Italienische Regierung stoppt Subventionswahnsinn
In der überhitzten Bauwirtschaft droht eine Konkurswelle, die mehr als 25 000 Unternehmen betreffen könnte. 130 000 Arbeitsplätze sind in Gefahr
Es tönt wie ein schöner, unerfüllbarer Traum für alle Hauseigentümer – aber in Italien ist er Realität: Man kann als privater Liegenschaftsbesitzer sein Haus einrüsten lassen, die Fassade renovieren, das Dach neu decken, Solarpanels installieren, die Heizung auswechseln, das Gebäude erdbebensicher machen – und das alles gratis und franko.
Die Rechnung berappt zu hundert Prozent der Staat in Form von Steuergutschriften. Sogar eventuelle Zinsen werden vom Staat übernommen. Der sogenannte „Super-Bonus“war im Sommer 2020 in der Corona-Pandemie von der damaligen Regierung von Giuseppe Conte beschlossen worden. Mit der Maßnahme sollten die Bauwirtschaft angekurbelt und gleichzeitig CO2-Immissionen gesenkt werden.
Doch nun hat die Rechtsregierung von Giorgia Meloni diese zwar gut gemeinten, aber irrwitzigen Subventionen wegen der gigantischen Kosten gestoppt, per Dekret und damit mit sofortiger Wirkung. Der „Super-Bonus“hat, zusammen mit anderen, großzügigen Subventionen etwa für Solaranlagen, energieeffiziente Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und sogar für Möbel, den italienischen Staat bereits 110 Milliarden Euro gekostet.
„Die Sache ist außer Kontrolle geraten, die öffentliche Verschuldung stieg pro Kopf um 2 000 Euro an“, betonte Finanzminister Giancarlo Giorgetti bei der Vorstellung des Dekrets, mit dem die Mega-Subvention drastisch eingeschränkt wird. Die öffentlichen Finanzen müssten gesichert werden. Bisher hatten etwas mehr als 370 000 Haussanierungen von dem Bonus profitiert.
Den Hebel setzt die Regierung nicht bei der Subvention als solcher an (die bestehen bleibt), sondern beim Kern des „Super-Bonus“, nämlich bei den Steuergutschriften. In der Praxis liefen die Gebäudesanierungen so ab: Statt die ausführende Baufirma auf übliche Weise zu bezahlen, konnte ein Immobilienbesitzer seine Steuergutschrift an die Firma übertragen. Und diese wiederum konnte die Gutschrift an Dritte weiterverkaufen – meist an Banken oder andere Finanzdienstleister.
Hausbesitzer müssen Renovationen vorfinanzieren
Diesen Handel stellt die Regierung nun ab: Laut dem Dekret können die Steuergutschriften nicht mehr übertragen werden. Das bedeutet, dass die Hausbesitzer die geplanten Renovationen nun vorfinanzieren müssen und die Kosten erst bei der nächsten Steuerrechnung geltend machen können. Damit gerät die Subvention für die meisten Hausbesitzer aus finanziellen Gründen außer Reichweite.
Doch nun schlägt die Bauwirtschaft Alarm: Nach Angaben des nationalen Verbands der Baufirmen sind wegen des Dekrets mehr als 25 000 Unternehmen vom Konkurs bedroht und 130 000 Arbeitsplätze in Gefahr, 90 000 Baustellen könnten sofort geschlossen werden. Der Grund: Viele Unternehmen könnten auf den Steuergutschriften, die sie als Zahlungsmittel entgegengenommen haben, nun sitzen bleiben.
Insgesamt geht es laut dem Verband um eine Summe von 15 Milliarden Euro. In der Tat hatten die Banken schon vor dem Stopp der Regierung begonnen, beim Kauf der Steuergutschriften eine gewisse Zurückhaltung zu üben. Stattdessen begannen vereinzelt Kommunen und Regionalverwaltungen, den in Not geratenen Baufirmen unter die Arme zu greifen. Auch diese – fragwürdige – Nothilfe hat die Regierung nun im Keim erstickt: Öffentlichen Körperschaften wird ab sofort verboten, Steuergutschriften zu kaufen.
Der Bauwirtschaft fehlten Zehntausende von Arbeitern und Handwerkern
Finanzminister Giorgetti versprach, für die betroffenen Unternehmen eine Lösung zu suchen. Insgesamt war der Stopp der MegaSubventionen aber überfällig und mittelfristig auch im Sinn der Bauwirtschaft: Die Aussicht für Millionen Hausbesitzer, die eigene Liegenschaft gratis renovieren lassen zu können, hat zu einer extremen Überhitzung in der Bauwirtschaft geführt.
Die Preise für Dämmplatten, IsolierFenster, Wärmepumpen und Ähnliches haben sich vervielfacht; Baugerüste sind seit Monaten weder zu mieten noch zu kaufen. Dies hat auch die Effizient der staatlichen Subvention massiv gesenkt – und der Bauwirtschaft fehlten Zehntausende von Arbeitern und Handwerkern. Die Wartefristen für Sanierungen betragen Monate und oft über ein Jahr.
Und schließlich hatte der Bonus-Wahnsinn auch Betrüger und die Mafia auf den Plan gerufen. Im Februar 2022 musste der damalige Finanzminister der Regierung von Mario Draghi, Daniele Franco, über betrügerische Machenschaften mit dem Bonus und mit fiktiven Baustellen in der Höhe von damals bereits 4,4 Milliarden Euro informieren. „Die Betrügereien gehören zu den größten, die diese Republik je gesehen hat“, erklärte Franco.
Schon Mario Draghi wollte den „SuperBonus“abschaffen, scheiterte aber am Widerstand der Fünf-Sterne-Bewegung von Giuseppe Conte, dem wichtigsten Regierungspartner. In der neuen Regierung ist die Protestbewegung nicht mehr vertreten – was Ministerpräsidentin Meloni die Sache nun leichter machte.
Die Sache ist außer Kontrolle geraten, die öffentliche Verschuldung stieg pro Kopf um 2 000 Euro an. Giancarlo Giorgetti, Italiens Finanzminister