Die grauen Geschäfte der dunkelgrünen Investmentfonds
Über 40 Prozent der grünsten Anlagefonds in Luxemburg investieren weiterhin in fossile Energien, wie eine internationale Recherche aufdeckt
„Ich bin überzeugt, dass die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft die größte Investitionsmöglichkeit unseres Lebens darstellen wird“, schrieb Larry Fink, der Chef von BlackRock, dem weltgrößten Vermögensverwalter der Welt, in seinem diesjährigen Schreiben an die globalen Unternehmenslenker.
Wenn der Finanzkapitalismus die Welt rettet und nebenher die Kassen der Anleger klingeln, profitieren alle, so die Argumentation. Das Kapital wird dringend benötigt, denn laut einer Studie der Marktforschung BloombergNEF sind für die Energiewende 173 Billionen US-Dollar notwendig, um die weltweiten Nettoemissionen von CO2 bis 2050 auf null zu drücken.
Auch bei den Investoren kommt die grüne Welle ins Rollen. In der Europäischen Union werden aktuell laut dem Datenanbieter Morningstar etwa 40 Prozent der Fonds als „nachhaltig“vermarktet, was etwa vier Billionen Euro entspricht.
Die grünsten unter den grünen Fonds sind die sogenannten „Kapitel 9“-Fonds nach der „Sustainable Finance Disclosure Regulation“(SFDR) der EU. Allein in Luxemburg gab es Ende Juni 673 solcher dunkelgrüner Fonds. Aber halten diese vermeintlich nachhaltigen
Investments, was sie versprechen? Das „Luxemburger Wort“und die Schwesterpublikation „Luxembourg Times“beteiligten sich an einer Recherche unter Federführung der Investigativ-Plattform „Follow the Money“und „Investico“, an der 26 Journalisten von elf Publikationen, darunter internationale Zeitungen wie „Le Monde“oder das deutsche „Handelsblatt“, teilnahmen.
Die europaweite Analyse auf Grundlage verfügbarer Daten von Morningstar und Bloomberg ergab, dass zum 30. Juni 2022 gut 46 Prozent dieser angeblich besonders grünen Fonds weiterhin in Firmen mit den Geschäftsfeldern Öl, Gas, Kohle und Luftfahrt investiert hatten. Von den 508 Luxemburger Fonds, für die Zahlen vorlagen, waren es etwa 43 Prozent.
Der Gesamtanteil der grauen Flecken in den dunkelgrünen Fonds lag in Luxemburg bei 1,6 Prozent des gesamten Portfoliowertes, bei einzelnen Fonds überschritt er aber 40 Prozent. So investierten die Luxemburger Fonds unter anderem in die Energieriesen TotalEnergies, Enel, Engie oder Nextera.
Fossile Energien kein Ausschlusskriterium
Ein einzelner Blackrock-Fonds, der in Luxemburg registriert ist, steckte demnach 1,1
Milliarden Euro in solche „grauen“Investments, darunter die Energiekonzerne RWE und China Longyuan. Auf Anfrage begründet Blackrock die Einstufung des Fonds unter Kapitel 9 damit, dass diese Unternehmen einen erheblichen Teil ihrer Investitionen in die Infrastruktur für saubere Energie steckten und damit mehrere Millionen Tonnen an CO2 einsparten.
„Sich nur auf die Unternehmen zu konzentrieren, die bereits zu 100 Prozent erneuerbar sind, würde einen Großteil der im Bereich der börsennotierten Aktien verfügbaren erneuerbaren Energiekapazität ausschließen“, schreibt das Unternehmen in einer Stellungnahme. Daher seien Aktivitäten in fossiler Energie kein Ausschlusskriterium. Um in den Portfolios der dunkelgrünen Fonds zu landen, reicht es demnach für Blackrock aus, wenn die Firmen mindestens 25 Prozent ihrer Einnahmen aus nachhaltigen Geschäftsfeldern erzielen.
Andere Fondsgesellschaften wenden ähnliche Kriterien an. Um sich für die Kapitel-9Fonds zu qualifizieren, dürften die Einnahmen eines Unternehmens aus Kohle, Öl und Erdgas eine gewisse Schwelle nicht überschreiten, schreibt das Unternehmen Principal, das einen dunkelgrünen Fonds mit einem der höchsten Anteile von grauen Invest
ments in Luxemburg aufgelegt. Zum jetzigen Zeitpunkt will sich das Unternehmen aber nicht dazu äußern, wo diese Schwelle genau liegt.
Sycomore Asset Management, das auch einen Kapitel-9-Fonds von Luxemburg aus vermarktet, sagte auf Anfrage, dass es nicht alle Unternehmen ausschließe, die fossile Aktivitäten haben. Der Fonds investiert weiterhin in Enel, eines der weltweit größten Energieunternehmen, sowie Engie und das italienische Erdgasunternehmen Snam. Wenn Unternehmen einen „glaubwürdigen Übergangspfad“in eine emissionsfreie Zukunft haben, könne man bis zu einem gewissen Grad in fossile Brennstoffe investieren.
Kein Verstoß gegen Regulierungsvorschriften
Juristische oder regulatorische Konsequenzen haben die Manager dieser Finanzprodukte aber derzeit nicht zu fürchten. „Meiner Ansicht nach würden diese Fonds nicht gegen das aktuell geltende Gesetz verstoßen, solange sie sich an die Transparenzverpflichtungen der SFDR halten“, so Martina Holbach, die sich für Greenpeace Luxemburg mit dem Finanzmarkt befasst.
So betont auch die Luxemburger Aufsichtsbehörde CSSF, dass die SFDR „nicht als ein Label zu Kennzeichnung von Fonds oder Finanzprodukten zu verstehen ist, sondern als eine Verordnung, die vorschreibt, wie die Finanzmarktteilnehmer ihre Nachhaltigkeitserklärungen begründen sollen.“Das erleichtere es, Diskrepanzen zu erkennen zwischen den Behauptungen gegenüber den Anlegern und den tatsächlichen ESG-Eigenschaften der Produkte. Bisher habe die CSSF noch keine Geldbußen aufgrund von Verstößen in diesem Bereich verhängt.
Letztlich legen die Finanzgesellschaften selbst fest, welchen Fonds sie unter „Chapter 9“laufen lassen. „Dafür sind keine eindeutigen Vorgaben gemacht worden, weder vom europäischen Gesetzgeber noch von den Finanzaufsichtsbehörden“, sagt Martina Holbach. „Im Grunde genommen kann jeder Fondsmanager das selbst entscheiden. Das führt auch dazu, dass die Manager unterschiedlich strenge Kriterien ansetzen und dadurch die Fonds hinterher nicht mehr miteinander vergleichbar sind.“
Falscher Eindruck für Investoren
So gebe es keine gesetzlichen Anforderungen dazu, dass die Fonds einen gewissen Prozentsatz an Unternehmen im Portfolio haben müssen, die mit der europäischen Taxonomie für grüne Finanzprodukte im Einklang stehen. Ebenso wenig existierten klare Ausschlusskriterien. „Wir sind der Ansicht, dass Kohle-, Öl- und Gasunternehmen in einem Kapitel-9-Fonds nichts verloren haben“, so Holbach.
Dieser Mangel an Eindeutigkeit sei gerade für Kleinanleger ein Problem, sagt Martina Holbach. „Dem Investor, der nicht weiß, was wirklich im Einzelnen dahintersteckt, wird so der Eindruck vermittelt, dass es sich um ein gutes nachhaltiges Anlageprodukt handelt, obwohl es das dann oft nicht ist“, so die Aktivistin.
„Mindestens 25 Prozent der Kapitel9-Fonds sollten wahrscheinlich als Kapitel-8Fonds neu qualifiziert werden, weil sie die Bedingung ‚Alle Investitionen müssen nachhaltig sein‘ nicht erfüllen“, sagte etwa Hugo Gallagher, Senior Policy Adviser bei Eurosif, einem europäischen Netzwerk nachhaltiger Investoren, in einem Interview im Rahmen dieser Recherche.
Einige der Fondsmanager betonen, dass ihre hauptsächliche Aufgabe darin besteht, das Geld ihrer Kunden zu mehren. „Als Treuhänder ist es unsere Pflicht, unsere Kunden beim Erreichen ihrer Anlageziele zu unterstützen. Unsere Rolle besteht nicht darin, ein bestimmtes Ergebnis der Dekarbonisierung in der Realwirtschaft herbeizuführen“, schreibt Blackrock.
Erste Gesellschaften sortieren Fonds um
Ab 1. Januar sollen indes die regulatorischen Anforderungen an das Reporting der Fonds in der EU verschärft werden. Die Änderungen machen sich bereits bemerkbar.
In der vergangenen Woche verkündete Amundi, der größte europäische Fondsmanager, dass er fast alle seiner Kapitel-9-Fonds in die „hellgrüne“, weniger strikte, Kategorie Kapitel 8 umsortiert. Die Abstufung betrifft hundert Fonds mit einem Anlagevermögen von etwa 45 Milliarden Euro. Als Grund wird auch eine strengere Handhabung der französischen Aufsichtsbehörden genannt.
Neben Amundi ließen unter anderen auch BlackRock, Pimco, Deka, Axa und BNP Paribas ebenfalls wissen, dass sie planen, einige ihrer dunkelgrünen Fonds herabzustufen. „Die großen bekannten Namen sind besorgt über das Reputationsrisiko, sie wollen nicht, dass die Presse oder die Aufsichtsbehörde sagen, dass sie diese Fonds ändern müssen“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen ungenannten Fondsmanager.