Wie es 2022 um die Immigration stand
Außenminister Jean Asselborn (LSAP) erklärt, wie Luxemburg mit der Flüchtlingswelle von 2022 umgegangen ist
Wie steht es um die Menschen, die 2022 einen Antrag auf einen internationalen Schutzstatus gestellt haben?
2022 waren es 2 269 Personen. Seit 2020, als 1 165 einen Antrag auf einen internationalen Schutzstatus gestellt hatten, hat sich die Zahl innerhalb von zwei Jahren somit fast verdoppelt. Im Vergleich zum Vorjahr kann ein Anstieg von 81,5 Prozent festgestellt werden. Darunter waren 1 008 Syrer, 355 Eritreer, 174 Afghanen und 94 Türken. Die Syrer machen 50 Prozent aller Anträge aus. Von den 1 914 Anträgen, die 2022 bearbeitet wurden, haben 1 123 einen internationalen Schutzstatus erlangt, 848 einen Flüchtlingsstatus und 275 den subsidiären Schutzstatus.
Wie viele Ukrainer haben ihren temporären Schutzstatus in Luxemburg verlängern lassen?
2022 haben 5 397 Ukrainerinnen und Ukrainer einen Antrag auf temporären Schutz gestellt. Um die 94 Prozent dieser Anträge wurden stattgegeben, was 5 087 Antragstellern entspricht. Der temporäre Schutzstatus für Ukrainer, der auf einen Vorschlag der EU-Kommission vom März vorigen Jahres zurückgeht, läuft am 4. März ab, allerdings können Ukrainerinnen und Ukrainer diesen bis zum Stichtag um ein Jahr verlängern lassen. Asselborn bestätigte gestern, dass von den 4 678 Ukrainern, die über ein gültiges Attest über die Erlangung des temporären Schutzstatus verfügen und sich noch im Land befinden, 3 508 sich bereits bei guichet.lu gemeldet haben, um ihren Schutzstatus zu verlängern. 150 befänden sich zurzeit auf der Warteliste.
Wo sind ukrainische Flüchtlinge mittlerweile untergekommen?
1 280 Ukrainer verweilen zurzeit in den Aufnahmestrukturen des Office national de l'accueil (ONA), während 2 400 in Privathaushalten untergekommen sind. Außenminister Jean Asselborn kündigte zudem an, Menschen, die den temporären Schutzstatus erlangt haben und eine Arbeit gefunden haben, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen, damit diese „von ihren eigenen Mitteln leben“können, um nicht mehr in den Aufnahmestrukturen des ONA verweilen zu müssen.
Wie steht es um die Situation von unbegleiteten Minderjährigen?
Nicht nur Luxemburg sei von dem Phänomen betroffen, erklärte Asselborn. Während in Nachbarländern, wie die Niederlande oder Belgien 2022 ein Anstieg von 12,3 Prozent im Vergleich zu 2021 feststellbar war, haben in Luxemburg 2022 110 unbegleitete Minderjährige im Gegensatz zu 56 im Vorjahr einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Insgesamt befinden sich zurzeit 164 unbegleitete Minderjährige in Luxemburg. Der Großteil von ihnen stammt aus Syrien, Afghanistan und Eritrea.
Warum steigt die Anzahl an unbegleiteten Minderjährigen in letzter Zeit stärker an?
Der Anstieg hänge vor allem mit der wahltaktischen Ankündigung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zusammen, der eine Million syrische Flüchtlinge zur freiwilligen Rückkehr in die Heimat bewegen will, erklärt Asselborn. Die sogenannten „enfants sacrifiés“würden von ihren Familien losgeschickt, um über die Familienzusammenführung einen internationalen Schutzstatus zu erlangen und zu vermeiden, in das vom Bürgerkrieg geplagte Syrien zurückkehren zu müssen. So sind in Luxemburg insgesamt 494 Personen, was 21 Prozent aller Anträge auf internationalen Schutz entspricht, über die Familienzusammenführung nach Luxemburg gelangt.
Können die Aufnahmestrukturen hier im Land dem Druck der steigenden Zahlen an Schutzbedürftigen standhalten?
Seit 2021 hat sich die Anzahl der ONA-Aufnahmestrukturen fast mehr als verdreifacht. Standen 2021 2 134 Plätze zur Verfügung, so waren es 2022 7 229. In den 53 Aufnahmestrukturen für Menschen, die einen Antrag auf einen internationalen Schutzstatus gestellt haben, können bis zu 4 214 Menschen unterkommen. 2022 lebten dort 3 352 Personen, wodurch die Strukturen zu 94,4 Prozent vollständig besetzt sind. Was Schutzbedürftige mit einem temporären Schutzstatus anbelangt, so sind 1 206 von ihnen in elf verschiedenen Strukturen des ONA untergekommen. Platz gäbe es dort für insgesamt 1 881 Personen. Asselborn sagte, die Flüchtlingszahlen, die es 2022 zu meistern galt, seien eine Aufgabe gewesen, „die wir so noch nie hatten“.
Auf EU-Ebene wird vom rechten politischen Block immer wieder verlangt, die europäischen Außengrenzen zu sichern, um so gezielt gegen illegale Migration vorzugehen. Wie steht Luxemburg dazu?
Außenminister Asselborn monierte die Attitüde bestimmter EULänder, die die Aufnahme von Flüchtlingen verhinderten. Rumänien und Bulgarien den Beitritt zum Schengen-Raum zu verweigern, sei unter anderem ein Fehler gewesen, so Asselborn. „Die Begründung, Migrationsströme stammen aus diesen Ländern, ist einfach falsch.“Seit 2015 würden innerhalb der EU nur noch „vier oder fünf Länder“in puncto Migration an einem Strang ziehen und bei der Aufnahme von Flüchtlingen „anpacken“. Die europäischen Außengrenzen mit Mauern und Drähten stärker zu schützen, sei auch nicht die Lösung, erklärte Asselborn. „Was machen wir mit denen, die über das Meer zu uns kommen? Retten wir diese dann nicht? Es ist einfach traurig …“