Kleine Steinchen, großes Übel
Der zehnjährige Kater Leo war seit seinem letzten morgendlichen Rundgang nur noch ein Schatten seiner selbst. Mit gekrümmtem Rücken versuchte er immer wieder, ohne jeglichen Erfolg, in seiner Streukiste Urin abzusetzen oder zu markieren. Schließlich kroch er hinter den Wäschekorb und rührte sich nicht mehr von der Stelle. Zum Glück hatten seine Besitzer seinen rapiden gesundheitlichen Abwärtstrend mitbekommen und brachten ihn notfallmäßig zur Sprechstunde.
Hier wurde gleich festgestellt, dass die Blase des Samtpföters fast bis ans Zwerchfell reichend gefüllt war, was sowohl über Rückstau zu Nierenproblemen als auch zu einem Blasenriss mit nachfolgender Bauchfellentzündung führen und damit tödlich enden könnte. Des Übels Ursprung ward mit Röntgen und Ultraschall ziemlich schnell gefunden: In Leos Harnblase befanden sich eine größere Menge kleinerer Steinchen, und Harngrieß in erheblichem Ausmaß verstopfte zusätzlich die entzündete Harnröhre. Leo litt unter einer sehr starken Urolithiasis. Eine Krankheit, die bei Katern ungleich schlimmer als bei Kätzinnen verläuft, weil der Penis bei ihnen eine konische Form hat, die zur Spitze immer enger wird, sodass unter ungünstigen Bedingungen mitunter selbst kleinste Partikel nicht mehr ausgeschieden werden können.
Weil die Steinchen auf normalem Weg und mit dem Urin nicht mehr ausgeschieden werden konnten, wurde ein Harnröhrenkatheter gesetzt. Leo verbrachte, mit Antibiotika, schmerz- und krampflösenden Mitteln versorgt, einige Tage an der Infusion in der Praxis. Katheter und die Flüssigkeitstherapie sollten Blase und Harnwege nachhaltig durchspülen helfen. Der Harnkatheter wurde dann entfernt, doch die Harnröhre blieb verstopft und die Nierenwerte waren sogar noch schlechter geworden. So kam es, dass man sich zu einem drastischen Schritt entscheiden musste: Um das Leben des Katers noch zu retten, wurde schließlich eine perineale Urethrotomie, eine Penisamputation, durchgeführt. Während dieses Eingriffs wird ein künstlicher, erweiterter Harnröhrenausgang gelegt. Nach ein paar Kontrolltagen unter häufigem Ultraschall-Check war der gewünschte Erfolg gesichert und Leo konnte wieder durch sein Revier streifen.