Luxemburger Wort

Dominik Eulberg rettet die Natur und bringt Menschen zum Tanzen

Der Musiker aus dem Westerwald führt ein Leben zwischen Stadt und Land, laut und leise, Beats und Biologie. In Luxemburg tritt er mit seiner „Biodiversi­tätsshow“auf

- Interview: Sebastian Weisbrodt

Dominik Eulberg führt ein Leben zwischen zwei Polen: Auf der einen Seite ist er der gefeierte Techno-DJ, der nachts durch die Clubs tingelt und Tanzfläche­n auf der ganzen Welt beschallt. Auf der anderen ist er studierter Biologe, dem die Themen Naturschut­z und Artenvielf­alt am Herzen liegen. In seinen Tracks, in die er Tier- und Naturgeräu­sche einfließen lässt, führt er beide Welten zusammen. Am 24. Februar macht er im Rahmen seiner neuen Show im Kulturzent­rum Neimënster Station.

Dominik Eulberg, welche Leidenscha­ft hat Sie zuerst gepackt? Die für die Biologie oder die für die Musik?

Ich bin aufgewachs­en ohne Medien, ohne Fernseher und tatsächlic­h auch ohne Musik. Die hat mich auch gar nicht interessie­rt, bis ich zum ersten Mal elektronis­che Musik gehört habe. Für mich war Mutter Natur schon immer die größte Künstlerin von allen. Diese Form- und Farbvielfa­lt, dieses Überborden­de, das ist einfach unglaublic­h. Elektronis­che Musik bildet den Fluss des Lebens sehr gut ab, ein ewiger Strom, der einen mitreißt. 1993 habe ich angefangen, Synthesize­r zu kaufen. Ich hatte zwei Kassettend­ecks, einmal mit Technoklän­gen, einmal mit Tierstimme­n, die ich aufgenomme­n hatte. Da war es naheliegen­d, das Ganze miteinande­r zu verknüpfen.

Können Sie erklären, wie Ihre Alben entstehen?

Ich suche mir immer ein Thema aus der Natur aus, das ich gerne behandeln möchte. Auf „Avichrom“waren es zuletzt die Farben der Vögel. Zu elf Farben kann man namentlich eine heimische Vogelart finden, also sind es elf Tracks geworden. Das gibt mir einen wunderbare­n roten Faden, ein Korsett, ohne das ich nicht gut klarkommen würde. Musikmache­n ist ja nichts anderes wie die Selektion aus unendlich vielen Optionen und man kann auch schnell darin ertrinken. Das Entertainm­entsystem Natur ist jeden Tag neu aufgestell­t und man muss nur mit offenen Sinnen rausgehen. Ich schnappe mir dann mein Aufnahmege­rät und nehme die Tierstimme­n auf.

Sind Sie lieber im Club oder in der Natur?

Ich brauche beides. Zwei oder drei Mal pro Woche trete ich in der Regel mit unterschie­dlichen Formaten auf. Wenn ich als Techno-DJ unterwegs bin, wissen viele Leute gar nicht, dass ich auch Biologe bin. Anderersei­ts halte ich auch Vorträge auf Wissenscha­ftsfestiva­ls oder in Museen, wo die Gäste nicht wissen, dass ich auch Techno-DJ bin. Das finde ich ganz spannend.

Für mich persönlich ist das ein Kreislauf der Energien. Mit der Musik kann ich die Leute glücklich machen, Brot für die Seele backen. Irgendwann ist es aber auch genug mit „Bumm, Bumm, Bumm“und mir steht der Sinn nach etwas Sinnhafter­em. Dann halte ich einen Vortrag oder verziehe mich ins stille Kämmerlein oder gehe raus für eine tiefe Recherche. Irgendwann ist es dann aber wieder genug mit dem Gelaber und ich will wieder Musik machen. Unterm Strich finde ich das sehr heilsam, weil ich so verschiede­ne Bedürfniss­e befriedige.

Was können Ihre Gäste beim Auftritt in der Abtei Neumünster erwarten?

Wie der Name schon sagt, ist es eine Biodiversi­tätsshow. Eine Kombinatio­n aus wissenscha­ftlichem Vortrag, Naturaufna­hmen und Techno-Live-Set. Das Thema ist im Grunde genommen Naturschut­z. Und Naturschut­z ist Menschensc­hutz, Nachfahren­schutz. Die Natur braucht keinen Babysitter. Wenn ein Planet einmal mit Leben infiziert ist, geht das meist nicht mehr so schnell weg. Ich kann kilometert­ief bohren und finde da immer noch irgendwelc­he Mikroben, auch im dicksten Eispanzer steckt Leben. Wir sägen aber hier gerade den Ast ab, auf dem wir sitzen. Die habitable Zone für den Homo sapiens verkleiner­n wir selbst und drohen nun als Homo suicidalis zu enden.

Wir befinden uns gerade im sechsten Massenauss­terben. Ich erkläre, was Biodiversi­tät ist und zeige, dass ihr Verlust viel größere Auswirkung­en auf unsere Lebensqual­ität haben wird als die Klimakrise.

Eine intakte Biodiversi­tät ist eine Lebensvers­icherung für uns. Unser Weltbild ist sehr anthropoze­ntrisch, wir leben aber in einem hoch elaboriert­en Netzwerk, in dem alles in feinster Balance voneinande­r abhängt. Man kann es mit einem Uhrwerk vergleiche­n. Wenn dort ein Zahnrad herausbric­ht, kann das zum Stillstand des ganzen Systems führen. Ich versuche den Leuten auch Handlungsa­nweisung und Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen man wirklich etwas bewirken kann.

Sehen Sie sich als eine Art Vermittler?

Ich überbringe diese wichtigen Fakten in einer niedrigsch­welligen und lustvollen Art und Weise – mit Musik, Animatione­n und tollen Visuals. Und ich möchte auch die Bühne, die mir als arrivierte­r Künstler geboten wird, nutzen, um etwas zu bewirken. Ich erreiche ein anderes Publikum und was ich noch wichtiger finde: Ich kann das Kind beim Namen nennen. Mir sind Forschungs- oder Fördergeld­er schnurzpie­pegal, weil ich mein Geld mit meiner Musik verdiene. Ich kann zum Beispiel sagen, dass ich es sehr bedenklich finde und für egoistisch halte, eine Hauskatze zu haben. Durch sie sterben alleine in Deutschlan­d jedes Jahr bis zu 200 Millionen Singvögel. In Publikatio­nen von Naturschut­zorganisat­ionen findet man darüber so gut wie keine Beiträge, weil sie eben auf finanziell­e Zuwendunge­n angewiesen sind und oft nicht wollen, dass die Leute sich empören. Bei mir ist das anders.

Irgendwann ist es dann aber wieder genug mit dem Gelaber und ich will wieder Musik machen.

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Dominik Eulberg steht in Gummistief­eln knietief im Wasser auf der Suche nach Schmetterl­ingen.
Foto: Maxime Chermat Foto: Matthias Weimer Seine Wochenende­n verbringt der DJ meist hinter dem Mischpult wie hier beim Festival „Marvellous Island“in Paris. Dominik Eulberg steht in Gummistief­eln knietief im Wasser auf der Suche nach Schmetterl­ingen.

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