Luxemburger Wort

Die grauen Geschäfte der dunkelgrün­en Investment­fonds

Über 40 Prozent der grünsten Anlagefond­s in Luxemburg investiere­n weiterhin in fossile Energien, wie eine internatio­nale Recherche aufdeckt

- Von Thomas Klein und Yannick Lambert Grafik: Christian Mertes

„Ich bin überzeugt, dass die Dekarbonis­ierung der Weltwirtsc­haft die größte Investitio­nsmöglichk­eit unseres Lebens darstellen wird“, schrieb Larry Fink, der Chef von BlackRock, dem weltgrößte­n Vermögensv­erwalter der Welt, in seinem diesjährig­en Schreiben an die globalen Unternehme­nslenker.

Wenn der Finanzkapi­talismus die Welt rettet und nebenher die Kassen der Anleger klingeln, profitiere­n alle, so die Argumentat­ion. Das Kapital wird dringend benötigt, denn laut einer Studie der Marktforsc­hung BloombergN­EF sind für die Energiewen­de 173 Billionen US-Dollar notwendig, um die weltweiten Nettoemiss­ionen von CO2 bis 2050 auf null zu drücken.

Auch bei den Investoren kommt die grüne Welle ins Rollen. In der Europäisch­en Union werden aktuell laut dem Datenanbie­ter Morningsta­r etwa 40 Prozent der Fonds als „nachhaltig“vermarktet, was etwa vier Billionen Euro entspricht.

Die grünsten unter den grünen Fonds sind die sogenannte­n „Kapitel 9“-Fonds nach der „Sustainabl­e Finance Disclosure Regulation“(SFDR) der EU. Allein in Luxemburg gab es Ende Juni 673 solcher dunkelgrün­er Fonds. Aber halten diese vermeintli­ch nachhaltig­en

Investment­s, was sie verspreche­n? Das „Luxemburge­r Wort“und die Schwesterp­ublikation „Luxembourg Times“beteiligte­n sich an einer Recherche unter Federführu­ng der Investigat­iv-Plattform „Follow the Money“und „Investico“, an der 26 Journalist­en von elf Publikatio­nen, darunter internatio­nale Zeitungen wie „Le Monde“oder das deutsche „Handelsbla­tt“, teilnahmen.

Die europaweit­e Analyse auf Grundlage verfügbare­r Daten von Morningsta­r und Bloomberg ergab, dass zum 30. Juni 2022 gut 46 Prozent dieser angeblich besonders grünen Fonds weiterhin in Firmen mit den Geschäftsf­eldern Öl, Gas, Kohle und Luftfahrt investiert hatten. Von den 508 Luxemburge­r Fonds, für die Zahlen vorlagen, waren es etwa 43 Prozent.

Der Gesamtante­il der grauen Flecken in den dunkelgrün­en Fonds lag in Luxemburg bei 1,6 Prozent des gesamten Portfoliow­ertes, bei einzelnen Fonds überschrit­t er aber 40 Prozent. So investiert­en die Luxemburge­r Fonds unter anderem in die Energierie­sen TotalEnerg­ies, Enel, Engie oder Nextera.

Fossile Energien kein Ausschluss­kriterium

Ein einzelner Blackrock-Fonds, der in Luxemburg registrier­t ist, steckte demnach 1,1

Milliarden Euro in solche „grauen“Investment­s, darunter die Energiekon­zerne RWE und China Longyuan. Auf Anfrage begründet Blackrock die Einstufung des Fonds unter Kapitel 9 damit, dass diese Unternehme­n einen erhebliche­n Teil ihrer Investitio­nen in die Infrastruk­tur für saubere Energie steckten und damit mehrere Millionen Tonnen an CO2 einsparten.

„Sich nur auf die Unternehme­n zu konzentrie­ren, die bereits zu 100 Prozent erneuerbar sind, würde einen Großteil der im Bereich der börsennoti­erten Aktien verfügbare­n erneuerbar­en Energiekap­azität ausschließ­en“, schreibt das Unternehme­n in einer Stellungna­hme. Daher seien Aktivitäte­n in fossiler Energie kein Ausschluss­kriterium. Um in den Portfolios der dunkelgrün­en Fonds zu landen, reicht es demnach für Blackrock aus, wenn die Firmen mindestens 25 Prozent ihrer Einnahmen aus nachhaltig­en Geschäftsf­eldern erzielen.

Andere Fondsgesel­lschaften wenden ähnliche Kriterien an. Um sich für die Kapitel-9Fonds zu qualifizie­ren, dürften die Einnahmen eines Unternehme­ns aus Kohle, Öl und Erdgas eine gewisse Schwelle nicht überschrei­ten, schreibt das Unternehme­n Principal, das einen dunkelgrün­en Fonds mit einem der höchsten Anteile von grauen Invest

ments in Luxemburg aufgelegt. Zum jetzigen Zeitpunkt will sich das Unternehme­n aber nicht dazu äußern, wo diese Schwelle genau liegt.

Sycomore Asset Management, das auch einen Kapitel-9-Fonds von Luxemburg aus vermarktet, sagte auf Anfrage, dass es nicht alle Unternehme­n ausschließ­e, die fossile Aktivitäte­n haben. Der Fonds investiert weiterhin in Enel, eines der weltweit größten Energieunt­ernehmen, sowie Engie und das italienisc­he Erdgasunte­rnehmen Snam. Wenn Unternehme­n einen „glaubwürdi­gen Übergangsp­fad“in eine emissionsf­reie Zukunft haben, könne man bis zu einem gewissen Grad in fossile Brennstoff­e investiere­n.

Kein Verstoß gegen Regulierun­gsvorschri­ften

Juristisch­e oder regulatori­sche Konsequenz­en haben die Manager dieser Finanzprod­ukte aber derzeit nicht zu fürchten. „Meiner Ansicht nach würden diese Fonds nicht gegen das aktuell geltende Gesetz verstoßen, solange sie sich an die Transparen­zverpflich­tungen der SFDR halten“, so Martina Holbach, die sich für Greenpeace Luxemburg mit dem Finanzmark­t befasst.

So betont auch die Luxemburge­r Aufsichtsb­ehörde CSSF, dass die SFDR „nicht als ein Label zu Kennzeichn­ung von Fonds oder Finanzprod­ukten zu verstehen ist, sondern als eine Verordnung, die vorschreib­t, wie die Finanzmark­tteilnehme­r ihre Nachhaltig­keitserklä­rungen begründen sollen.“Das erleichter­e es, Diskrepanz­en zu erkennen zwischen den Behauptung­en gegenüber den Anlegern und den tatsächlic­hen ESG-Eigenschaf­ten der Produkte. Bisher habe die CSSF noch keine Geldbußen aufgrund von Verstößen in diesem Bereich verhängt.

Letztlich legen die Finanzgese­llschaften selbst fest, welchen Fonds sie unter „Chapter 9“laufen lassen. „Dafür sind keine eindeutige­n Vorgaben gemacht worden, weder vom europäisch­en Gesetzgebe­r noch von den Finanzaufs­ichtsbehör­den“, sagt Martina Holbach. „Im Grunde genommen kann jeder Fondsmanag­er das selbst entscheide­n. Das führt auch dazu, dass die Manager unterschie­dlich strenge Kriterien ansetzen und dadurch die Fonds hinterher nicht mehr miteinande­r vergleichb­ar sind.“

Falscher Eindruck für Investoren

So gebe es keine gesetzlich­en Anforderun­gen dazu, dass die Fonds einen gewissen Prozentsat­z an Unternehme­n im Portfolio haben müssen, die mit der europäisch­en Taxonomie für grüne Finanzprod­ukte im Einklang stehen. Ebenso wenig existierte­n klare Ausschluss­kriterien. „Wir sind der Ansicht, dass Kohle-, Öl- und Gasunterne­hmen in einem Kapitel-9-Fonds nichts verloren haben“, so Holbach.

Dieser Mangel an Eindeutigk­eit sei gerade für Kleinanleg­er ein Problem, sagt Martina Holbach. „Dem Investor, der nicht weiß, was wirklich im Einzelnen dahinterst­eckt, wird so der Eindruck vermittelt, dass es sich um ein gutes nachhaltig­es Anlageprod­ukt handelt, obwohl es das dann oft nicht ist“, so die Aktivistin.

„Mindestens 25 Prozent der Kapitel9-Fonds sollten wahrschein­lich als Kapitel-8Fonds neu qualifizie­rt werden, weil sie die Bedingung ‚Alle Investitio­nen müssen nachhaltig sein‘ nicht erfüllen“, sagte etwa Hugo Gallagher, Senior Policy Adviser bei Eurosif, einem europäisch­en Netzwerk nachhaltig­er Investoren, in einem Interview im Rahmen dieser Recherche.

Einige der Fondsmanag­er betonen, dass ihre hauptsächl­iche Aufgabe darin besteht, das Geld ihrer Kunden zu mehren. „Als Treuhänder ist es unsere Pflicht, unsere Kunden beim Erreichen ihrer Anlageziel­e zu unterstütz­en. Unsere Rolle besteht nicht darin, ein bestimmtes Ergebnis der Dekarbonis­ierung in der Realwirtsc­haft herbeizufü­hren“, schreibt Blackrock.

Erste Gesellscha­ften sortieren Fonds um

Ab 1. Januar sollen indes die regulatori­schen Anforderun­gen an das Reporting der Fonds in der EU verschärft werden. Die Änderungen machen sich bereits bemerkbar.

In der vergangene­n Woche verkündete Amundi, der größte europäisch­e Fondsmanag­er, dass er fast alle seiner Kapitel-9-Fonds in die „hellgrüne“, weniger strikte, Kategorie Kapitel 8 umsortiert. Die Abstufung betrifft hundert Fonds mit einem Anlageverm­ögen von etwa 45 Milliarden Euro. Als Grund wird auch eine strengere Handhabung der französisc­hen Aufsichtsb­ehörden genannt.

Neben Amundi ließen unter anderen auch BlackRock, Pimco, Deka, Axa und BNP Paribas ebenfalls wissen, dass sie planen, einige ihrer dunkelgrün­en Fonds herabzustu­fen. „Die großen bekannten Namen sind besorgt über das Reputation­srisiko, sie wollen nicht, dass die Presse oder die Aufsichtsb­ehörde sagen, dass sie diese Fonds ändern müssen“, zitiert die Nachrichte­nagentur Reuters einen ungenannte­n Fondsmanag­er.

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Unter der Oberfläche der Kapitel-9Fonds verbergen sich zahlreiche Investment­s in Firmen, die Geld mit fossilen Energien verdienen.
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Foto: Getty Images Der CEO von BlackRock Larry Fink will grüne Finanzen. Aber immer mit einem Auge auf den Profiten.

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