Es ist nicht an den Kindern, die Notbremse zu ziehen
Leider diktieren vielfach nicht-pädagogische Faktoren die Entscheidung für den Eintritt in die Kindertagesstätte
Man muss kein höheres Studium in Kinderpsychologie absolviert haben, um zu wissen, dass Kleinkinder für ihre gesunde Entfaltung und ihre Entwicklung zu resilienten Menschen nicht bloß ihre materiellen, sondern vor allem ihre seelischen Bedürfnisse gestillt haben wollen. Was nützen Regional- und Bioernährung oder pseudowissenschaftliche Frühsexualisierung, wenn der Schlüssel zum Kindeswohl abhandenkommt? Nämlich die Bindung, die auch nach der Geburt entscheidend bleibt. Wer den Blickaustausch einer liebenden Mutter mit ihrem Baby beobachtet, versteht dies im Nu. Natürlich möchte dieses Baby, selbst wenn es erst krabbelt und noch nicht sprechen kann, seine Umwelt neugierig erkunden. Aber dabei schaut es immer zurück, um zu wissen, wo Geborgenheit, vertraute Sprachmelodie und vor allem innige Liebe es zutiefst beglücken und bei jeglicher Not trösten können.
Kontakt mit anderen Kindern und Erwachsenen ist freilich auch wichtig für das Erlernen sozialer Kompetenzen. Allerdings nur dann, wenn der sichere Hafen in Reichweite bleibt! Wenn diese Grundbedingung nicht erfüllt wird, entwickelt das wehrlose Kind Verhaltensstörungen, die es möglicherweise ein ganzes Leben belasten. Die introvertierten Kinder leiden dabei am meisten, weil sie apathisch in ihrer Ecke den Eindruck vermitteln, gut versorgt zu sein, derweil Schreiende wenigstens Aufmerksamkeit bekommen.
Leider diktieren vielfach unpädagogische Faktoren den Eintritt in die Kindertagesstätte: Lebenshaltung oder aber Schulden. Die Eltern müssen zumeist bei den unverschämt hohen Wohnungskosten beide voll arbeiten. Eine allzu große Auszeit für die Kinder können sie sich trotz der Möglichkeit eines „Congé parental“kaum leisten. Fremdbetreuung in der Krippe muss aber altersgerecht und in begrenztem, pädagogisch sinnvollen Zeitrahmen vonstattengehen. Je älter das Kind, desto eher gedeiht es außer bei Mutter und Vater (plus eventuell Großeltern oder älteren Geschwistern) auch bei zusätzlichen Bezugspersonen, doch nur sofern diese dafür gut ausgebildet, einfühlsam, engagiert und stressfrei sind.
Anstatt alles zu tun, um die Entscheidung von Eltern, ihre Kleinkinder selbst zu erziehen, zu erleichtern, oder zumindest in den Kitas für kindgerechte, bindungsbezogene Betreuung zu sorgen, möchte der Staat schnellstmöglich alle Kleinkinder in seine Obhut bekommen, indem er das Angebot gratis macht. So möchte es auch die neoliberale Wirtschaftsordnung.
Was in Luxemburg dabei herauskommt, hat die Psychotherapeutin Susanne Stroppel im „Luxemburger Wort“eindrucksvoll und professionell geschildert (11./12. Februar, S. 2-3). Wenn dieses Interview der „staatlich organisierten Kindeswohlgefährdung“Einhalt gebieten und ein schnelles Umdenken herbeiführen kann, dann haben diese mutige Expertin sowie die Journalistin Michèle Gantenbein ein sehr großes Verdienst um die kommende Generation. Danke dafür!
André Grosbusch, Ettelbruck
Dies ist eine Reaktion zum Artikel „Das ist staatlich organisierte Kindeswohlgefährdung“vom 11. Februar 2023.