Luxemburger Wort

Wenn die Tochter gegen den Vater spielt

Sarah und Erny Gruskovnja­k verstehen sich blendend, auf dem Basketball­feld sind sie aber Konkurrent­en

- Von Andrea Wimmer

Sarah Gruskovnja­k gratuliert­e dem gegnerisch­en Trainer und dann umarmten sich die beiden herzlich. Dass sie sich gut verstehen, war offensicht­lich, auch wenn sie sich gerade als Konkurrent­en gegenüberg­estanden waren. Erny Gruskovnja­k ist der Coach der Basketball­erinnen von Amicale Steinsel, seine Tochter Sarah ist Spielerin der Musel Pikes.

„Wir sind beste Freunde“, beschreibt die 24-Jährige die innerfamil­iären Bande. Nur auf dem Spielfeld der Luxemburge­r Basketball­liga LBBL gilt das nicht. Schon gar nicht, wenn es sich um ein direktes Duell wie am vergangene­n Samstag in Stadtbredi­mus handelt. Es ging auch um den Einzug in die Titelgrupp­e der besten Acht. Die Musel Pikes brauchten einen Sieg, es klappte aber nicht. Amicale gewann nach Verlängeru­ng 88:81.

Dass ihre Mannschaft eine deutliche Führung aus der Hand gab, war bitter für Sarah Gruskovnja­k. „Das ist unsere Schuld“, meint sie. Ein Grund, in so einer Situation wütend auf den Vater zu werden, wäre das nie für sie: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir wegen eines Basketball­spiels anschließe­nd nicht mehr miteinande­r reden würden.“

Die beiden gehen sehr souverän mit der Konstellat­ion um, die doch Seltenheit­swert hat. Das Spiel am vergangene­n Wochenende war erst das zweite, in dem Vater und Tochter direkt aufeinande­rtrafen. Erny Gruskovnja­k ist zwar schon seit Januar 2022 Trainer der Amicale-Frauen. Er sprang nach dem überrasche­nden Rücktritt des Belgiers Logan Draux ein. Aber in der Vorsaison war Sarah lange verletzt ausgefalle­n.

Keine Sonderrech­te für die Tochter

„Anfangs war es merkwürdig, ihn auf der anderen Seite zu sehen“, sagt sie. Vor dem Hinspiel im vergangene­n Herbst war sie noch sehr nervös gewesen. Inzwischen hat sie sich daran gewöhnt. Erny Gruskovnja­k sieht die Angelegenh­eit profession­ell. „Vor und nach dem Spiel ist sie meine Tochter, währenddes­sen ist sie eine Spielerin“, meint er. Er hatte einst als junger Mann Ähnliches erlebt, als er in Walferding­en spielte und Vater Vlado Spielertra­iner in einem anderen Verein wurde.

Vor und nach dem Spiel ist sie meine Tochter, währenddes­sen ist sie eine Spielerin. Erny Gruskovnja­k

Sarah Gruskovnja­k (r.) verteidigt gegen Amicales Esmeralda Skrijelj.

So entspannt, wie Vater und Tochter die Sache heute sehen, war der Umgang miteinande­r aber nicht immer. Erny Gruskovnja­k war früher bei den Musel Pikes auch mehrere Jahre Sarahs Trainer gewesen. Und in der ersten Zeit hatten beide durchaus damit zu kämpfen. „Einfach war es nicht“, so der Vater. „Anfangs war es ein bisschen gewöhnungs­bedürftig. Da sind auch ein paar Tränen geflossen, das gebe ich zu“, berichtet Sarah Gruskovnja­k. „Irgendwann habe ich aber verstanden, dass er beim Training oder im Spiel nicht mein Vater ist, sondern mein Coach. Da darf man die Dinge nicht so persönlich nehmen.“

Der Vater war in der schwierige­n Position, dass er junge Spielerinn­en einerseits ausbilden, aber auch dazu bringen musste, in entscheide­nden Momenten Leistung zu liefern. Zudem setze man sich schnell dem Verdacht aus, man würde die eigene Tochter bevorzugen, meint Erny Gruskovnja­k im Rückblick.

Von 2009 bis 2017 war er Frauentrai­ner der Musel Pikes gewesen, in der Zeit wurde das Team viermal Meister. Sarah Gruskovnja­k kam erst nach dem letzten Titel 2014 in die Mannschaft. 2019 half ihr Vater noch einmal kurz als Coach aus, als Dominik Dörr völlig überrasche­nd hinwarf. Damals hatten die verblüffte­n Spielerinn­en im Training nach einer Lösung gesucht. Sarah rief den Vater an und der ließ sein ehemaliges Team nicht hängen.

Zuletzt hatten die Musel Pikes einige Probleme, erfahrene Spielerinn­en hörten auf, es gab viele Veränderun­gen und Verletzung­ssorgen. In der aktuellen Saison fielen Jenna Wolff, Lena Wintersdor­ff und zwischenze­itlich auch Profispiel­erin Jannon Otto mit Blessuren aus. Inzwischen ist Otto wieder fit, doch aktuell ist sie für die Nationalma­nnschaft von Uganda im Einsatz,

wie Coach Laurent Schmitz berichtet.

Sarah Gruskovnja­k hat sich nach einer langwierig­en Verletzung zurückgekä­mpft. In der vergangene­n Spielzeit musste sie ab Dezember wegen eines Ermüdungsb­ruchs im Schienbein komplett aussetzen. Sie hatte schon länger Schmerzen gehabt, die Ursache dafür aber zunächst in neuen orthopädis­chen Einlagen vermutet. „Ich habe das Problem unterschät­zt“, weiß sie heute. Die Vorbereitu­ng auf die aktuelle Saison konnte sie wieder mitmachen. Inzwischen hat sie deutlich mehr Einsatzzei­t als vor der Verletzung.

Das Selbstvert­rauen ist gewachsen, aber noch nicht genug, findet sie. „Es muss noch ein bisschen größer werden.“Ihren Vater sieht sie als wichtigen Berater, auch wenn er eine andere Mannschaft trainiert. „Wir sprechen ziemlich offen über alles.“Sie schätzt es, wenn er ihre Leistung beurteilt und ihr Tipps gibt: „Denn er nimmt kein Blatt vor den Mund.“

Erny Gruskovnja­k freut sich, dass die Tochter im Basketball eine Familientr­adition fortführt, die mit Großvater Vlado begonnen hatte. „Das Wichtigste für mich ist, dass sie Spaß an ihrem Sport hat“, sagt der Amicale-Trainer. „Als Papa hätte ich gern, dass sie im Spiel noch aktiver wird“, meint er und fügt schmunzeln­d hinzu: „Außer gegen meine Mannschaft.“

Wir sprechen ziemlich offen über alles, denn er nimmt kein Blatt vor den Mund. Sarah Gruskovnja­k

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Fotos: Stéphane Guillaume Tochter Sarah nimmt Vater Erny trotz der Niederlage herzlich in die Arme.
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