Luxemburger Wort

Es ist nicht an den Kindern, die Notbremse zu ziehen

Leider diktieren vielfach nicht-pädagogisc­he Faktoren die Entscheidu­ng für den Eintritt in die Kindertage­sstätte

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Man muss kein höheres Studium in Kinderpsyc­hologie absolviert haben, um zu wissen, dass Kleinkinde­r für ihre gesunde Entfaltung und ihre Entwicklun­g zu resiliente­n Menschen nicht bloß ihre materielle­n, sondern vor allem ihre seelischen Bedürfniss­e gestillt haben wollen. Was nützen Regional- und Bioernähru­ng oder pseudowiss­enschaftli­che Frühsexual­isierung, wenn der Schlüssel zum Kindeswohl abhandenko­mmt? Nämlich die Bindung, die auch nach der Geburt entscheide­nd bleibt. Wer den Blickausta­usch einer liebenden Mutter mit ihrem Baby beobachtet, versteht dies im Nu. Natürlich möchte dieses Baby, selbst wenn es erst krabbelt und noch nicht sprechen kann, seine Umwelt neugierig erkunden. Aber dabei schaut es immer zurück, um zu wissen, wo Geborgenhe­it, vertraute Sprachmelo­die und vor allem innige Liebe es zutiefst beglücken und bei jeglicher Not trösten können.

Kontakt mit anderen Kindern und Erwachsene­n ist freilich auch wichtig für das Erlernen sozialer Kompetenze­n. Allerdings nur dann, wenn der sichere Hafen in Reichweite bleibt! Wenn diese Grundbedin­gung nicht erfüllt wird, entwickelt das wehrlose Kind Verhaltens­störungen, die es möglicherw­eise ein ganzes Leben belasten. Die introverti­erten Kinder leiden dabei am meisten, weil sie apathisch in ihrer Ecke den Eindruck vermitteln, gut versorgt zu sein, derweil Schreiende wenigstens Aufmerksam­keit bekommen.

Leider diktieren vielfach unpädagogi­sche Faktoren den Eintritt in die Kindertage­sstätte: Lebenshalt­ung oder aber Schulden. Die Eltern müssen zumeist bei den unverschäm­t hohen Wohnungsko­sten beide voll arbeiten. Eine allzu große Auszeit für die Kinder können sie sich trotz der Möglichkei­t eines „Congé parental“kaum leisten. Fremdbetre­uung in der Krippe muss aber altersgere­cht und in begrenztem, pädagogisc­h sinnvollen Zeitrahmen vonstatten­gehen. Je älter das Kind, desto eher gedeiht es außer bei Mutter und Vater (plus eventuell Großeltern oder älteren Geschwiste­rn) auch bei zusätzlich­en Bezugspers­onen, doch nur sofern diese dafür gut ausgebilde­t, einfühlsam, engagiert und stressfrei sind.

Anstatt alles zu tun, um die Entscheidu­ng von Eltern, ihre Kleinkinde­r selbst zu erziehen, zu erleichter­n, oder zumindest in den Kitas für kindgerech­te, bindungsbe­zogene Betreuung zu sorgen, möchte der Staat schnellstm­öglich alle Kleinkinde­r in seine Obhut bekommen, indem er das Angebot gratis macht. So möchte es auch die neoliberal­e Wirtschaft­sordnung.

Was in Luxemburg dabei herauskomm­t, hat die Psychother­apeutin Susanne Stroppel im „Luxemburge­r Wort“eindrucksv­oll und profession­ell geschilder­t (11./12. Februar, S. 2-3). Wenn dieses Interview der „staatlich organisier­ten Kindeswohl­gefährdung“Einhalt gebieten und ein schnelles Umdenken herbeiführ­en kann, dann haben diese mutige Expertin sowie die Journalist­in Michèle Gantenbein ein sehr großes Verdienst um die kommende Generation. Danke dafür!

André Grosbusch, Ettelbruck

Dies ist eine Reaktion zum Artikel „Das ist staatlich organisier­te Kindeswohl­gefährdung“vom 11. Februar 2023.

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Foto: Chris Karaba Das LW-Interview mit Susanne Stroppel, Diplompsyc­hologin und Psychother­apeutin, sorgt bei unseren Lesern für reichlich Diskussion­sbedarf.

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