem Boden hockend, stimmen die anderen Gruppenmitglieder mit einem schlichten Kopfnicken zu.
Doch für einen kurzen Moment herrscht Stille. Denn je mehr über das Thema Inklusion diskutiert wird, desto komplexer erscheint die Welt, entsteht für die Jugendlichen der Eindruck. Die Zuversicht, einfache und kurze Antworten auf komplexe langfristige Probleme zu finden, schwindet einfach so dahin. Doch die Zeit drängt. Die Jugendlichen wollen am Nachmittag noch vor Regierungsvertretern und Abgeordneten ihr politisches Mitspracherecht einfordern. Und zeigen, dass auch die Politik von der Jugend noch viel lernen kann.
„Es ist schwer, Lösungen auf politische Probleme zu finden. Wir wissen nichts über Politik. Wenn man sich aber zusammensetzt und darüber spricht, dann kriegt man es schon hin“, kommentiert Lena am Ende der Veranstaltung hoffnungsvoll ihre erste Auseinandersetzung mit Politik. Die Schülerin hat wie 74 andere Jugendliche aus 19 verschiedenen Gymnasien im Land einen langen Tag hinter sich. Der 17. Jugendkonvent, vom Jugendrot organisiert, ist gerade zu Ende gegangen.
In vier verschiedenen Workshops zu den Themen, „Demokratie in der Schule“, „Wahlrecht ab 16“, „Inklusion“und „Medien (Des)information“durften Jugendliche im Alter zwischen 13 und 30 Jahren jeweils drei Forderungen formulieren. Diese durften sie schließlich am Nachmittag im Plenarsaal vor Abgeordneten und Regierungsvertretern präsentieren. Und debattieren. Denn, wie es Parlamentspräsident Fernand Etgen (DP) vor den Jugendlichen formulierte, „darf die Politik nicht über die Köpfe der Menschen hinweg entscheiden“.
Wahlrecht ab 16 darf kein Tabu mehr sein
Doch was halten die 74 Jugendlichen von der Aussage? Entscheidet die Politik über die Köpfe der Jugend hinweg? „Wir haben das Recht zu arbeiten und Steuern zu zahlen, wenn wir 17 sind, dürfen aber politisch nicht mitbestimmen“, moniert eine Teilnehmerin des Workshops „Wahlrecht ab 16“.
Wählen geht nur ab 18. Doch warum, fragen sich andere Mitredner in der Gruppe. „Die Politik denkt, es würde ihr schaden“, sagt ein Jugendlicher in die Runde. „Die Jugend würde das Wahlresultat stark beeinflussen“, stimmt eine andere Teilnehmerin zu. Die Frage lässt sich nicht genau beantworten. Übrig bleibt im Raum die Unsicherheit, warum 16und 17-Jährige nicht geeignet sein sollen, um politisch mitzubestimmen. Unter den Jugendlichen herrscht aber ein Konsens: Das Wahlrecht ab 16 darf kein Tabuthema mehr sein: „Alter definiert nicht die Reife eines Menschen“, „Andere Erwachsene nehmen ihr Wahlrecht nicht mal wahr“, „Mache 16-Jährige sind reifer als 20-Jährige“– so lauten die Überlegungen der Arbeitsgruppe.
„Über unsere Rechte klärt uns aber niemand auf“
Im Raum neben der Arbeitsgruppe zum Wahlrecht ab 16 drücken Jugendliche ihre Enttäuschung über den Demokratiemangel in der Schule aus. „An unserem ersten Schultag müssen wir ein Blatt unterschreiben, auf dem steht, was alles nicht erlaubt ist. Über unsere Rechte klärt uns aber niemand auf“, bemängelt Carolina in ihrer Gruppe. Es sei schwer, einen konstruktiven Dialog auf Augenhöhe mit Lehrern und Direktoren zu führen, fährt die Jugendliche fort. „Beispielsweise gibt es zwischen Düdelingen und Käerjeng keinen Schulbus. Das ist für manche von uns ein Problem. Wir haben mit der Direktorin gesprochen, sie ignoriert uns aber immer wieder.“
Wir haben das Recht zu arbeiten und Steuern zu zahlen, wenn wir 17 sind, dürfen aber politisch nicht mitbestimmen. Eine Teilnehmerin des Konvents
In den Workshops können die Jugendlichen unter sich frei reden und Verständnis für diese konkreten Probleme des jeweils anderen entwickeln. Sie lernen, dass der politische Diskurs nicht nur Reden voraussetzt, sondern auch die Fähigkeit zuzuhören. Mit Geduld und Einfühlsamkeit. Ein Modell, das beim Jugendkonvent nicht immer die Regel war, verrät eine Organisatorin vom Jugendrot: „Vorher waren die Abgeordneten am Vormittag an den Workshops beteiligt. Sie nahmen im Diskurs aber zu viel Platz ein, weswegen sich das Konzept geändert hat.“Den Dialog mit den Jugendlichen konnten die Abgeordneten allerdings während der Plenarsitzung suchen.
Demokratie im Alltag ist nicht nur Sache des Parlaments
Den Plenarsaal des Parlaments hätte man zweimal füllen können, stellt Marvin Caldarella vom Jugendrot am Nachmittag vor den Teilnehmern des Jugendkonvents, den anwesenden Abgeordneten und Regierungsvertretern fest. Ein Erfolg nach den Strapazen der Pandemie in den letzten Jahren.