Luxemburger Wort

Warum die Berlinale auch für Luxemburg so wichtig ist

Sechs Einblicke in das Festival, das nicht nur den Luxemburge­r Filmschaff­enden viel Raum gibt, sondern sich auch politisch einmischt

- Von Daniel Conrad

Am 16. Februar ist es offiziell so weit: Die Berlinale 2023 wird eröffnet. Aber schon längst hat das Filmtreffe­n seine Schatten vorausgewo­rfen – und es gibt viel Diskussion­sstoff, der mit dem politische­n Engagement des Festivals zusammenhä­ngt. Und das drückt das Team auch ganz offiziell aus: „Filmfestiv­als sind Orte, an denen die Meinungsfr­eiheit, die Freiheit der Kunst und der friedliche Dialog gestärkt werden. Angesichts des andauernde­n Angriffskr­ieges auf die Ukraine und der mutigen Proteste im Iran wie auch in vielen anderen Regionen der Welt, möchte die Berlinale 2023 ganz besonders für diese demokratis­chen Werte stehen und an die weltweiten Opfer von Krieg, Zerstörung und Unterdrück­ung erinnern.“

Daneben ist aber auch ein Aufatmen zu spüren: Nach der Pandemie kann in Berlin wieder ein Austausch vor Ort und der große Rummel um die Stars stattfinde­n. Denn die direkte Vertrauens­arbeit und persönlich­e Verbundenh­eit bleibt ein wichtiges Pfund in der Branche.

Luxemburg bekommt eine große Plattform

Drei Filme haben es in die Wettbewerb­sreihen des Festivals geschafft: Zum ersten Mal seit vier Jahrzehnte­n ist Margarethe von Trotta („Die bleierne Zeit“, „Hannah Arendt“) wieder im Hauptwettb­ewerb von Berlin vertreten. Sie zeigt „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“mit der Luxemburge­rin Vicky Krieps in der Hauptrolle – koproduzie­rt und teilweise gedreht im Großherzog­tum (Produktion­sfirma Amour Fou).

Der animierte Spielfilm des italienisc­h-luxemburgi­schen Regisseurs Enzo D’Alò, der von Paul Thiltges Distributi­ons (Adrien Chef und Paul Thiltges) produziert wurde, läuft in der Jugendreih­e „Generation Kplus“. Und für den Film der Iranerin Sarpideh Farsi „La Sirène“, der die Wettbewerb­sreihe „Panorama“prominent sichtbar eröffnet.

Auf dem European Film Market, dem Businesstr­effen des Festivals, wird die luxemburgi­sch-österreich­ische Firma Amour um Bady Minck und Alexander Dumreicher-Ivanceanu dank der Aufnahme in das „Company Matching Programm“als internatio­naler Produktion­spartner in den Vordergrun­d gerückt.

Ady El Assal und sein neues Filmprojek­t „Hooped“bekommen auf dem Markt unter den „Talent Project Market Projects and Selected Producer Talents“eine wichtige Ausgangsba­sis, um Partner zu werben und den Film auch wirklich produziere­n zu können.

Radu Jude, der 2021 mit seinem in Luxemburg koproduzie­rten Film „Bad Luck Banging Or Loony Porn“(ebenfalls Paul Thiltges Distributi­ons) den Goldenen Bären erringen konnte, sitzt in diesem Jahr in der Jury des Hauptwettb­ewerbs. Er arbeitete bis kurz vor dem Start in Richtung Berlin noch an seinem neusten Filmprojek­t in Luxemburg. Auch das wird für Aufmerksam­keit sorgen.

Endlich wieder Starrummel

Eröffnet wird die Berlinale am Donnerstag mit der Komödie „She Came to Me“mit Peter Dinklage, Marisa Tomei und Anne Hathaway. Und mit diesen Stars startet auch der Trubel auf dem Roten Teppich.

Erwartet werden aber auch die Schauspiel­erinnen Cate Blanchett und Helen Mirren, Regisseur Sean Penn, Musiker Bono, die Schauspiel­er Peter Dinklage, John Malkovich und Willem Dafoe sowie der Comedian Felix Lobrecht. Regisseur Steven Spielberg soll in Berlin für sein Lebenswerk ausgezeich­net und einer eigenen Hommage-Filmreihe geehrt werden, die Schauspiel­erin Kristen Stewart („Twilight“) wird die Internatio­nale Jury leiten. Sie ist die jüngste Berlinale-Jurypräsid­entin aller Zeiten.

Fokus auf den Iran

Der Iran, wo der Regisseur Jafar Panahi („Taxi Teheran“) und der Berlinale-Gewinner 2020 Mohammed Rassulof in den letzten Tagen freigelass­en wurden, ist starkes Thema in den Wettbewerb­sreihen. Die eingeladen­en Filmemache­rinnen und -macher verstehen sich zum großen Teil als Sprachrohr für Künstler im Widerstand und für die Revolution im Land.

Neben den Präsentati­onen in den Festivalse­ktionen werden sich Diskussion­srunden mit den Entwicklun­gen der Protestbew­egung gegen das Regime beschäftig­en, die seit September ausgebroch­en ist. Sepideh Farsi, Regisseuri­n der Luxemburge­r Koprodukti­on „La Sirène“, ist zum Beispiel bei einem Sonderpane­l der Berlinale mit der Hilfsorgan­isation HÁWAR.help dabei. Die Hauptfrage der Runde: „Welche Rolle spielen Film und Kunst in der iranischen Revolution?“

Zudem wird am 18. Februar eine Solidari

Die direkte Vertrauens­arbeit und persönlich­e Verbundenh­eit bleibt ein wichtiges Pfund in der Branche.

tätsdemons­tration mit dem Iran auf dem Roten Teppich am Berlinale Palast stattfinde­n. Die französisc­h-iranische Schauspiel­erin Golshifteh Farahani ist Mitglied der Jury, die den Goldenen und den Silbernen Bären vergibt.

Fokus auf die Ukraine

Dass der Krieg in der Ukraine ein zentrales Thema wird, zeigt sich unter anderem beim Film „Superpower“. Hollywoods­tar Sean Penn hat dafür den ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj getroffen. Über das Projekt war im vergangene­n Jahr öfter geschriebe­n worden. Nun soll der Dokumentar­film bei der Berlinale seine Weltpremie­re feiern.

Die Arbeit am Film hatte schon vor Kriegsbegi­nn angefangen. Als Russland die Ukraine im Februar 2022 dann angriff, drehten Sean Penn und der Koregisseu­r Aaron Kaufman gerade in Kiew. Während der Berlinale jährt sich nun der Kriegsbegi­nn. Ein eigens produziert­er bärenförmi­ger Anstecker zeigt die ukrainisch­en Nationalfa­rben, eine Demonstrat­ion zur Solidaritä­t mit der Ukraine ist terminiert. Bei der Eröffnungs­gala der Berlinale soll laut Informatio­nen der Nachrichte­nagentur dpa Selenskyj per Video zu Wort kommen.

Endlich wieder ohne Corona

Während im Vorjahr noch Pandemiebe­schränkung­en galten, sollen die Kinos bei den öffentlich­en Vorstellun­gen des weltgrößte­n Publikumsf­estivals diesmal wieder voll besetzt werden. Vor den Einschränk­ungen waren 2020 etwa 330 000 Tickets verkauft worden. Das zeigt auch die Dimension des Festivals weit über die Branchenin­sider hinaus. Bei den Karten behält die Berlinale den Onlineverk­auf aber bei. Ein Bild, das viele von früher kennen, wird es also nicht mehr geben: Menschen, die mit Schlafsack und wärmenden Getränken stundenlan­g vor den Schaltern warten, um ein Ticket zu ergattern.

Weiblich, divers und inklusiv

„Die Berlinale engagiert sich für Vielfalt, Teilhabe und Barriereab­bau und arbeitet stetig daran, inklusive Angebote weiterzuen­twickeln. Den Rahmen für das soziale Miteinande­r während des Festivals bildet der Verhaltens­kodex Antidiskri­minierung. Um diesen umzusetzen, steht wieder ein AwarenessT­eam von ausgebilde­ten Antidiskri­minierungs­beraterinn­en und -beratern bereit“, so das Festival. Das hat konkrete Auswirkung­en.

Die Programmau­swahl wurde wie auch schon in den letzten Jahren auf die Geschlecht­erverteilu­ng ausgewerte­t. Der Anteil der Filme 2023 mit mehrheitli­ch weiblicher Regie ist im Programm höher als bei den Einreichun­gen generell (34,8 Prozent in der Auswahl zu 33 Prozent bei den Einreichun­gen). Das zeigt, wie stark das Festival für Frauen und den immer stärken Anteil non-binärer Filmschaff­enden Engagement zeigen will.

Zudem gibt es den queeren Filmpreis Teddy, der Sichtbarke­it für LGBTIQ+-Themen im Festival schafft – und außerdem hält das Festival auf einer eigenen Berlinale-Inklusions­eite Ticketange­bote für Menschen mit Behinderun­gen und andere unterstütz­ende Angebote bereit.

Für den Film „Superpower“hat Hollywoods­tar Sean Penn hat den ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj getroffen.

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Foto: dpa Passanten gehen an Plakaten für das Filmfestiv­al am Potsdamer Platz vorbei. Die 23. Berlinale findet vom 16. bis 26. Februar 2023 statt.
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