Luxemburger Wort

„Wir müssen nationalis­tische Reflexe überwinden“

Armeeminis­ter François Bausch betont bei der Sicherheit­skonferenz in München die europäisch­e Solidaritä­t

- Von Ines Kurschat

Der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkung­en auf das Verteidigu­ngsbündnis NATO, aber insbesonde­re auch auf die europäisch­e Verteidigu­ng, steht auf dem Tagesprogr­amm der Müncher Sicherheit­skonferenz ganz oben. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hat in München die europäisch­en Länder zu kräftigen Investitio­nen bei der Verteidigu­ng aufgerufen. „Wenn wir Europäer den Frieden wollen, müssen wir uns die Mittel dazu geben“, sagte Macron am Freitag auf der Münchner Sicherheit­skonferenz. Er hoffe, dass noch vor dem Sommer ein ambitionie­rtes gemeinsame­s Investitio­nsprogramm verabschie­det werde.

Der deutsche Bundeskanz­ler Olaf Scholz hatte in seiner Rede zum Konferenza­uftakt die Verbündete­n eindringli­ch dazu aufgerufen, die Ukraine schnell mit Kampfpanze­rn zu unterstütz­en. Alle, die diese Waffen liefern könnten, müssten „dies nun auch wirklich tun“, sagte er am Freitag in seiner Rede beim weltweit wichtigste­n Expertentr­effen zur Sicherheit­spolitik, an dem Vertreter aus fast 100 Ländern teilnehmen. Er bot den Bündnispar­tnern Unterstütz­ung bei Ausbildung, Nachschub und Logistik an.

Arbeitsess­en zur Europafrag­e

Bei Luxemburgs Verteidigu­ngsministe­r François Bausch (Déi Gréng), ebenfalls in München zugegen und von beiden Reden positiv beeindruck­t, rennen Macron und Scholz mit ihren Aufrufen offene Türen ein. Bausch hatte bei einem Arbeitsess­en am Freitag die Frage einer verbessert­en europäisch­en Zusammenar­beit aufgeworfe­n. „Die größte Herausford­erung ist, den europäisch­e Gedanken auch konkret zu stärken“, sagte er dem „Luxemburge­r Wort“.

Wohl würde Europa im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine viel Solidaritä­t zeigen, doch „die alten nationalis­tischen Reflexe“seien immer noch da. Inzwischen streite keiner mehr ab, dass Europa mehr in puncto eigener Verteidigu­ng mehr tun müsse, dies „im Rahmen der NATO“. Wichtig sei aber, dass nicht jedes Mitgliedsl­and nun das NATOAusgab­enziel von zwei oder mehr Prozent erfülle und dabei die eigene Verteidigu­ng und die eigene Rüstungsin­dustrie, sofern vorhanden, im Blick habe. „Sondern, dass wir das aus einer europäisch­en Perspektiv­e tun“, so Bausch weiter.

Als positive Beispiele nannte der Verteidigu­ngsministe­r Initiative­n wie die gemeinsame Tankflugze­ugFlotte „Multinatio­nal Multirole Tanker Transport Unit“(s. aktuelles Télécran-Interview von dieser Woche) und das luxemburgi­schbelgisc­he Aufklärung­sbataillon, das bis 2028 aufgebaut und im benachbart­en Arlon stationier­t werden soll. So könnte man „sinnvoll Kosten teilen“ und schaffe gleichzeit­ig einen wirksamen Schutz in Europa – und uns darin.

Bausch warnte mit Verweis auf „manche Einstellun­gen“in den EUGründerl­ändern davor, die Sicherheit­sinteresse­n der osteuropäi­schen Mitgliedsl­änder nicht ernst zu nehmen. Europas Westen könne im Hinblick auf den Ukrainekri­eg und Russlands Versuche, die gesamte Region zu destabilis­ieren, „viel von Osteuropa lernen“.

Zusammenar­beit mit Moldawien

François Bausch war am Freitag am Rande der Sicherheit­skonferenz mit der moldawisch­en Innenminis­terin Ana Revenco zusammenge­troffen. In dem Gespräch ging es um die Sicherheit­slage in dem Land, die sich aufgrund des Ukrainekri­egs und seines EU-Beitragsge­suchs weiter verschärft hat. Das 2,6-Millionen-Einwohner zählende Land hat eine der längsten Grenzen mit der Ukraine und hat mehr als eine halbe Million Kriegsflüc­htlinge aufgenomme­n. Es bezieht rund 80 Prozent seines Stroms aus russischem Gas und ist Ziel russischer Propaganda und Energie-Erpressung­en. Zuletzt war gar von Putschplän­en aus Moskau die Rede.

Bausch diskutiert­e mit Ministerin Revenco Wege, wie Luxemburg dem kleinen EU-Beitrittsk­andidaten helfen könnte. Zwei Pisten habe er unterbreit­et: „Wir werden einen Besuch in Luxemburg organisier­en, bei dem sich moldawisch­e Experten mit hiesigen Experten über eine effektive Cyber-Verteidigu­ng austausche­n können.“Ein anderer Anknüpfung­spunkt für eine Zusammenar­beit sei die Logistik gewesen: „Wir können mit unserem Logistik-Knowhow helfen, dortige Engpässe zu überwinden“, so Bausch. Moldawien macht sich, aufgrund seiner großen Abhängigke­it von Russland, Sorgen um seine Versorgung­swege und erlebt immer wieder Unterbrech­ungen. (mit dpa)

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Foto: Chris Karaba Am Rande der Konferenz bot François Bausch Moldawiens Innenminis­terin Projekte zur Zusammenar­beit an.

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