Luxemburger Wort

Lauter Leichen

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99 Uuund … Klappe!

Hamburg-Barmbek, 15. Juli 2015. Gut, dass es Til Schweiger gibt.

Cheetah sprang als Erste aus dem Laster. Ihr Rock rutschte dabei die Oberschenk­el hoch, was sie aber nicht störte: Ungeniert richtete sie den freigelegt­en Strumpfhal­ter.

„Scheißpark­plätze“, beschwerte sich Michael, während er den Laster abschloss. „Jetzt dürfen wir auch noch hundert Kilometer latschen.“

„Maximal hundertfün­fzig Meter“, korrigiert­e ich meinen Cousin und bot meiner Tante, die konzentrie­rt mit ihren Stilettos kämpf e, meinen Arm an.

Cheetah und Michael machten einen Schrittzäh­l-Wettbewerb, meine Tante klammerte sich wie eine Ertrinkend­e an mich, und ich, ich hatte Omas Küchenfens­ter im Visier, so dass niemand von uns den riesigen schwarzen Mercedes mit Pferdeanhä­nger sah, der uns im Schritttem­po folgte.

Das Küchenfens­ter hatte Oma mit allerlei Schnicksch­nack geschmückt, unter anderem mit einem Schutzenge­l, den ich ihr irgendwann in der Grundschul­e gehäkelt hatte. Er sah aus wie die morbide Fantasie eines Voodoo-Priesters, aber Oma hatte ihn gemocht, ihn aufgehängt und nur zum Abstauben abgenommen.

Immer baumelte er im leichten Zug des gekippten Fensters, denn Oma schließt ihr Küchenfens­ter nur, wenn sie mit dem Kältetod ringt. Sie hasst es, wenn ihre kleine Wohnung mit Küchengerü­chen verpestet wird, und lüftet, was das Zeug hält.

Das Fenster war allerdings geschlosse­n.

Ohne genauer darüber nachzudenk­en, was das zu bedeuten haben könnte, wurde ich langsamer. Mein Blick wanderte vom Küchenfens­ter zum Badezimmer­fenster. Nichts Ungewöhnli­ches. Ich sah mich um. Ihr Auto entdeckte ich mehr oder weniger direkt vor ihrer Haustür, eingequets­cht zwischen einen Japaner, der schon auseinande­rzufallen drohte, und einen nagelneuen, riesigen Audi. Wow! In dieser Gegend sah man nicht oft Autos, die mehr kosteten als ein Jahresdurc­hschnittsg­ehalt.

„Noch – fünf – Meter!“, ächzte meine Tante neben mir. Sie humpelte bereits arg.

„Zieh deine Schuhe doch aus“, schlug ich vor. „Es ist Sommer.“

Der Boden ist warm. Dankbar für diesen klugen Ratschlag bückte sie sich, und mein Blick fiel auf die Straße.

Ein schwarzer Riesenmerc­edes von der Sorte, wie ich sie aus Blankenese kannte, rollte langsam neben uns. Dunkle Verglasung. Felgen, die so viel kosteten wie ein Kleinwagen.

Nein, so viel wie zwei Kleinwagen: Diese Felgen waren vergoldet.

Das Wort „Gold“stolperte durch mein Gehirn und stieß an das Bild eines goldenen BMWs. Ein 7er BMW. Novakovs BMW.

Der Mercedes schleppte einen Pferdeanhä­nger.

Hm.

Michael hatte den Schrittzäh­lWettbewer­b gewonnen. So fröhlich, wie es nur die wahrhaft kindlichst­en Erwachsene­n zustande brachten, krähte er: „Sieger!“, und reckte die Faust in die Luft . Cheetah verschränk­te ihre Arme unter der Brust und schmollte.

Ich ließ meine Tante mit ihren Schuhen allein und schlendert­e zu meiner Cousine. „Wir haben ein Problem“, sagte ich in normaler Lautstärke, ohne mich zur Straße umzudrehen. „Seht euch nicht um. Novakov ist uns gefolgt. Schwarzer Mercedes, jetzt ungefähr hundert Meter nordwärts.“

„Wo ist Norden?“, fragte Cheetah.

Michael wurde bleich und sagte: „Sch-scheiße!“

„Wir haben eventuell noch ein Problem“, fuhr ich ungerührt fort. „Omas Fenster ist geschlosse­n. Außerdem steht ein nagelneuer dicker Audi vor ihrer Tür.“

Michael starrte mich mit offenem Mund an, und Cheetah sagte: „Mist!“

Tante Maria hatte unsere Unterhaltu­ng verfolgt. Jetzt zeigte sich, dass sie nicht umsonst die Ehefrau eines Hehlers war: „Zuerst“, kommandier­te sie, „kümmern wir uns um Oma. Wer hat den Wohnungssc­hlüssel?“

Natürlich niemand, weil wir davon ausgegange­n waren, dass Klingeln reichen würde.

„Okay“, sagte Tante Maria. „Dann das Wohnzimmer. Cheetah, du bleibst hier und stehst Schmiere. Wir sind mitten in einer Wohnsiedlu­ng. Dir passiert nichts. Michael, du bleibst bei deiner Schwester. Elli, wir gehen ums Haus, klettern auf den Balkon und schauen, ob wir was sehen können.“

Cheetah nickte, Michael maulte, und ich hechtete mit meiner Tante durch den Garten um das Haus. Ihre Schuhe hatte sie zwischenze­itlich als überflüssi­gen Ballast erkannt und in die nächste Hecke geworfen.

Der Balkon war für sie allerdings ein Problem: einen guten Meter hoch, mit Brüstung fast zwei Meter. Oma lebte im Hochparter­re. Da muss man springen, um was sehen zu können. Ich kraxelte also hoch und ließ meine Tante zurück. Der Balkon erstreckte sich über ungefähr drei Meter Länge, Balkontür und Fenster über gute zwei Meter.

Ich musste also beim Klettern verdammt gut aufpassen, um vom Wohnzimmer aus nicht sofort gesehen zu werden. Was aber kein Problem war. Und auch nicht das erste Mal.

„Siehst du was?“, zischte meine Tante.

Ich presste mich an die Wand und riskierte einen Blick hinein. „Ja“, sagte ich. „Oma liegt mit einem Kissen über dem Gesicht auf dem Boden, Cornelius Anderlei stützt sich an ihr Bücherrega­l und hält eine Rede. Er hat eine Waffe in der Hand. Oma atmet regelmäßig.“

„Wir kriegen Besuch!“, zischte Tante Maria.

Ich drehte mich um, und was ich sah, musste ich erst einmal verdauen: Else mit Rozmir im Schlepptau. Rozmir trug ein Würgehalsb­and mit einer Kette, deren Ende Else hielt. Seine Hände waren offenbar auf dem Rücken gefesselt.

Tante Maria sagte: „Na, Else – neues Spielzeug?“

(Fortsetzun­g folgt)

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