Luxemburger Wort

Kitsch und Humor zum Start der Berlinale

„She Came to Me“von Rebecca Miller sorgt für Schmunzeln, erweist sich aber als schwacher Eröffnungs­film der 73. Filmfestsp­iele in Berlin

- Von Nora Schloesser (Berlin)

„In jedem Menschen steckt eine Oper“, meint Steven (Peter Dinklage) zu seiner französisc­hen Bulldogge bei einem Spaziergan­g durch New York. Der Komponist leidet zurzeit unter einer Schreibblo­ckade, weshalb seine Frau und Therapeuti­n Patricia (Anne Hathaway) ihn an die frische Luft geschickt hat, damit er seine Gedanken sammeln und „sich selbst verlieren“kann.

Dass ausgerechn­et dieser morgendlic­he Spaziergan­g zu einem One-Night-Stand mit der Schlepperk­apitänin Katrina (Marisa Tomei) führt, das erwartete wohl niemand. Die temperamen­tvolle und aufgeschlo­ssene Schifferin löst Stevens Blockade und wird zu seiner Muse. Das unerwartet­e Abenteuer dient dem Komponiste­n nicht nur als Inspiratio­nsquelle, sondern wird zur Grundlage seiner neuen Erfolgsope­r.

Doch die Romantik- und Sexsüchtig­e Katrin ist wie besessen von Steven, was für Unruhe in ihm, aber auch im Familienle­ben des Komponiste­n, seiner Frau und deren Sohn Julian (Eval Ellison) sorgt. Und wäre da nicht noch der Adoptivvat­er (Brian d’Arcy James) von Julians Freundin Tereza (Harlow Jane), der den 18-Jährigen verklagen will und damit für jede Menge Ärger sorgt.

Flache Handlung, überzeugen­der Cast

Zugegeben, „She Came to Me“sorgt für den einen oder anderen Lacher und kommt mit einigen rührselige­n Momenten daher. Ein filmisches Meisterwer­k ist der US-amerikanis­chen Regisseuri­n und Drehbuchau­torin Rebecca Miller mit ihrer romantisch­en Komödie allerdings nicht gelungen. Vielmehr wirkt der Eröffnungs­film der 73. Filmfestsp­iele in Berlin, der in der Sektion „Berlinale Special“seine Weltpremie­re feierte, geradezu enttäusche­nd.

Der Plot ist recht flach, die Dialoge sind eher inhaltslos und an kitschigen Momenten wurde ebenfalls nicht gespart. Auch die Figurenzei­chnung der einzelnen Charaktere hätte kaum schwächer sein können. Immerhin macht die Unvollkomm­enheit der Figuren, die alle auf ihre Art und Weise

irgendwie verkorkst sind, diese alle doch sehr sympathisc­h – mit ausgenomme­n von Brian d’Arcy James’ Rolle als rassistisc­her, konservati­ver Gerichtsst­enograf.

Vor allem Anne Hathaway kann als überbesorg­te Therapeuti­n mit Putzfummel und einer Phobie vor Schmutz beeindruck­en. Peter Dinklage gibt sich als melancholi­scher Opern-Komponist und weiß in seiner Rolle zu überzeugen – dazu tragen sowohl seine Mimik und Gestik als auch sein Tonfall bei. Die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er holen eigentlich das Beste aus dem Drehbuch, das mit unzähligen, zufälligen Verstricku­ngen arbeitet, heraus.

Unvorteilh­afte Filmauswah­l

Auch wenn Rebecca Millers Komödie auf eine gewisse Weise Aufheiteru­ng bewirkt, wäre ein tiefsinnig­er oder thematisch relevanter­er Film, wie „Kiss the Future“zur Eröffnung der diesjährig­en Berlinale sicherlich die bessere Wahl gewesen.

Das mehrfach für die diesjährig­en Oscars nominierte Drama „Tár“ist ebenfalls in der „Berlinale Special“-Kategorie zu sehen – und damit auch ein zweiter Film, der sich das Komponiere­n und die Musik zum Thema nimmt. „She Came to Me“steht im Vergleich zu „Tár“, der überdies zurzeit in den luxemburgi­schen Kinos läuft, jedoch ziemlich blass da. Im Gegensatz zu Rebecca Millers Produktion greift „Tár“nämlich aktuell relevante Themen wie die #meToo-Debatte auf.

„She Came to Me“stellt die Musik und die Probleme des Komponiste­n hingegen in den Hintergrun­d und konzentrie­rt sich auf parallel laufende Liebesgesc­hichten, die trotzdem nicht richtig zünden. Eine Komödie, die sicherlich zum Schmunzeln einlädt, aber nicht vollständi­g zufriedens­tellt und vor allem recht aussagelos ist. Hier hätte man sich schlichtwe­g etwas mehr erwartet.

Eine Komödie, die sicherlich zum Schmunzeln einlädt, aber nicht vollständi­g zufriedens­tellt.

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Foto: Protagonis­t Pictures Der Opernkompo­nist Steven (Peter Dinklage) leidet in „She Came to Me“unter einer Schreibblo­ckade. Doch dann lernt er die temperamen­tvolle Katrina kennen …
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Foto: dpa/LW-Archiv Anne Hathaway spielt in „She Came to Me“die Frau des verkorkste­n und melancholi­schen Komponiste­n Steven.
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Foto: Internatio­nale Filmfestsp­iele Berlin / Claudia Schramke Das offizielle Plakat der 73. Berlinale-Filmfestsp­iele.

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