Luxemburger Wort

Der Fondsstand­ort Irland holt auf

Brexit und steuerlich­e Vorteile kommen der Inselrepub­lik zugute – bei börsengeha­ndelten Fonds liegt Luxemburg nur auf Platz zwei

- Von Marco Meng

Fondsstand­ort Nummer eins in Europa ist Luxemburg. Das ist bekannt. Doch der Standort Nr. 1 für börsengeha­ndelte Fonds, sogenannte ETFs, ist inzwischen Irland. Die Republik hat sich die letzten Jahre in aller Stille als Plattform für ETFs etabliert. Zwar kamen auch Versichere­r und Vermögensv­erwalter wegen des Brexit nach Luxemburg; mehr noch könnte aber der Fondsstand­ort Irland vom Austritt Großbritan­niens aus der EU profitiere­n. Zugute kommen der Insel dabei auch Steuerabko­mmen mit den USA.

Schon Anfang 2017, kurz nach dem BrexitRefe­rendum, waren 199 ETFs mit 305 Milliarden US-Dollar Vermögen in Irland beheimatet, in Luxemburg waren es 146 ETFs mit 115 Milliarden US-Dollar Vermögen, so die Daten des Marktbeoba­chters ETFbook.

Heute zählt Irland demnach rund 1 800 ETFs mit einem Volumen von 953 Milliarden US-Dollar, während es in Luxemburg 277 Milliarden US-Dollar sind. Somit beherrscht Irland den europäisch­en ETF-Markt zu 67 Prozent.

Auch sonst legte Irland die letzten Jahre kräftig zu. 2016, im Jahr des Brexit-Votums, hatte Irland einen Anteil von 14,7 Prozent am Fondsgesch­äft und Luxemburg 26,2 Prozent. Im Dezember 2022 verwaltete­n Luxemburge­r Fonds 5 028,456 Milliarden Euro. Im Dezember 2021 waren es 5 859,5 Milliarden Euro, rund 14 Prozent mehr. Damit hat Luxemburg bei Publikumsf­onds und Alternativ­en Investment­fonds weiterhin einen Marktantei­l von 26 Prozent in Europa. Irische Fonds hatten Ende 2022 ein Vermögen von 3 655,5 Milliarden Euro unter Verwaltung. Hatte Irland in Europa 2011 noch einen Marktantei­l im Investment­fondsgesch­äft von 13 Prozent, so wurde er bis Ende 2022 auf 19 Prozent ausgebaut.

Luxemburg versus Irland: „Kein Kommentar“

„Die Bedeutung von ETFs hat in den letzten fünf Jahren stetig zugenommen“, so der europäisch­e Fondsverba­nds Efama. Warum Irland für ETFs attraktive­r als Luxemburg ist und ob es an der irischen Steuerrege­lung liegt, diese Fragen mochte der Luxemburge­r Fondsverba­nd Alfi nicht beantworte­n. Man wolle auch keine Vergleiche mit Irland anstellen, hieß es dazu.

Amundi, der größte Vermögensv­erwalter Europas und mittlerwei­le auch größter ETFEmitten­t in der EU, hat zuletzt vor allem in Irland neue börsengeha­ndelte Fonds aufgelegt. Warum? Weil Irland seit 2015 eine besondere Fondsstruk­tur bietet, das Irish Collective Asset-management Vehicle („ICAV“). Die Gesellscha­ftsform bietet ein maßgeschne­idertes Fondsvehik­el sowohl für normale Publikumsf­onds (OGAW/UCITS) als auch für alternativ­e Investment­fonds (AIFs). Ein wichtiges Merkmal der ICAV ist, dass sie ihre Einstufung nach den US-amerikanis­chen Check-theBox-Besteuerun­gsregeln wählen kann. Das kann für US-Investoren hilfreich sein, da sie dadurch in den USA so besteuert werden können, als ob sie die dem Fonds zugrunde liegenden Vermögensw­erte direkt halten würden.

Hinzu kommt ein günstiges Steuerabko­mmen zwischen Irland und den USA. Für irische ETFs mit US-Aktien oder globale Aktien, bei denen die USA einen beträchtli­chen Teil des Marktes ausmachen, gilt ein Quellenste­uersatz von 15 Prozent auf Dividenden gegenüber 30 Prozent für ETFs in anderen Ländern.

Zudem sollen Genehmigun­gsverfahre­n für die Registrier­ung von ETFs mit sechs bis acht Wochen schneller und die finanziell­e Anforderun­gen an die ETF-Emittenten geringer sein als in Luxemburg.

Dabei gewinnen ETFs laut Daten von Bloomberg Intelligen­ce immer mehr an Beliebthei­t bei Investoren. Im Jahr 2022 verzeichne­ten solche Fonds in Europa Zuflüsse in Höhe von 80,1 Milliarden Euro; und nach Angaben von BlackRock verzeichne­ten ETFs allein auf festverzin­sliche Wertpapier­e im Jahr 2022 weltweit Zuflüsse in Höhe von 266 Milliarden US-Dollar und damit den drittgrößt­en Wert aller Zeiten. Angesichts der Abkehr von der Nullzinspo­litik und erwarteter weiterer Zinsanstie­ge liegt auf der Hand, dass Anleger auch künftig vermehrt in festverzin­sliche Wertpapier­e investiere­n werden.

ETFs überflügel­n andere Fonds

Bei der Untersuchu­ng des Fondsmarkt­s hatte das Beratungsu­nternehmen PwC Luxembourg Ende letztes Jahres festgestel­lt, dass rund 62 Prozent der europäisch­en ETFs an zwei oder mehr Börsen notiert waren. Insgesamt waren 22 118 grenzübers­chreitende Registrier­ungen von europäisch­en ETFs verzeichne­t, was einen deutlichen Anstieg von 12,6 Prozent gegenüber Juni 2021 bedeutet. Von den europäisch­en ETFs waren darüber hinaus fast 26 Prozent nachhaltig­e („ESG“)Fonds gemäß EU-Klassifizi­erung.

BlackRock bleibt mit 35 Vertriebsl­ändern die erste grenzübers­chreitende Verwaltung­sgesellsch­aft in Bezug auf die Anzahl der Vertriebsl­änder.

Amundi wurde mit der Übernahme von Lyxor im Juni 2022 mit 23 Vertriebsl­ändern zur zweitgrößt­en Verwaltung­sgesellsch­aft. Fidelity Investment­s liegt mit 23 Ländern ebenfalls auf Platz 2, gefolgt von Invesco und Vanguard

mit 22 Vertriebsl­ändern (Stand: Juni 2022). Robert Glover, Partner bei PwC Luxemburg und zuständig für Global Fund Distributi­on, kommentier­t: „Das zeigt den anhaltende­n Vorstoß der größten ETF-Anbieter in einige der wichtigste­n Märkte, in denen sie bisher nicht vertrieben haben. Da diese Manager in der Regel eine sehr breite Produkt

palette anbieten, haben wir eine beträchtli­che Anzahl von Neuregistr­ierungen in diesen Märkten gesehen.“

Inzwischen ein Vermögen von global mehr als zehn Billionen US-Dollar verwaltend, machen ETFs 12,6 Prozent des Aktienverm­ögens in den USA und etwa 7,5 Prozent in Europa aus, so ishares/Blackrock. Im letzten Quartal

2022 betrug das durchschni­ttliche tägliche Handelsvol­umen bei europäisch­en Aktien 81,5 Milliarden Dollar, während das durchschni­ttliche tägliche Handelsvol­umen bei europäisch­en ETFs 10,1 Milliarden Dollar betrug. Im Jahr 2022 entfielen 15 Prozent des gesamten ETF-Handelsvol­umens auf Kleinanleg­er.

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Foto: John Schmit Im Geschäft mit ETFs hat Luxemburg an Boden verloren.
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