Kapitän gefunden, Team gesucht
Am Ende war die Kür von Luc Frieden für die CSV alternativlos. Zum einen, weil die Partei ihren Regierungsanspruch nur glaubwürdig mit einem nationalen Leader vermitteln kann – so wie es auch DP, LSAP und Déi Gréng tun. Zum anderen, weil sich die Christlich-Sozialen nach zehn Jahren Opposition eingestehen müssen, unter ihren 10 000 Mitgliedern keinen Politiker mit der Statur eines Spitzenkandidaten geformt zu haben, der die oft bemühte Erneuerung verkörpert. Und das Glück einer LSAP, bei der die Pandemie die Frage der Spitzenkandidatur löste, hatte die CSV nicht. So kamen letztlich drei Vertreter der Juncker-Ära infrage: Claude Wiseler, glückloser Spitzenkandidat 2018, Gilles Roth, Co-Fraktionschef mit überschaubarer Popularität, und Luc Frieden.
Es ist eine Chance mit vielen Risiken, der Weg dorthin mit Widerständen gepflastert.
Für den 59-Jährigen tut sich nun die Chance auf, jenes Kapitel seiner politischen Biografie zu vollenden, das schon lange in der Schublade schlummert: Premierminister. Es ist eine Chance mit vielen Risiken, der Weg dorthin mit Widerständen gepflastert. In den vergangenen Tagen konnte Luc Frieden feststellen, dass er gegen ein wenig schmeichelhaftes Image anzukämpfen hat: kaltherziger Law-andOrder-Minister, lustloser Oppositionsabgeordneter, katarfreundlicher Wirtschaftslobbyist. Dass ihn vor allem die Sozialisten verbal ins Visier nahmen, darf nicht überraschen: Sie sehen in Luc Frieden eine ernst zu nehmende Bedrohung für ihre Unternehmung Staatsministerium mit Paulette Lenert – umso mehr als die politischen Überzeugungen des CSV-Spitzenkandidaten größere Schnittmengen mit einer DP aufweisen als mit einer LSAP.
Luc Frieden muss nun bis zum 8. Oktober beweisen, ein Mann der Zukunft zu sein, der den Wählern konkrete Lösungen auf die drängenden gesellschaftlichen Fragen anbietet – und der notfalls auch Krisenmanagement kann (die BGL- und BIL-Rettung 2008/09 geht auch auf sein Konto). Das Ganze aus der Opposition heraus. Und ohne politisches Amt oder Mandat.
Seine Stärke: Eine solide Dossierkenntnis, gepaart mit deutlichen Standpunkten, in Finanz-, Steuer-, Wirtschafts- und Europafragen. Das wird aber nicht reichen. Bei drängenden gesellschaftlichen Fragen wie Klimawandel, Wohnungsbau oder die soziale Schieflage ist der CSV-Spitzenkandidat bis dato ein unbeschriebenes Blatt. Will die CSV diese Themen glaubwürdig besetzen, muss Luc Frieden ausgewiesene Fachleute um sich scharen, die quasi SchattenministerStatus haben für den Fall einer Rückkehr in die Regierung. Den Team-Gedanken (ebenso wie das „S“im Parteinamen) hat der Spitzenkandidat bei seiner Vorstellung denn auch betont. Denn 2018 muss den Christlich-Sozialen eine Lehre sein: Dass Claude Wiseler damals scheiterte, war weniger einer zu frühen Bekanntgabe seiner Spitzenkandidatur geschuldet als einem Wahlkampf, den er allein gegen Blau-Rot-Grün führte.
Kontakt: marc.schlammes@wort.lu