Warum die Berlinale auch für Luxemburg so wichtig ist
Sechs Einblicke in das Festival, das nicht nur den Luxemburger Filmschaffenden viel Raum gibt, sondern sich auch politisch einmischt
Am 16. Februar ist es offiziell so weit: Die Berlinale 2023 wird eröffnet. Aber schon längst hat das Filmtreffen seine Schatten vorausgeworfen – und es gibt viel Diskussionsstoff, der mit dem politischen Engagement des Festivals zusammenhängt. Und das drückt das Team auch ganz offiziell aus: „Filmfestivals sind Orte, an denen die Meinungsfreiheit, die Freiheit der Kunst und der friedliche Dialog gestärkt werden. Angesichts des andauernden Angriffskrieges auf die Ukraine und der mutigen Proteste im Iran wie auch in vielen anderen Regionen der Welt, möchte die Berlinale 2023 ganz besonders für diese demokratischen Werte stehen und an die weltweiten Opfer von Krieg, Zerstörung und Unterdrückung erinnern.“
Daneben ist aber auch ein Aufatmen zu spüren: Nach der Pandemie kann in Berlin wieder ein Austausch vor Ort und der große Rummel um die Stars stattfinden. Denn die direkte Vertrauensarbeit und persönliche Verbundenheit bleibt ein wichtiges Pfund in der Branche.
Luxemburg bekommt eine große Plattform
Drei Filme haben es in die Wettbewerbsreihen des Festivals geschafft: Zum ersten Mal seit vier Jahrzehnten ist Margarethe von Trotta („Die bleierne Zeit“, „Hannah Arendt“) wieder im Hauptwettbewerb von Berlin vertreten. Sie zeigt „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“mit der Luxemburgerin Vicky Krieps in der Hauptrolle – koproduziert und teilweise gedreht im Großherzogtum (Produktionsfirma Amour Fou).
Der animierte Spielfilm des italienisch-luxemburgischen Regisseurs Enzo D’Alò, der von Paul Thiltges Distributions (Adrien Chef und Paul Thiltges) produziert wurde, läuft in der Jugendreihe „Generation Kplus“. Und für den Film der Iranerin Sarpideh Farsi „La Sirène“, der die Wettbewerbsreihe „Panorama“prominent sichtbar eröffnet.
Auf dem European Film Market, dem Businesstreffen des Festivals, wird die luxemburgisch-österreichische Firma Amour um Bady Minck und Alexander Dumreicher-Ivanceanu dank der Aufnahme in das „Company Matching Programm“als internationaler Produktionspartner in den Vordergrund gerückt.
Ady El Assal und sein neues Filmprojekt „Hooped“bekommen auf dem Markt unter den „Talent Project Market Projects and Selected Producer Talents“eine wichtige Ausgangsbasis, um Partner zu werben und den Film auch wirklich produzieren zu können.
Radu Jude, der 2021 mit seinem in Luxemburg koproduzierten Film „Bad Luck Banging Or Loony Porn“(ebenfalls Paul Thiltges Distributions) den Goldenen Bären erringen konnte, sitzt in diesem Jahr in der Jury des Hauptwettbewerbs. Er arbeitete bis kurz vor dem Start in Richtung Berlin noch an seinem neusten Filmprojekt in Luxemburg. Auch das wird für Aufmerksamkeit sorgen.
Endlich wieder Starrummel
Eröffnet wird die Berlinale am Donnerstag mit der Komödie „She Came to Me“mit Peter Dinklage, Marisa Tomei und Anne Hathaway. Und mit diesen Stars startet auch der Trubel auf dem Roten Teppich.
Erwartet werden aber auch die Schauspielerinnen Cate Blanchett und Helen Mirren, Regisseur Sean Penn, Musiker Bono, die Schauspieler Peter Dinklage, John Malkovich und Willem Dafoe sowie der Comedian Felix Lobrecht. Regisseur Steven Spielberg soll in Berlin für sein Lebenswerk ausgezeichnet und einer eigenen Hommage-Filmreihe geehrt werden, die Schauspielerin Kristen Stewart („Twilight“) wird die Internationale Jury leiten. Sie ist die jüngste Berlinale-Jurypräsidentin aller Zeiten.
Fokus auf den Iran
Der Iran, wo der Regisseur Jafar Panahi („Taxi Teheran“) und der Berlinale-Gewinner 2020 Mohammed Rassulof in den letzten Tagen freigelassen wurden, ist starkes Thema in den Wettbewerbsreihen. Die eingeladenen Filmemacherinnen und -macher verstehen sich zum großen Teil als Sprachrohr für Künstler im Widerstand und für die Revolution im Land.
Neben den Präsentationen in den Festivalsektionen werden sich Diskussionsrunden mit den Entwicklungen der Protestbewegung gegen das Regime beschäftigen, die seit September ausgebrochen ist. Sepideh Farsi, Regisseurin der Luxemburger Koproduktion „La Sirène“, ist zum Beispiel bei einem Sonderpanel der Berlinale mit der Hilfsorganisation HÁWAR.help dabei. Die Hauptfrage der Runde: „Welche Rolle spielen Film und Kunst in der iranischen Revolution?“
Zudem wird am 18. Februar eine Solidari
Die direkte Vertrauensarbeit und persönliche Verbundenheit bleibt ein wichtiges Pfund in der Branche.
tätsdemonstration mit dem Iran auf dem Roten Teppich am Berlinale Palast stattfinden. Die französisch-iranische Schauspielerin Golshifteh Farahani ist Mitglied der Jury, die den Goldenen und den Silbernen Bären vergibt.
Fokus auf die Ukraine
Dass der Krieg in der Ukraine ein zentrales Thema wird, zeigt sich unter anderem beim Film „Superpower“. Hollywoodstar Sean Penn hat dafür den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen. Über das Projekt war im vergangenen Jahr öfter geschrieben worden. Nun soll der Dokumentarfilm bei der Berlinale seine Weltpremiere feiern.
Die Arbeit am Film hatte schon vor Kriegsbeginn angefangen. Als Russland die Ukraine im Februar 2022 dann angriff, drehten Sean Penn und der Koregisseur Aaron Kaufman gerade in Kiew. Während der Berlinale jährt sich nun der Kriegsbeginn. Ein eigens produzierter bärenförmiger Anstecker zeigt die ukrainischen Nationalfarben, eine Demonstration zur Solidarität mit der Ukraine ist terminiert. Bei der Eröffnungsgala der Berlinale soll laut Informationen der Nachrichtenagentur dpa Selenskyj per Video zu Wort kommen.
Endlich wieder ohne Corona
Während im Vorjahr noch Pandemiebeschränkungen galten, sollen die Kinos bei den öffentlichen Vorstellungen des weltgrößten Publikumsfestivals diesmal wieder voll besetzt werden. Vor den Einschränkungen waren 2020 etwa 330 000 Tickets verkauft worden. Das zeigt auch die Dimension des Festivals weit über die Brancheninsider hinaus. Bei den Karten behält die Berlinale den Onlineverkauf aber bei. Ein Bild, das viele von früher kennen, wird es also nicht mehr geben: Menschen, die mit Schlafsack und wärmenden Getränken stundenlang vor den Schaltern warten, um ein Ticket zu ergattern.
Weiblich, divers und inklusiv
„Die Berlinale engagiert sich für Vielfalt, Teilhabe und Barriereabbau und arbeitet stetig daran, inklusive Angebote weiterzuentwickeln. Den Rahmen für das soziale Miteinander während des Festivals bildet der Verhaltenskodex Antidiskriminierung. Um diesen umzusetzen, steht wieder ein AwarenessTeam von ausgebildeten Antidiskriminierungsberaterinnen und -beratern bereit“, so das Festival. Das hat konkrete Auswirkungen.
Die Programmauswahl wurde wie auch schon in den letzten Jahren auf die Geschlechterverteilung ausgewertet. Der Anteil der Filme 2023 mit mehrheitlich weiblicher Regie ist im Programm höher als bei den Einreichungen generell (34,8 Prozent in der Auswahl zu 33 Prozent bei den Einreichungen). Das zeigt, wie stark das Festival für Frauen und den immer stärken Anteil non-binärer Filmschaffenden Engagement zeigen will.
Zudem gibt es den queeren Filmpreis Teddy, der Sichtbarkeit für LGBTIQ+-Themen im Festival schafft – und außerdem hält das Festival auf einer eigenen Berlinale-Inklusionseite Ticketangebote für Menschen mit Behinderungen und andere unterstützende Angebote bereit.
Für den Film „Superpower“hat Hollywoodstar Sean Penn hat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen.