Frauenarzt soll Patientinnen sexuell missbraucht haben
Der Gynäkologe bestreitet die Anschuldigungen. Gegen den Mann besteht wegen anders gelagerter Vorwürfe derzeit ein Berufsverbot
Selten sind Frauen im Alltag verletzlicher. Im Behandlungszimmer eines Gynäkologen geben sie viel von sich preis – körperlich, aber auch seelisch. Es geht um Kinderwünsche, Gesundheitsund Sexualprobleme. Patientinnen müssen ihrem Arzt deshalb besonders viel Vertrauen entgegenbringen. Ein Vertrauen, das ein Frauenarzt aus der Hauptstadt ausgenutzt haben soll. Im vermeintlich geschützten Raum seines Behandlungszimmers soll es zu sexuellen Übergriffen gekommen sein.
LW-Informationen zufolge wird dem Mann vorgeworfen, zwischen 2013 und 2018 vier Frauen bei Untersuchungen weit über das medizinisch Notwendige berührt zu haben. Eines der mutmaßlichen Opfer hatte im April 2019 eine Anzeige erstattet. Daraufhin leiteten die Strafermittlungsbehörden weitere Untersuchungen ein. So konnten drei weitere mutmaßlich betroffene Frauen ermittelt werden. Unter anderem hatten sich Patientinnen des Mannes an den Collège médical gewandt.
Die Ermittlungen sind inzwischen abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft will den Arzt wegen Vergewaltigung und besonders schwerer Angriffe auf die Schamhaftigkeit (Attentats à la pudeur aggravés) vor Gericht bringen. Ob es so weit kommen wird, muss aber eine richterliche Ratskammer (Chambre de conseil) entscheiden. Die Richter befinden voraussichtlich im Juni darüber, ob für einen Prozess vor einer Kriminalkammer genügend Elemente gegen den Beschuldigten vorliegen. Gegen diese Entscheidung kann Einspruch eingelegt werden.
Der Mediziner, der seit Jahrzehnten in Luxemburg praktiziert, bestreitet unterdessen die Vorwürfe der Frauen. Wie der Anwalt des Mannes, Maître Frank Rollinger, auf Nachfrage betont, wolle die Verteidigung nun dagegen juristische Schritte einleiten. Weiter wollte der Strafverteidiger sich zu diesem Zeitpunkt nicht öffentlich zu den Anschuldigungen äußern. Bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, gilt für den Beschuldigten die Unschuldsvermutung.
Berufsverbot wegen dubioser Verrechnungen
Arbeiten darf der Frauenarzt in Luxemburg derzeit nicht. Erst im vergangenen Dezember hat der Conseil supérieur de discipline des Collège médical den Mann zu einem zwölfmonatigen Berufsverbot, davon sechs Monate zur Bewährung, verurteilt. Der Arzt darf erst Mitte Juli wieder seine Aktivitäten hierzulande aufnehmen.
Im Mittelpunkt des Disziplinarverfahrens standen vorwiegend Ungereimtheiten bei Verrechnungen. Der auf künstliche Befruchtungen und Fruchtbarkeitsbehandlungen spezialisierte Gynäkologe soll sich über Jahre hinweg auf Kosten seiner Patientinnen bereichert haben. So vermerkte der Mann unter anderem auf Rechnungen für künstliche Befruchtungen, dass die Patientinnen diese nicht bei der Gesundheitskasse einreichen sollten.
Die Behandlung würde nämlich nicht zurückerstattet werden. Dies entspricht aber nicht den Tatsachen. Zudem liegen die CNSTarife deutlich unter dem vom Arzt verrechneten Betrag.
In dem Berufungsverfahren erhielt der Arzt ein vergleichsweise mildes Urteil. In erster Instanz hatte der Disziplinarausschuss ihn nämlich zu einem einjährigen Berufsverbot ohne Bewährung verurteilt. Der Collège médical hatte derweil im Berufungsverfahren eine noch strengere Strafe gefordert. Auch, weil der Arzt durch sein Handeln den besonders verletzlichen Zustand seiner Patientinnen ausgenutzt haben soll. Immerhin seien diese aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches zu ihm gekommen.
Für den Frauenarzt war es derweil nicht das erste Verfahren wegen dubioser Verrechnungsmethoden. In der Vergangenheit war der Mann deshalb sogar strafrechtlich verfolgt worden. Gegen ihn wurden Ermittlungen wegen unerlaubter Ausübung der Medizin (Exercice illicite de la médecine) und Fälschung geführt. Der Mediziner fand jedoch eine Einigung mit der Staatsanwaltschaft, sodass es zu keinem Prozess kam.
Der Gynäkologe bekannte sich schuldig und wurde im März 2022 aufgrund eines Jugement sur accord zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 000 Euro verurteilt. Der Mann hatte zwischen 2012 und 2013 systematisch Untersuchungen für einen Arzttarif verrechnet, die nicht von ihm selbst, sondern von Hebammen durchgeführt wurden. Dabei stellt nicht nur die Verrechnung ein Problem dar. Die Untersuchungen liegen nämlich nicht im Befugnisbereich einer Hebamme. Der Arzt weilte zudem während der Behandlungen im Ausland.
Weiteres Disziplinarverfahren steht noch aus
Dem Frauenarzt steht derweil voraussichtlich noch ein weiteres Disziplinarverfahren des Collège médical wegen mutmaßlichen Fehlverhaltens bevor. Der Disziplinarausschuss der Berufskammer setzte das Verfahren jedoch zeitweilig aus, nachdem der Mediziner Zeugen verklagt hatte. So beschuldigte der Mann im Zuge einer Privatklage (Citation directe) zwei junge Ärztinnen, die 2014, respektive 2015 ein Praktikum in seiner Praxis gemacht hatten, der üblen Nachrede und Verleumdung.
Wie auch RTL zuvor berichtete, hatten die Frauen in einem Praktikumsbericht, beziehungsweise im Zuge des Disziplinarverfahrens gegenüber dem Collège médical, angegeben, dass der Gynäkologe Alkohol in der Praxis getrunken habe. So soll der Mann einer der jungen Ärztinnen zufolge an einem Tag zu betrunken gewesen sein, um zu arbeiten. Er habe nicht mehr richtig sprechen können. Daraufhin sei sie in der Praxis auf sich allein gestellt gewesen.
Die Richter befinden im Juni darüber, ob für einen Prozess vor einer Kriminalkammer genügend Elemente gegen den Beschuldigten vorliegen.