Luxemburger Wort

„Ich erwarte, dass ich nächsten Monat nominiert werde“

Tim Hall rechnet nach seinen ersten Spielen für den ungarische­n Club Ujpest mit einer Rückkehr in die Nationalma­nnschaft

- Interview: Bob Hemmen

Tim Hall ist zwar erst 25 Jahre alt, als Fußballer hat der Luxemburge­r aber schon einiges erlebt. Seit vergangene­m Monat spielt Hall für den ungarische­n Erstligist­en Ujpest. Im Interview spricht der Verteidige­r über die vereinslos­e Zeit, die öffentlich­e Wahrnehmun­g und seine Aussichten auf eine Rückkehr in die Nationalma­nnschaft.

Tim Hall, haben Sie sich bereits in Budapest eingelebt?

Das ging recht schnell. Ich konnte mich gut ins Team integriere­n, das sieht man daran, dass ich in jedem Spiel in der Startelf stand. Ich habe mir diesen Stammplatz im Trainingsl­ager erarbeitet. Meine Erfahrunge­n, die ich im Ausland sammeln durfte, helfen mir. Bislang gefällt es mir hier ziemlich gut, auch wenn die Liga etwas anders ist als erwartet.

Was meinen Sie damit?

Es werden viele lange Bälle gespielt und es geht sehr physisch zur Sache. Dadurch konnte ich meine fußballeri­schen Qualitäten noch nicht wirklich unter Beweis stellen. Ich habe kein Problem damit, einen langen diagonalen Pass zu spielen, doch ich passe lieber kurz zwischen die Linien. Das ist hier nicht üblich.

Bevor Sie nach Ungarn gewechselt sind, waren Sie monatelang vereinslos. Wie sind Sie damit umgegangen?

Ich musste verletzung­sbedingt lange pausieren. Das war bitter, schließlic­h spielte ich in Zypern eine gute Saison und hatte mir vorgenomme­n, den nächsten Schritt zu gehen.

Ich rechnete deshalb nicht damit, plötzlich mit leeren Händen dazustehen. Ich musste in den sauren Apfel beißen und hielt mich in Niederkorn fit, obwohl das nicht der Plan war. Dann traf ich die Entscheidu­ng, bis zur Winterpaus­e zu warten.

Wenn ich kein Angebot erhalten hätte, wäre ich in Luxemburg geblieben. Doch ich habe nie an mir gezweifelt, weil ich schon in guten Ligen gespielt habe. Nach einer Verletzung fragen sich die Scouts und Verantwort­lichen der Clubs zudem, wie schnell man wieder topfit wird. Ende Dezember gab es Gespräche mit AEL Limassol. Ich erhielt jedoch kein Angebot, weil es Zweifel an meiner Form gab und der Club nach einer direkten Verstärkun­g suchte.

War es schwierig, unter der Woche in Niederkorn zu trainieren, an den Wochenende­n aber keine Spiele zu bestreiten?

Das ist natürlich sehr frustriere­nd. Ich konnte meine Kumpels nur von der Tribüne aus unterstütz­en. Dennoch hatte ich das Gefühl, die richtige Entscheidu­ng getroffen zu haben, indem ich mich an keinen Verein gebunden habe.

In den vergangene­n Jahren sind Sie oft gewechselt. Haben Sie auch falsche Entscheidu­ngen getroffen?

Im Nachhinein ist man immer schlauer. Ich bereue es, dass ich von Gil Vicente unbedingt weg wollte, doch damals gab es gute Argumente, zu Wisla Krakau zu wechseln. Ich hätte geduldiger sein sollen.

Würden Sie jetzt gerne länger bei einem Verein bleiben?

Das hängt von mehreren Faktoren ab. Viele verstehen nicht, dass bei Spitzenclu­bs ganz andere Gehälter gezahlt werden und manche Spieler ihre Verträge dort einfach aussitzen. Bei den Vereinen, für die ich spiele, hängt die Zukunft oft davon ab, wie die aktuelle Saison abgeschlos­sen wird. Außerdem mussten zwei Clubs, bei denen ich unter Vertrag stand, Insolvenz anmelden (Lierse und Karpaty Lviv, Anm. d. Red.).

Haben Sie das Gefühl, dass Sie nicht die Anerkennun­g erhalten, die Sie verdienen?

Als ich jünger war, hat mich das beschäftig­t, mittlerwei­le aber nicht mehr. Ich war in Zypern Stammspiel­er auf einem guten Niveau und habe konstant abgeliefer­t, doch das interessie­rte niemanden. Das ist schade, weil es in dieser Liga viele gute Mannschaft­en gibt, die das auch im Europapoka­l bewiesen haben. In Luxemburg wird das unterschät­zt. Es ist nun einmal so, dass die Leute und auch die Medien nur Feuer und Flamme sind, wenn jemand in Ländern wie Deutschlan­d spielt – egal in welcher Liga.

Nationaltr­ainer Luc Holtz hat Sie seit Oktober 2020 nicht mehr nominiert. Hoffen Sie, bald wieder im FLF-Kader zu stehen?

Ich erwarte, dass ich nächsten Monat nominiert werde. Dass ich in letzter Zeit nicht berücksich­tigt wurde, hat mich natürlich beschäftig­t. Doch ich versuche, mich auf meine Leistungen zu konzentrie­ren. Ich erledige hier meinen Job, die Entscheidu­ng liegt dann beim Nationaltr­ainer.

 ?? Foto: Ben Majerus ?? Tim Hall absolviert­e sein letztes Länderspie­l am 7. Oktober 2020 gegen Liechtenst­ein um Fabio Wolfinger (links).
Foto: Ben Majerus Tim Hall absolviert­e sein letztes Länderspie­l am 7. Oktober 2020 gegen Liechtenst­ein um Fabio Wolfinger (links).

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg