Kontraste als Markenzeichen
Wie der Abend um die Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Christoph König besonders wegen der Kontraste überzeugen will
Christoph König setzt nach: Der Chefdirigent der Solistes Européens (SEL) ist seit 2010 im Amt – und hat mit seinen Initiativen und auch hörbaren Ausrufezeichen für das Ensemble eine Grundlage geschaffen, sich im dichtgedrängten Luxemburger Konzertbetrieb zu behaupten. Wenn der aktuelle Programmtitel mit „ersten und letzten Dingen“den nächsten SEL-Abend überschreibt, ist damit aber nicht etwa ein Abschied gemeint. Im Gegenteil: König fühlt sich in seinem Kurs bestätigt und setzt auf kontrastreiche Denkanstöße.
Christoph König, „Von ersten und letzten Dingen“– das klingt als Konzerttitel so grundsätzlich, fast biblisch. Wie sehen Sie dieses Projekt?
Natürlich muss man immer auf verschiedenen Ebenen ansetzen, weil das Publikum ja ganz heterogen ist. Aber ich denke schon, dass es schön und reizvoll ist, wenn man in unseren Konzerten ein bisschen von anderen Dingen oder wichtigen Dingen spürt oder hört. Insbesondere das Stück „Verklärte Nacht“von Schönberg ist ein Extrembeispiel für Situationen, in denen Menschen in ihrem Leben und Erleben auf besondere Umstände stoßen. Grundlage ist das Gedicht von Richard Dehmel.
Und da geht es im Grunde darum, dass ein Mann eine Frau liebt. Aber diese Frau erwartet ein Kind – von einem anderen. Das klingt in Zeiten von Patchworkfamilien heute vielleicht nicht mehr so extrem. Aber letztlich stoßen wir gestern und heute an Grenzerfahrungen. Emotionale Erfahrungen, die sich nicht vom Intellektuellen fassen lassen. Schönberg gibt dieser Extremsituation einen epischen Zauber.
Aber wie passen dann Bach und Haydn im weiteren Programmverlauf da herein?
Für die beiden Violinkonzerte von Johann Sebastian Bach gibt es jetzt keinen historischen oder einen literarischen Hintergrund. Und doch rühren sie an grundsätzlichen Dinge des Lebens, weil ich glaube, dass der Komponist Johann Sebastian Bach am weitesten in den spirituellen Raum vordringt. Und dann die Sinfonie von Joseph Haydn, die wiederum den Namen „Feuer“hat. Das rundet das Programm dann mit einem starken Naturelement, eben dem Feuer, ab.
Bach und Schönberg? Das sind aber schon ordentliche Sprünge und Kontraste. Oder verbindet das Programm vielleicht auf besondere Art die beiden Komponisten?
Ich persönlich finde, dass man auch im Kontrast verbindende Elemente entdecken kann. Und für mich ist es immer interessant, ein Konzert nicht in einer homogenen Abfolge zu konstruieren, also dass praktisch ähnliche Kompositionen hintereinander gereiht werden. Es kann einfach auch mal interessant sein, dass man das Publikum mit Kontrasten konfrontiert. Und natürlich ist bei Bach immer irgendwie der Zauber enthalten, dem man sich nicht entziehen kann. Bach erinnert ein bisschen an die Ewigkeit, an grundsätzliche Themen. Und andererseits ist da eben diese Magie von „Verklärte Nacht“. Natürlich sind das zwei völlig unterschiedliche Musikstile. Aber ich empfinde diese Abwechslung als Reichtum, der unsere SELProgramme auszeichnet.
Ist der Kontrast zum Markenzeichen der SEL geworden?
Ich hoffe wirklich, dass das genau unser Markenzeichen geworden ist; und dass abwechslungsreiche und kontrastierende Programm den Leuten Lust auf mehr machen. Die Treue, die uns das Publikum jetzt schon seit sehr langer Zeit hält, ist wahrscheinlich auch ein gutes Zeichen dafür, dass das Anklang findet und dass wir da den richtigen Weg beschritten haben. Wir haben damit sicher nicht das Rad neu erfunden. Auch andere haben schöne Programme. Aber wir versuchen immer, für Denkanstöße oder provozierende Elemente zu sorgen.
Und wie gehen denn ihre Musiker damit um, diese Programmentscheidungen umsetzen zu müssen? Ist Ihre lange Bindung an das Orchester auch ein Zeichen, weil Ihre Musiker ihren künstlerischen Weg so mittragen (Anm. d. Red.: König hat seinen Vertrag bei den SEL bis zum Jahr 2025)?
Bei kontinuierlich arbeitenden Sinfonieorchestern treten vielleicht eher als Abnutzungserscheinungen wahrgenommene Elemente auf, sodass dann die Beziehungen zwischen Dirigent und Orchester häufig nach vier, fünf Jahren schon einer Überprüfung unterzogen werden müssen; sprich: ob das noch reicht und ob man so weitermachen will. Aber in der Natur unseres Projektes steckt ja letzten Endes eine begrenzte Anzahl von Konzerten. Wir treffen uns immer wieder neu und Abnutzungserscheinungen aus der andauernden Routine gibt es schlicht nicht. Ich persönlich habe auch noch Ideen, für die nächsten 100 Jahre interessante Sachen miteinander zu verbinden. Und sollten sich wirklich Ermüdungserscheinungen zeigen, ist es schlicht nicht damit getan, nur daran zu denken, einfach nur Köpfe auszutauschen. Es sollte dann auch programmatische Änderungen geben, die wirklich auch frischen Wind in das Orchester bringen.
Mit Frank Peter Zimmermann haben Sie einen starken Solisten eingeladen. Der könnte sich doch eigentlich die Zusammenarbeiten mit den weltweit größten Orchesters aussuchen. Was war der Anreiz für ihn gerade sich mit den SEL zusammenzutun?
Wir haben jetzt schon länger um ihn geworben und es brauchte durchaus Ausdauer. Er hatte zu anderen Zeiten der SEL weniger gute Erfahrungen gemacht, und da zögerte er. Aber ich denke, dass wir ihn so auch mit unserem Kurs jetzt überzeugen könnten und er Bedenken einfach über Bord geworfen hat. Und das freut uns sehr.
Tickets für das Konzert am Montag, dem 20. Februar, um 20 Uhr im Großen Saal der Philharmonie gibt es ab 34 Euro (ab 18 Euro erm.) bei Luxembourg Ticket unter Tel. 47 08 95-1. Mehr unter: www.sel.lu
Man kann auch im Kontrast verbindende Elemente entdecken.