Wenn die Tochter gegen den Vater spielt
Sarah und Erny Gruskovnjak verstehen sich blendend, auf dem Basketballfeld sind sie aber Konkurrenten
Sarah Gruskovnjak gratulierte dem gegnerischen Trainer und dann umarmten sich die beiden herzlich. Dass sie sich gut verstehen, war offensichtlich, auch wenn sie sich gerade als Konkurrenten gegenübergestanden waren. Erny Gruskovnjak ist der Coach der Basketballerinnen von Amicale Steinsel, seine Tochter Sarah ist Spielerin der Musel Pikes.
„Wir sind beste Freunde“, beschreibt die 24-Jährige die innerfamiliären Bande. Nur auf dem Spielfeld der Luxemburger Basketballliga LBBL gilt das nicht. Schon gar nicht, wenn es sich um ein direktes Duell wie am vergangenen Samstag in Stadtbredimus handelt. Es ging auch um den Einzug in die Titelgruppe der besten Acht. Die Musel Pikes brauchten einen Sieg, es klappte aber nicht. Amicale gewann nach Verlängerung 88:81.
Dass ihre Mannschaft eine deutliche Führung aus der Hand gab, war bitter für Sarah Gruskovnjak. „Das ist unsere Schuld“, meint sie. Ein Grund, in so einer Situation wütend auf den Vater zu werden, wäre das nie für sie: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir wegen eines Basketballspiels anschließend nicht mehr miteinander reden würden.“
Die beiden gehen sehr souverän mit der Konstellation um, die doch Seltenheitswert hat. Das Spiel am vergangenen Wochenende war erst das zweite, in dem Vater und Tochter direkt aufeinandertrafen. Erny Gruskovnjak ist zwar schon seit Januar 2022 Trainer der Amicale-Frauen. Er sprang nach dem überraschenden Rücktritt des Belgiers Logan Draux ein. Aber in der Vorsaison war Sarah lange verletzt ausgefallen.
Keine Sonderrechte für die Tochter
„Anfangs war es merkwürdig, ihn auf der anderen Seite zu sehen“, sagt sie. Vor dem Hinspiel im vergangenen Herbst war sie noch sehr nervös gewesen. Inzwischen hat sie sich daran gewöhnt. Erny Gruskovnjak sieht die Angelegenheit professionell. „Vor und nach dem Spiel ist sie meine Tochter, währenddessen ist sie eine Spielerin“, meint er. Er hatte einst als junger Mann Ähnliches erlebt, als er in Walferdingen spielte und Vater Vlado Spielertrainer in einem anderen Verein wurde.
Vor und nach dem Spiel ist sie meine Tochter, währenddessen ist sie eine Spielerin. Erny Gruskovnjak
Sarah Gruskovnjak (r.) verteidigt gegen Amicales Esmeralda Skrijelj.
So entspannt, wie Vater und Tochter die Sache heute sehen, war der Umgang miteinander aber nicht immer. Erny Gruskovnjak war früher bei den Musel Pikes auch mehrere Jahre Sarahs Trainer gewesen. Und in der ersten Zeit hatten beide durchaus damit zu kämpfen. „Einfach war es nicht“, so der Vater. „Anfangs war es ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Da sind auch ein paar Tränen geflossen, das gebe ich zu“, berichtet Sarah Gruskovnjak. „Irgendwann habe ich aber verstanden, dass er beim Training oder im Spiel nicht mein Vater ist, sondern mein Coach. Da darf man die Dinge nicht so persönlich nehmen.“
Der Vater war in der schwierigen Position, dass er junge Spielerinnen einerseits ausbilden, aber auch dazu bringen musste, in entscheidenden Momenten Leistung zu liefern. Zudem setze man sich schnell dem Verdacht aus, man würde die eigene Tochter bevorzugen, meint Erny Gruskovnjak im Rückblick.
Von 2009 bis 2017 war er Frauentrainer der Musel Pikes gewesen, in der Zeit wurde das Team viermal Meister. Sarah Gruskovnjak kam erst nach dem letzten Titel 2014 in die Mannschaft. 2019 half ihr Vater noch einmal kurz als Coach aus, als Dominik Dörr völlig überraschend hinwarf. Damals hatten die verblüfften Spielerinnen im Training nach einer Lösung gesucht. Sarah rief den Vater an und der ließ sein ehemaliges Team nicht hängen.
Zuletzt hatten die Musel Pikes einige Probleme, erfahrene Spielerinnen hörten auf, es gab viele Veränderungen und Verletzungssorgen. In der aktuellen Saison fielen Jenna Wolff, Lena Wintersdorff und zwischenzeitlich auch Profispielerin Jannon Otto mit Blessuren aus. Inzwischen ist Otto wieder fit, doch aktuell ist sie für die Nationalmannschaft von Uganda im Einsatz,
wie Coach Laurent Schmitz berichtet.
Sarah Gruskovnjak hat sich nach einer langwierigen Verletzung zurückgekämpft. In der vergangenen Spielzeit musste sie ab Dezember wegen eines Ermüdungsbruchs im Schienbein komplett aussetzen. Sie hatte schon länger Schmerzen gehabt, die Ursache dafür aber zunächst in neuen orthopädischen Einlagen vermutet. „Ich habe das Problem unterschätzt“, weiß sie heute. Die Vorbereitung auf die aktuelle Saison konnte sie wieder mitmachen. Inzwischen hat sie deutlich mehr Einsatzzeit als vor der Verletzung.
Das Selbstvertrauen ist gewachsen, aber noch nicht genug, findet sie. „Es muss noch ein bisschen größer werden.“Ihren Vater sieht sie als wichtigen Berater, auch wenn er eine andere Mannschaft trainiert. „Wir sprechen ziemlich offen über alles.“Sie schätzt es, wenn er ihre Leistung beurteilt und ihr Tipps gibt: „Denn er nimmt kein Blatt vor den Mund.“
Erny Gruskovnjak freut sich, dass die Tochter im Basketball eine Familientradition fortführt, die mit Großvater Vlado begonnen hatte. „Das Wichtigste für mich ist, dass sie Spaß an ihrem Sport hat“, sagt der Amicale-Trainer. „Als Papa hätte ich gern, dass sie im Spiel noch aktiver wird“, meint er und fügt schmunzelnd hinzu: „Außer gegen meine Mannschaft.“
Wir sprechen ziemlich offen über alles, denn er nimmt kein Blatt vor den Mund. Sarah Gruskovnjak