Das neue Wissen
Die Zauberlehrlinge aus der Silicone Valley wollten die weltumgreifende Demokratie mit Facebook, Twitter und Co. herbeiführen. Über das Resultat sind die Meinungen geteilt. Mit dem ChatGPT und Co., kann jeder jetzt die Uni in der Hosentasche mit sich herumschleppen. Weshalb dann noch Unis? Letztere haben sich die Frage gestellt und verschiedene haben schon reagiert, indem sie den rezenten Spross der neuen Technologien auf ihrem Territorium verboten haben.
Das kann man leicht nachvollziehen, aber macht Verbieten überhaupt noch Sinn? Das „World Wide Web“heißt nicht umsonst so. Die gesamte Welt zappelt in den raffiniert gestrickten Fäden. ChatGPT ist die logische, verbesserte Evolution von Google und sie verbieten zu wollen hört sich naiv an. Dafür ist es zu spät, denn wir haben uns seit 30 Jahren zu 99 %, der künstlichen Intelligenz verschrieben. Vieles, wenn nicht fast alles, was heute in der Naturwissenschaft und in der universitären Forschung täglich an neuen Ergebnissen hervorgebracht wird, ist begründet auf den rechnerischen Fähigkeiten der KI.
Menschliches Denken und Wissen sind unzertrennlich verstrickt. Schulen hatten immer die Aufgabe Wissen zu verteilen und Denken zu lehren. Wissen ist ohne Denken nutzlos und letzteres entzieht sich bis jetzt jeder Erkenntnis. Aber so wie wir mit den unerforschten schwarzen Löchern schon Begleiterscheinungen mathematisch berechnen können, so haben wir mit der Pädagogik die Möglichkeit, das vom Werdegang her unbekannte Denken zu fördern.
ChatGPT besteht weder aus Wissen noch aus Denken. Es besteht nur aus fast allen existierenden Informationen, welche es mit Hilfe von Algorithmen in unbegrenzten Kombinationen zu einer verständlichen und scheinbar logischen Sprache zusammenführen kann.
Dies ist wie eine gottgegebene Krücke für mangelhaftes und fehlerhaftes menschliche Wissen. Aber eben nur eine Krücke.
Die Bezeichnung KI ist irreleitend. Wir wissen noch nicht was Intelligenz ist und schreiben jetzt schon mit gewohnter Hybris, einer in ihren Möglichkeiten wohl fantastischen Rechenmaschine, künstliche Intelligenz zu. Wir müssen in verstärktem Masse Denken, Wissen und Information unterscheiden. Einstein sprach von einem muskulösen Hirn. Wenn menschliches Denken falscherweise durch das pseudo Denken und pseudo Wissen des ChatGPT ersetzt wird könnte Hirnmuskelschwund entstehen.
Die Folgen einer generellen Ausbreitung dieses Übels möchte ich mir nicht einmal ausmalen.
Jean Schiltz, Luxemburg
Zum Thema „ChatGPT“hatten wir den „Luxemburger Wort“-Artikel „Künstliche Intelligenz: Herausforderung für die Schulen“vom 7. Februar 2023 und den Télécran-Artikel „Bereicherung oder Bedrohung“vom 11. Februar 2023.