Luxemburger Wort

Höchste Eisenbahn im US-Kongress

Den US-Demokraten bleiben nur noch wenige Tage, um mit ihrer alten Mehrheit wichtige Gesetze im Repräsenta­ntenhaus zu beschließe­n

- Von Karl Doemens (Washington)

Die Uhr tickt. Gerade noch fünf Wochen bleiben dem Kongress in Washington bis zur Neukonstit­uierung mit veränderte­n Machtverhä­ltnissen. Der offizielle Sitzungspl­an sieht vor der Weihnachts­pause nur noch zwölf Zusammenkü­nfte vor. Zudem drohen den USA ab dem 9. Dezember ein volkswirts­chaftlich verheerend­er Bahnstreik und ab dem 16. Dezember ein Shutdown der Regierung.

Die Zeit drängt also gewaltig für Joe Bidens Demokraten, die bei den MidtermWah­len ihre Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus verloren haben. Nach der Vereidigun­g der neuen Abgeordnet­en am 3. Januar dürften sie kaum noch ein Gesetz durchs Parlament bringen. Entspreche­nd ambitionie­rt ist ihre Agenda für die „Lame Duck“Periode bis dahin: Ein Haushalt, neue Ukraine-Hilfen und die jährliche Freigabe der Mittel fürs US-Militär müssen, ein Gesetz zum Schutz der Ehe für alle, ein Wahlgesetz und die Anhebung der Verschuldu­ngsgrenze sollten dringend verabschie­det werden. Daneben wünscht sich der Präsident noch ein Verbot von Schnellfeu­ergewehren

und eine Reform des Einwanderu­ngsrechts.

Historisch­er Generation­swechsel

Das klingt eher nach einem Zehnkampf als nach einem Sprint. „Wir wissen, dass das extrem schwierig wird“, räumt Karine JeanPierre, die Sprecherin des Weißen Hauses, ein. Beobachter geben den beiden letzten Vorhaben denn auch wenig Chancen. Andere – wie die Billigung zumindest eines Übergangsh­aushalts – aber sind für die Arbeit der Regierung unverzicht­bar.

Bei ihrer Sitzung an diesem Mittwoch dürften die Demokraten zunächst einen historisch­en Generation­swechsel vollziehen. Nach dem Rückzug der 82-jährigen Nancy Pelosi, die zwei Jahrzehnte lang faktisch die Partei geführt hat, soll der 52-jährige Hakeem Jeffries zum neuen Fraktionsc­hef gewählt werden. Er wäre der erste Afroamerik­aner in dieser Position. Die Wahl des aus

Brooklyn stammenden pragmatisc­hen Juristen und Politologe­n gilt als sicher.

Jeffries erbt zum Auftakt einen wichtigen politische­n Erfolg – und dann eine Mammutaufg­abe. Noch in dieser Woche könnte der Kongress ein Bundesgese­tz zum Schutz der gleichgesc­hlechtlich­en Ehe beschließe­n. Die war 2015 durch eine Entscheidu­ng des Supreme Courts legalisier­t worden, ist nach dem Rechtsruck des Obersten Gerichts aber durch ein mögliches neues Urteil in Gefahr. Sollte der Senat das Gesetz, wie beabsichti­gt, mit den Stimmen auch einiger Republikan­er am Dienstagab­end billigen, wäre der Weg frei für die endgültige Verabschie­dung im Repräsenta­ntenhaus.

Ukraine-Hilfen auf der Kippe

Der Kampf um den Haushalt dürfte sehr viel schwierige­r werden. Am 16. Dezember läuft das bisherige Budget aus. Möglicherw­eise versuchen die Demokraten, den Stichtag zunächst um eine Woche nach hinten zu verschiebe­n, um Zeit zu gewinnen. Dann könnte der Etat mit verschiede­nen anderen notwendige­n Gesetzen – wie etwa der jährlichen Freigabe der Mittel fürs Militär – verbunden und zur Abstimmung gestellt werden. Im Senat benötigen diese Vorhaben die Stimmen auch von zehn Republikan­ern, die das Verfahren zumindest verzögern und mit Forderunge­n versehen dürften. Ob sie auch dem von Biden gewünschte­n neuerliche­n 40-Milliarden-Dollar-Paket für die Ukraine zustimmen, ist unsicher. Das geplante Neun-Milliarden-Dollar-Paket zur weiteren Bekämpfung der Corona-Pandemie scheint schlechte Chancen zu haben.

Wie ein Damoklessc­hwert hängt über Washington zudem der gesetzlich­e Schuldende­ckel. Voraussich­tlich im dritten Quartal 2023 dürfte die Grenze der Kreditaufn­ahme erreicht sein. Wenn vorher nichts passiert, drohen die Zahlungsun­fähigkeit der USA und eine dramatisch­e Weltfinanz­krise. Dafür wollen mutmaßlich auch die Republikan­er nicht verantwort­lich sein. Ihre weiter nach rechts gerückte Fraktion im Repräsenta­ntenhaus dürfte eine Zustimmung aber von drastische­n Einschnitt­en bei Sozialleis­tungen und Ausgabenpr­ogrammen abhängig machen. Deshalb möchten die Demokraten die Anhebung der Schuldengr­enze unbedingt noch mit eigener Mehrheit beschließe­n. Doch Beobachter haben Zweifel, ob das in der Kürze der verbleiben­den Zeit gelingt.

Zunächst muss zudem ein wesentlich kurzfristi­gerer Shutdown abgewendet werden: Schon am kommenden Freitag droht den USA ein gewaltiger Eisenbahne­rstreik, der die Güterverso­rgung im Land schwer behindern und nach den Worten von Biden „unsere Wirtschaft zerstören“könnte. Der Präsident will deshalb einen mit mehreren Gewerkscha­ften ausgehande­lten Tarifkompr­omiss auch für jene vier Gewerkscha­ften verpflicht­end machen, die ihm nicht zugestimmt haben. Die Führung der Demokraten in beiden Häusern des Kongresses unterstütz­t das Vorhaben. Doch ein einziger nicht-republikan­ischer Senator wie der linke Bernie Sanders könnte es zum Scheitern bringen.

Wir wissen, dass das extrem schwierig wird. Karine Jean-Pierre, Sprecherin des Weißen Hauses

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