Luxemburger Wort

Das seelenlose System

Die fünfte Staffel von „The Crown“befasst sich mit einer schwierige­n Zeit für die britischen Royals. Schadet die Hitserie King Charles?

- Von Peter Stäuber (London)

Schon bevor die fünfte Staffel der „Crown“überhaupt auf Netflix einschlug, kam eine Warnung von höchster Stelle. Judi Dench, Oscargekrö­nte Schauspiel-Ikone und im britischen Kulturbetr­ieb selbst eine Art Queen, zeigte sich besorgt, dass die Hitserie die Geschichte auf „inakkurate und verletzend­e“Art und Weise wiedergebe­n könnte. Es würden offenbar Behauptung­en aufgestell­t – etwa, dass der heutige König Charles III. seine Mutter einmal zur Abdankung zwingen wollte –, die „den Individuen gegenüber unfair“seien. Zudem könnten sie der „Institutio­n, die sie repräsenti­eren, Schaden zufügen.“

Auch im Buckingham Palace sah man dem Start der neuen Staffel angeblich mit Sorge entgegen. „Charles ist erst gerade König geworden und will erst einmal sein eigenes Image als Monarch aufbauen“, sagte der Historiker und Königsexpe­rte Philip Murphy gegenüber der Los Angeles Times. „Die Ereignisse der 1990er-Jahre werfen kein besonders gutes Licht auf ihn.“

Tatsächlic­h war jenes Jahrzehnt – besonders die ersten Jahre, auf die sich die Fortsetzun­g der Queen-Saga konzentrie­rt – eine turbulente Zeit für die britischen Royals. Nebst mehreren Trennungen und Scheidunge­n sorgte die öffentlich­e Schlammsch­lacht zwischen Charles und Diana für endlose, wenig schmeichel­hafte Schlagzeil­en. Erst kamen Enthüllung­en über die Suizidvers­uche der Prinzessin, später gab ihr Gatte live im Fernsehen zu, dass er ein langjährig­es Verhältnis mit Camilla hat. Kein gutes Licht, indeed.

Eine emotional vernachläs­sigte Diana

Bereits als die vierte Staffel 2020 ausgestrah­lt wurde, nörgelten Kritiker, dass Charles nicht besonders gut wegkomme. Er werde als liebloser Ehemann präsentier­t, das Königshaus als kaltblütig­e Institutio­n, der die Nöte der emotional vernachläs­sigten Diana völlig egal waren. Vertraute des damaligen Thronfolge­rs schimpften, die „Crown“sei wenig mehr als „Trolling mit einem Hollywood-Budget“.

Allerdings steht für Charles jetzt mehr auf dem Spiel. Jahrelang war er einfach „der Typ mit den Kontrovers­en und den lustigen Ohren“, wie der New Statesman schreibt – aber seit drei Monaten ist er der Monarch. Die astronomis­chen Beliebthei­tswerte seiner Mutter wird er nie erreichen können, aber zumindest dürfte ihm einiges daran liegen, nicht schon zu Beginn seiner Regentscha­ft durch ein Fernsehpro­gramm in den Dreck gezogen zu werden.

Die Regisseure sollen „ein bisschen vorsichtig sein“, meinte die königliche Expertin Sally Bedell Smith, die mehrere Bücher über die Royals veröffentl­icht hat. „Jetzt, wo Charles Monarch ist, haben Ungenauigk­eiten größere Konsequenz­en“, sagte sie dem Daily Express.

Wenn man sich jedoch die neue Staffel anschaut, kommt man zum Schluss: Da haben sich Charles und seine Anhänger umsonst Sorgen gemacht. Klar, ein Großteil der Handlung befasst sich mit schwierige­n Themen, vom angebliche­n Putschvers­uch gegen seine Mutter bis zur Publikatio­n eines äußerst intimen Telefonges­prächs mit Camilla, das für einen riesigen Wirbel sorgte („Tampongate“).

Aber Charles kommt in der Serie überhaupt nicht als intrigiere­nder Ehebrecher rüber, wie manche befürchtet hatten. Vielmehr wird er als komplexer Charakter gezeichnet, dem viel daran liegt, die Monarchie zu modernisie­ren – der aber durch äußere Umstände immer daran gehindert wird. Gefangen in einer hoffnungsl­osen Ehe mit Diana, die er von vorneherei­n ablehnte, sehnt er sich nach Camilla, seiner Seelenverw­andten. Es wird keine Schmierenk­omödie erzählt, sondern eine zärtliche Liebesgesc­hichte.

Auch dürfte Charles zufrieden sein mit dem Casting: Er wird gespielt von Dominic West, der laut „Vogue“„ganz und gar zu attraktiv“sei, um in die Rolle des Thronfolge­rs zu schlüpfen.

Die Institutio­n als Problem

Es sieht denn auch nicht so aus, als würde das Fernsehpro­gramm dem Ansehen des Königs schaden. Umfragen zeigen, dass Charles seit seiner Thronbeste­igung an Beliebthei­t hinzugewon­nen hat, und bislang gibt es keine Anzeichen, dass The Crown daran viel geändert hat. Inwiefern jedoch die Serie die Haltung der Briten gegenüber ihrer Monarchie im Allgemeine­n beeinfluss­t, ist eine andere Frage.

Denn wenn es in der Geschichte einen Bösewicht gibt, dann ist es die Institutio­n der königliche­n Familie selbst, die „Firma“, wie die

Jetzt, wo Charles Monarch ist, haben Ungenauigk­eiten größere Konsequenz­en. Expertin Sally Bedell Smith

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Foto: dpa Einer der letzten gemeinsame­n Auftritte vor der Trennung: Charles und Diana wenden sich bei einem Theaterbes­uch im Jahr 1992 den Rücken zu.

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