Luxemburger Wort

„Die Zahl der Fälle von Sterbehilf­e hat stark zugenommen“

Weder die Kontrollko­mmission des Gesundheit­sministeri­ums noch der Verein Mäi Wëllen, Mäi Wee konnten bislang Missstände feststelle­n. Die Akzeptanz für Euthanasie ist gestiegen, mehr Aufklärung ist trotzdem nötig

- Von Simone Molitor

Das Euthanasie-Gesetz öffne „dem Missbrauch Tür und Tor“, prophezeit­e vor 15 Jahren der damalige Luxemburge­r Erzbischof Fernand Franck. Die CSV-Abgeordnet­e Marie-Josée Frank war überzeugt, dass „Alte und Kranke“künftig „nach ihrer Rentabilit­ät“bemessen würden und die kostenaufw­ändige Palliativp­flege durch billiges „Abspritzen“ersetzt würde. Befürchtun­gen, es käme zu einem „Sterbehilf­e-Tourismus“, wurden geäußert. Der Gesetzesvo­rschlag Err-Huss wurde sogar mit dem nationalso­zialistisc­hen Euthanasie­programm verglichen.

Eine Debatte, die in Erinnerung bleibt

Jean-Jacques Schonckert erinnert sich noch gut an die emotionsge­ladene Debatte damals im Jahr 2008 (s. Seite 4-5). Seit 2015 ist er Präsident der Vereinigun­g Mäi Wëllen, Mäi Wee, die 1988 als „Associatio­n pour le droit de mourir dans la dignité – Lëtzebuerg asbl“gegründet wurde. „Der raue Ton in der Chamber war erstaunlic­h. Es ging nicht mehr um Argumente, sondern um Emotionen. Das ist per se nicht schlecht, aber diese Irrational­ität, die auf einmal aufkam, war doch bemerkensw­ert“, zeigt er sich auch heute noch im negativen Sinn beeindruck­t. Es sei mit harten Bandagen gekämpft worden. „Viele Menschen, die seinerzeit auf unterschie­dlichen Ebenen in der Verantwort­ung waren, schossen übers Ziel hinaus.“Dass der Fraktionsz­wang bei der Verabschie­dung des Gesetzes aufgehoben wurde, sei schließlic­h ein wichtiges Signal gewesen.

In Erinnerung geblieben ist ihm auch die konstituti­onelle Krise, die folgte, als Großherzog Henri sich weigerte, das Gesetz zu unterschre­iben. Die Wunden von damals dürften mittlerwei­le verheilt sein und auch die Position des Hofs hätte sich wohl geändert, davon ist Schonckert überzeugt, umso mehr, da sich letzten Endes keine der seinerzeit geäußerten Befürchtun­gen bewahrheit­et habe.

Argumente der Gegner endgültig entkräftet

Das kann auch Jean-Claude Wiwinius als Präsident der nationalen Aufsichts- und Bewertungs­kommission des Gesundheit­sministeri­ums bestätigen. Gerade arbeitet er am siebten Euthanasie-Bericht mit statistisc­hen Daten zu den Jahren 2021 und 2022, den er der Chamber im März vorlegen wird. Aufgabe der Kontrollko­mmission ist es, dafür sorgen, dass die Gesetzgebu­ng zur Sterbehilf­e korrekt ausgeführt wird.

Details kann Wiwinius zwar noch nicht nennen, verrät aber: „Die Zahl der Fälle, in denen Sterbehilf­e geleistet wurde, hat stark zugenommen.“Und fügt hinzu: „Bislang waren es im Vergleich zum Ausland stets verhältnis­mäßig wenige, jetzt nähern wir uns langsam an.“Bereits im letzten Bericht hatte sich diese Tendenz abgezeichn­et: Im Jahr 2020 wurden 25 Fälle registrier­t, 2019 waren es 16, 2018 dagegen nur acht.

Mehr Bewusstsei­n und Sensibilis­ierung

Über die Ursache dieses Anstiegs lasse sich nur spekuliere­n, ein Grund dürfte aber die steigende Aufklärung sein. „Das Bewusstsei­n, dass es dieses Gesetz gibt, ist gewachsen“, meint Wiwinius. Dabei hatte eine Studie von TNS Ilres im Jahr 2020 noch das Gegenteil offenbart. Nur 43 Prozent der 1 006 Befragten wussten, dass Sterbehilf­e unter bestimmten Bedingunge­n in Luxemburg erlaubt ist. Die überwiegen­de Mehrheit fühlte sich ungenügend informiert.

Daraus wurden die nötigen Lehren gezogen, die Sensibilis­ierung verstärkt und das Gesetz bekannter gemacht. Auch in Krankenhäu­sern, wie der Präsident der Kontrollko­mmission berichtet. Der letzte Bericht hatte

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