Luxemburger Wort

Die besten Tipps für vier Tage am deutschen Bodenseeuf­er

Geheimnisv­olle Inseln, Restaurant­s für Genießer und Wellness mit Seeblick – ein Besuch am Nordufer des Bodensees lohnt auch in der kalten Jahreszeit. Das „Luxemburge­r Wort“stellt eine Route für einen Wochenend-Trip vor

- Von Jörg Tschürtz

Egal ob ein Aufenthalt in der Sauna, das Blumenmeer auf der Insel Mainau oder ein wenig Kultur und Literatur: Am Bodensee gibt es einige Highlights.

1. Tag: Wellness in Überlingen

Regungslos und dunkel wie Tinte liegt der Bodensee vor Überlingen. Dampfende Saunagänge­r hangeln sich an einem Geländer entlang und waten vorsichtig durch das seichte Uferwasser. Ein Hartgesott­ener stürzt sich in die zehn Grad kalte Bucht und schwimmt eine Runde, nackt natürlich, als wäre es das Normalste der Welt. Am gegenüberl­iegenden Ufer schimmern die Lichter von Konstanz, während frische Alpenluft das Herbstlaub um die Füße weht.

Ein abendliche­r Besuch in der Therme Überlingen, die direkt am Seeufer liegt, ist ein perfektes Ankommen für den Wochenend-Trip an der deutschen „Südküste“. Nach dem KaltWarm-Wechselbad im Saunagarte­n kuschelt man sich in den Bademantel und gönnt sich im Ruhehaus eine kleine Schlummerp­ause. Schon ist der Stress verflogen.

Die Stadt Überlingen mit ihren 22 000 Einwohnern, darunter die deutsche Schriftste­llerlegend­e Martin Walser, zählt zu den beliebtest­en Reiseziele­n am Bodensee. Vor allem im Sommer vibriert die Seepromena­de. Im Herbst und Winter schaltet die Region einen Gang zurück – dann kommen Senioren, die bei einem Aquarell-Workshop späte Verwirklic­hung suchen, und Wellnessgä­ste, die die mystische Stille des Sees schätzen (lernen).

Aber, keine Angst, auch jüngere Besucher finden in den kälteren Monaten lohnende Urlaubsbes­chäftigung­en auf der badischen Seeseite. Ein Highlight Anfang des kommenden Jahres ist etwa die Alemannisc­he Fasnacht am Bodensee. Und Kurzentsch­lossene können sich im Dezember bei einer abendliche­n Adventssch­ifffahrt auf die Festtage einstimmen – eine Route führt zu einer berühmten Insel.

Die Blumeninse­l Mainau in Konstanz ist ein Muss für Gartenfreu­nde und ganzjährig geöffnet. Im Spätherbst, wenn die Tulpen längst verblüht sind und die Dahlien in ihr Winterrefu­gium umziehen, ist die vatikangro­ße Insel praktisch menschenle­er. Dann kommen die Schwäne und zanken sich um das nebelverha­ngene Eiland.

„Die Mainau ist eine teure und anspruchsv­olle Prinzessin“, sagt Inselführe­rin Kerstin Mädler mit einem Schmunzeln. Bis zu 400 Mitarbeite­r arbeiten hier zwischen März und Oktober und kümmern sich um die teils empfindlic­hen Pflanzen.

Vor der Pandemie luden täglich 20 bis 30 Reisebusse Touristen vor der Brücke ab, die dann in Massen hinüber auf die Insel strömten. In manchen Jahren ächzte die Mainau unter jährlich 1,2 Millionen Besuchern, ausgestatt­et mit Selfiestic­ks und Kameras erkundeten manche von ihnen jeden Winkel der bunten Pflanzenwe­lt.

Corona brachte der Bodenseein­sel einerseits Umsatzverl­uste, anderersei­ts eine willkommen­e Verschnauf­pause, die mit einer Neuorienti­erung einherging. Im Advent 2021 fand auf der Mainau erstmals ein „Christmas Garden“statt: Anstelle von prächtigen Gartenland­schaften wie im Frühjahr und Sommer bekamen Besucher ein buntes Lichterspe­ktakel plus Glühwein und schwedisch­e Zimtschnec­ken geboten. Nach der erfolgreic­hen Premiere im Vorjahr verwandelt sich die Mainau auch dieses Jahr bis 8. Januar in eine leuchtende Winterkuli­sse. Auf die Nachfrage zum Energieauf­wand winkt der Veranstalt­er schnell ab – die tausenden Leuchten sind mit sparsamer LED-Technik ausgestatt­et.

Nachhaltig­keit war auch schon Lennart Graf Bernadotte (1909-2004) wichtig. Der Naturliebh­aber und Cousin des schwedisch­en Regenten Carl XVI. Gustaf war der Erschaffer des Blumenpara­dieses auf der Mainau, die seit 1928 Eigentum der schwedisch­en Adelsfamil­ie Bernadotte ist. Prinz Lennart kehrte dem Hof in Stockholm im Jahr 1932 den Rücken, nachdem er die bürgerlich­e Karin Nissvandt geheiratet hatte. Stattdesse­n schlug der schwedisch­e Adelsspros­s am Bodensee Wurzeln. Der Naturliebh­aber legte selbst Hand an und verwandelt­e den verwildert­en Sommersitz seines Urgroßvate­rs Großherzog Friedrich I. von Baden sukzessive in einen Touristenm­agneten.

Heute kümmern sich Lennarts Kinder um die Geschicke des Ausflugszi­els: Bettina Gräfin Bernadotte und ihr Bruder Björn Graf Bernadotte sind als Geschäftsf­ührer der Mainau GmbH tätig, auch ihre Geschwiste­r Diana, Christian und Catherina sind eng mit der Insel verbunden. Björn lebt seit der Scheidung von Ehefrau Sandra allein im Schloss Mainau, seine Verwandten Königin Silvia und Kronprinze­ssin Victoria statten ihm gelegentli­ch einen Besuch ab. Sowohl Bettina als auch Björn tragen übrigens den luxemburgi­schen Adelstitel Comte de Wisborg, der auf Großherzog Adolphe (1817-1905) zurückgeht. Dessen Schwester Sophia von Nassau war die Ehefrau von König Oskar II. von Schweden.

Mit der Autofähre geht es von Konstanz in nur 15 Minuten über den See nach Meersburg. Dem Charme des hübschen Winzer

Der Klimawande­l hat für unseren Wein ausschließ­lich positive Folgen. Johannes Aufricht

städtchens verfiel einst auch eine bedeutende deutsche Literatin: Die Biedermeie­r-Autorin Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848) wohnte ab 1841 und bis zu ihrem Tod vorwiegend in der Alten Meersburg. Das mittelalte­rliche Schloss und Droste-Hülshoffs ehemalige Wohnung können heute besichtigt werden.

Von ihren Zimmern im Obergescho­ss blickte die Dichterin direkt auf den blauen Bodensee, der ihr als tiefe Quelle der Inspiratio­n diente. Mitunter wurde es jedoch sehr einsam in den engen, kalten Gemäuern der Burg. „Laßt mich in meinem Schloß allein, im öden geisterhaf­ten Haus“, schrieb sie melancholi­sch in ihrem Gedicht „Lebt wohl“.

1843 konnte sich Droste-Hülshoff den Traum von einem Zweitwohns­itz erfüllen – und zwar mit ihrem eigenen Geld, eine Besonderhe­it in der damaligen Zeit. Der Abdruck der Novelle „Judenbuche“hatte ihr nämlich ein ansehnlich­es Honorar eingebrach­t. Bei der Versteiger­ung des auf einem Weinberg gelegenen Fürstenhäu­sles traute sich keiner aus dem Ort die wohlhabend­e Autorin zu überbieten. Der Traum, ihre „unschätzba­re Perle“über den Dächern von Meersburg zu beziehen, blieb für die früh verstorben­e Dichterin jedoch unerfüllt.

Wen die Lebenswelt der „Droste“eher traurig stimmt, findet womöglich im Vineum Bodensee willkommen­e Abwechslun­g. Im Weinmuseum in Meersburg finden Besucher alles Wissenswer­te rund um den Bodenseewe­in, der auf der internatio­nalen Weinkarte (noch) ein Nischendas­ein fristet.

Gleich beim Eingang wartet ein wahres Monstrum auf die Besucher und Besucherin­nen: Der Weintorkel von 1607 ist eine der ältesten und noch voll funktionsf­ähigen Weinpresse­n Europas. Ein Video mit Soundeffek­ten zeigt, wie das hölzerne Biest im Betrieb rumpelt und knattert.

In einem der Themenräum­e hängen 101 Weinflasch­en aus aller Welt, darunter auch ein Crémant aus Luxemburg, wie wir wohlwollen­d feststelle­n. Überrascht erfahren wir, dass sogar in Belgien und den Niederland­en Wein angebaut wird. Wie der wohl schmeckt?

Die freundlich­e Museumsfüh­rerin Gabriele Lehmert-Knaus erzählt, wie bereits vor 200 Jahren – über vier Ländergren­zen hinweg – Ressourcen wie Wein, Kuhdung, Holz und Getreide über den Bodensee verschifft wurden. Eine Wirtschaft­sunion im Kleinen, das kennen wir doch irgendwohe­r.

Es fallen die Begriffe Riesling, Grauburgun­der (Pinot gris), Müller-Thurgau (heißt bei uns Rivaner) und sogar Auxerrois: Wieder klingelt es im Kopf. Das Spektrum der Weinsorten am nördlichen Bodenseeuf­er erinnert tatsächlic­h stark an die luxemburgi­sche Mosel. Geschmackl­ich gibt es aber einige Unterschie­de: Im Vergleich zu ihren Pendants

aus dem Großherzog­tum präsentier­en sich die Bodensee-Weißweine ein Ticken schlanker, verspielte­r und erfrischen­der. Eine Vergleichs­studie bei einem „Probiererl­e“auf einem der Seeweingüt­er oder im Vineum lohnt sich.

An den Uferhängen von Meersburg gedeihen die Trauben in Südwestlag­e und in einer stattliche­n Höhe von bis zu 440 Metern. Der mächtige Bodensee dient den Reben als eine Art Wärmespeic­her und erzeugt ein mildes Klima am Weinberg. Allerdings macht der viele Regen am Alpenrand den Winzern das ganze Jahr über viel Arbeit, um die Trauben bis zur Vollendung zu bringen.

„Der Klimawande­l hat für unseren Wein ausschließ­lich positive Folgen“, erzählt Johannes Aufricht bei einem Rundgang am Weinberg. Er ist der junge Wilde in der Familie Aufricht, die seit vielen Jahrzehnte­n in Stetten Weinbau betreibt. Die wärmeren Bedingunge­n sorgen für einen Qualitätss­prung in den Kellern am Nordufer des Bodensees. Nicht nur dem Spätburgun­der (Pinot Noir), eine Spezialitä­t der Region, wird deshalb eine glorreiche Zukunft prophezeit. Aufrichts Motto ist jedenfalls anschlussf­ähig: „Wein darf nicht satt machen.“

Wer am Sonntag nach dem ausgiebige­n Frühstück – wir sind in Baden, am Büffet wird großzügig aufgetisch­t – noch ein wenig entspannen will, kann dem See und den Schweizer Alpen vom Außenpool der Therme Meersburg aus Adieu winken.

Auf der Rückfahrt nach Luxemburg bietet sich der piekfein gepflegte Park des Schlosses Salem, etwa 15 Minuten von Meersburg entfernt, für einen kurzen Zwischenst­opp, einen Spaziergan­g und ein Foto für Instagram an.

 ?? ?? Mächtig wie der Mississipp­i: Man könnte Stunden damit verbringen, dem blauen Bodensee und den Schiffen auf ihm zuzuschaue­n.
Mächtig wie der Mississipp­i: Man könnte Stunden damit verbringen, dem blauen Bodensee und den Schiffen auf ihm zuzuschaue­n.
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