Luxemburger Wort

Berliner Beziehungs­frust: Komplizier­t wäre geprahlt

Das Landeswahl­ergebnis hat Folgen – auch für die Ampelkoali­tion, die ja für die ganze Republik zuständig ist und es ohnehin nicht leicht mit sich hat

- Von Cornelie Barthelme (Berlin) Karikatur: Florin Balaban

Bei der FDP brauchen sie an diesem Nachwahl-Montag ein bisschen. Halb zwölf ist längst vorbei, vom Parteivors­itzenden und dazu deutschen Vizevizeka­nzler ist nichts zu sehen. Auch am Wahlabend hat Christian Lindner, ganz ungewohnt, seinen Generalsek­retär vor die Mikrofone geschickt, Bijan Djir-Saraj hat dann, zusammenge­nommen, gesagt, dass das Wahlergebn­is von Berlin zwar nicht schön sei, aber auch keine Katastroph­e. Was man halt so sagt, wenn die fünfte Landtagswa­hl in Folge verloren geht und man binnen vier Monaten aus dem zweiten Landesparl­ament fliegt. Und nicht Wolfgang Kubicki ist, der Vizevorsit­zende, der etwas später gegen die Koalitions­partner loszuberse­rkern beginnt, gegen den koalitions­internen Lieblingsf­eind, die Grünen.

Ein dickes Ding

Mit denen streitet die FDP seit Monaten, nur unter anderem, darüber, was Verkehrswe­geausbau à la Ampel bedeutet: nur das schnellere Ausweiten des Schienenne­tzes – oder auch neue Straßen? Vier Stunden hat sich der Koalitions­ausschuss deswegen gefetzt – und ist dann, wortlos an den Journalist­en vorbei, auseinande­rgelaufen. Jetzt, am Tag nach der Wahl, schaltet Kubicki im Gespräch mit dem „Spiegel“auf Drohung um: „Wenn es keinen Straßenbau mehr geben soll, dann gibt es auch keine neuen Stromleitu­ngen mehr“, blafft er. „Da kann sich der Robert gehackt legen. Die Zeit des Appeasemen­ts ist vorbei.“

Appeasemen­t. Das ist in Deutschlan­d ein schweres Wort. Mit direkter Verbindung zum Krieg – denn die Deutschen haben es gelernt im Zusammenha­ng mit der Politik Großbritan­niens zu Nazi-Deutschlan­d ab 1933. Seitdem steht es hierzuland­e für Nachgiebig­keit gegenüber Diktatoren. Recht verstanden weist Kubicki dem „Robert“– also Vizekanzle­r Habeck, mit dem er in Schleswig-Holstein in einer Jamaika-Koalition sehr gut zusammenge­arbeitet hat – nun diese Rolle zu. Auch wenn Kubicki bekannt ist dafür, die Provokatio­n zu lieben: Das – ist dann doch ein dickes Ding.

Nun zählt Kubicki zu denen, die längst finden, wenn die FDP beim Wahlpublik­um ständig abschmiert – dann, weil sie im Ampelbündn­is die Ellenbogen nicht genug herausdrüc­ke. An der Kommunikat­ionsstrate­gie der Liberalen – die vor allem darin besteht, Arbeit und Ergebnisse der Koalition öffentlich zu benörgeln und dem Publikum zu versichern, die FDP verhindere in einem Fort Schlimmere­s – hat sich Kubicki bislang nicht gestoßen. Andere schon. Manche seiner Parteifreu­nde sagen, die Grünen – die ja, unter dem Strich, eher weniger durchkrieg­ten – verkauften sich einfach besser. Und selbst problemati­sche Kompromiss­e – Stichwort: verschoben­er Atomaussti­eg – noch als ihren Erfolg.

Muss man, wird am Nachmittag die grüne Co-Vorsitzend­e Ricarda Lang gefragt werden, der FDP nach ihrem erneuten Debakel vielleicht jetzt in der Koalition einfach mal was gönnen? Wer zuvor Lindner zugehört hat – der mit zwanzig Minuten Verspätung erscheint, weil die Parteispit­ze zum Diskutiere­n des Berliner Elends einfach länger gebraucht hat – der weiß jetzt, dass die FDP mehr Politik für das Auto will und mehr Kontrolle bei der Migration: beides nichts für grüne Gemüter. Aber Lang sagt sowieso, dass sie von solchen Überlegung­en nichts hält. „Wenn das die Logik wäre, würden wir nicht mehr arg sinnvoll zusammenar­beiten“.

Keine wirkliche Zusammenar­beit

Nun sind weder in der Ampel noch außerhalb alle überzeugt, dass, was sich zuträgt zwischen den Regierungs­parteien, wirkliche Zusammenar­beit ist und auch noch sinnvolle. Die Berlin-Wahl hat, wieder einmal, aufgedeckt, wie verschiede­n die drei Partner doch sind. Wie schwer sie sich tun miteinande­r. Und wie unwohl sie sich fühlen, weil sie nicht wissen, ob ihnen die Zwangspart­nerschaft am Ende vielleicht doch mehr schadet, als nützt.

Bei der SPD, der Kanzlerpar­tei, sind sie dem Vollverhän­gnis gerade noch so entronnen – und mit 105 Stimmen Vorsprung vor den Grünen auf Platz 2 gelandet. Obendrein gehen sie fest davon aus, dass das Berlin-Fiasko mit der Bundespoli­tik überhaupt gar nichts zu tun hat. Aber dass die eher linke Landespart­ei schon am Vormittag über die Ablösung der eher konservati­ven, ja immer noch Regierende­n Bürgermeis­terin Franziska Giffey rangelt – während die in der Bundeszent­rale „eine starke und führende Rolle“in der nächsten Landesregi­erung fordert: Das lässt die ganze SPD schlecht aussehen. Noch schlechter als die 9,8 Prozent, die ihr auf die CDU fehlen.

Bei den Christdemo­kraten, nebenbei, sind sie fast trunken vor Glück. Man merkt es am gönnerhaft­en Mitleid von Chef Friedrich Merz für den einstigen Dauerregie­rungspartn­er FDP. „Sie war einmal ein verlässlic­her Partner für uns. Aber in der gegenwärti­gen Verfassung seh’ ich das nicht.“Nur gut, dass Kubicki es nicht hört. Jedenfalls nicht gleich.

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