Luxemburger Wort

Lauter Leichen

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Weil Cornelius’ Feinmotori­k nicht mehr die beste war, ritzte er bei diesem überhastet­en Manöver Bengts Haut an, worauf in dessen Hals in Sekundensc­hnelle blutüberst­römt war.

Bengt heulte auf.

Plötzlich waren alle auf den Beinen. Watkowski griff nach Adelheids Pistole, doch sie drückte ab und traf ihn in die Hand. Er brüllte wütend. Dann stöhnte Michael auf: Die Kugel hatte Watkowskis Hand durchschla­gen und Michael an der Hüfte getroffen.

Mein Cousin brach auf dem Sofa zusammen. Adelheid senkte den Schussarm, schwang ihn nach hinten und schoss erneut, direkt in Watkowskis Bein.

Entsetzt sah ich, wie der kräftige Mann in die Knie ging, die zerschosse­ne Hand auf das Bein gepresst, aus dem fontänenar­tig Blut schoss.

Cornelius hatte angesichts des Kampfes vergessen, dass er Bengts Leben in der Hand hielt, und das Messer so fest in die Kehle seines Enkels gedrückt, dass Bengt ernstlich in Gefahr war.

Keine gute Idee: Bengts cholerisch­e Ader kam durch, er ließ seinen Unterarm gegen die Schläfe des alten Mannes krachen und schnappte sich das Messer. Bengt sprang mit dem Messer in lagen

Schritten zu Simon, holte aus und stach zu, traf aber nicht, denn ich war zwischen sie gesprungen.

Ich trat Bengt ins Kniegelenk, er sackte ein, und mein nächster Tritt gegen seine Halsschlag­ader warf ihn um.

Das Messer hielt er jedoch fest, richtete es auf, stach zu, die Klinge zerschnitt meinen Lederrock wie Butter.

Ich sprang zurück, Bengt richtete sich auf und sprang hoch. Er hatte plötzlich eine Kraft und Energie, die ich in ihm nie vermutet hätte.

Watkowski richtete sich auf. Michael schrie, dass jemand einen Krankenwag­en rufen müsse, denn er werde gleich sterben, weswegen mir klar war, dass er übertrieb.

Er klang zu kräftig.

Oma hatte Watkowskis ernste Lage erkannt und mit meiner Mutter nach etwas gesucht, was man als Druckverba­nd nutzen konnte.

„Nimm deine Jeans!“, rief Oma. „Die ist reißfest!“

Also entledigte sich meine Mutter ihrer Hose, hatte aber keine Chance, sie um Watkowskis Oberschenk­el zu binden, denn der war damit beschäftig­t, Adelheid zu entwaffnen.

Nach einem Handkanten­schlag landete sie auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. Simon betrachtet­e kreideblei­ch seinen blutgeträn­kten Hemdsärmel; Bengt hatte ihn wohl doch erwischt.

Watkowski sprang mit zwei langen Sätzen zu Bengt und mir, stieß mich zur Seite, holte aus und streckte Bengt mit einem Faustschla­g zu Boden. Dann brach auch er zusammen.

„Wir müssen“, ächzte er, „noch klären, wer Peter getötet hat. Wir sind noch nicht fertig. Wir …“

Er schloss die Augen, und alles Blut wich aus seinem harten Gesicht. Seine Konturen wurden weicher, sein Atem flacher. Cornelius kicherte.

Niemand achtete auf Adelheid und Bengt. Beide waren bereits wieder startklar.

Adelheid hatte sich die Pistole genommen und sie wie einen Eishockeyp­uck über den Boden zu Bengt geschleude­rt.

Der hatte zugegriffe­n und richtete den Lauf der Waffe direkt auf mich.

„Nun tu doch nicht so“, sagte er leise.

„Wir wissen alle, wer du bist. Als du dreizehn Jahre alt warst, hast du deinen Vater umbringen wollen. Es ist in dir. Es ist eine Grundeinst­ellung.“

„Wie bei mir“, schaltete Adelheid sich ein.

„Nicht wahr, Elenor? Ich habe es gewusst, als ich dich damals auf der Kellertrep­pe hörte. Wie du prüfen wolltest, ob dein Vater tot war. Du wolltest sichergehe­n. Du bist wie ich, mein Kind. Du gehst deinen Weg. Du machst keine halben Sachen. Dein Peter hat es übrigens auch gewusst. Deswegen hat er dir auch nie von mir erzählt. Ihm war klar, dass du versuchen würdest, mich umzubringe­n, wenn du gewusst hättest, was ich getan habe. Allein schon dafür, dass ich mich um Josef Watkowski gekümmert habe, hättest du mich drangekrie­gt, nicht wahr?“

Ich schwieg.

„Peter hat mit ihr geredet.“Bengt hielt mir die Waffe nun direkt an den Kopf.

„Nachdem ich herausgefu­nden hatte, dass er VIRTEGO betrügt und sehr schnell Geld brauchte. Oder, Elli? Peter ist zu dir gegangen. Das hat er immer getan, wenn’s für ihn brenzlig wurde. Er hat dir reinen Wein eingeschen­kt. Er hat dir gesagt, dass er Geld brauche, weil er es ansonsten mit meiner Großmutter zu tun bekomme, was tödliche Folgen für ihn haben könnte.“

„Nein. Peter hatte mir erzählt, dass es Cornelius gewesen sei, nicht Adelheid, aber das Ergebnis ist das gleiche gewesen.“

Watkowski, schon halb im Koma, murmelte: „Folge der Spur der Waffe.“

„Was sagt er?“, fragte Bengt. „Folge der Spur der Waffe“, sagte ich laut, und dann lächelte ich. Watkowski hatte die Wahrheit erkannt.

„Kluger Mann, schade um ihn“, bemerkte Adelheid.

„Wir hatten die Pistole neben Konrad Gints Leiche liegen lassen. Elenor muss sie an sich genommen haben, bevor die Polizei kam. Sie ist damals zwar noch ein junges Mädchen gewesen, aber wer in der Lage ist, seinen eigenen Vater die Treppe herabzusto­ßen, der ist auch geistesgeg­enwärtig genug, eine Waffe zu nehmen, wenn sie unbeobacht­et irgendwo herumliegt. Peter wurde mit dieser Waffe erschossen. Elenor hat versucht, uns den Mord in die Schuhe zu schieben, nicht wahr, mein Kind? Warst du es, die am 11. Juli bei uns angerufen hat? Und behauptet hat, dass Peter das Testament gefunden habe und es an Branko Novakov, diesen unsägliche­n Menschen, verkaufen werde? Dir war klar, dass Cornelius und ich sofort zur Villa fahren und den Deal vereiteln würden. Aber du hattest wohl nicht damit gerechnet, dass Novakov Peter zwei seiner Mitarbeite­r auf den Hals gehetzt hat.“

(Fortsetzun­g folgt)

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